Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Das ist total wichtig.

Sie haben eben Beispiele in der Schule benannt, die zum Nachdenken anregen. Wir müssen prüfen, ob die Schulen verantwortlich handeln. Gibt es Lösungsmöglichkeiten, dass Kinder nicht diskriminiert werden, wenn sie in die Kindertagesstätte bzw. Schule gehen?

Auf der anderen Seite sagen Sie pauschal, gesundes Essen müsse teuer sein.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das sage ich nicht!)

Um sich gesund zu ernähren, muss man nicht teures Öko-Fleisch der Grünen essen. Es gibt einfache Mittel, auch mit preiswerten Lebensmitteln gesund zu leben.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Steffens?

Nein, ich möchte gerne zu Ende ausführen.

Sie möchten keine Zwischenfrage zulassen. Danke.

Um gesund aufzuwachsen, muss ein Kind auch nicht jede mögliche Sportart, die in Nordrhein-Westfalen angeboten wird, unbedingt ausüben.

(Carina Gödecke [SPD]: Das steht überhaupt nicht im Antrag! Das hat niemand behaup- tet!)

Nein, Frau Gödecke, genau das hat Frau Steffens schon auch ausgedrückt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: 2,55 €! Erzäh- len Sie mir einmal, was ein Kind da essen soll! Das hat nichts mit Öko zu tun! Gucken Sie einmal, was ein Apfel kostet! Gucken Sie einmal, was eine Banane kostet!)

Frau Steffens, wir können über Regelsätze für Essen reden. Aber pauschal die Forderung zu erheben, dass gesundes Essen teuer sein müsse …

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt!)

Das ist aber so rübergekommen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben wie immer nicht zugehört!)

Bei Ihnen natürlich nicht. Bei der Opposition kommt so etwas gar nicht rüber.

Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen für die Kinder so hinzubekommen, dass sie in der Kindertagesstätte und in der Schule nicht diskriminiert werden. Es hilft aber auch nicht, den Regelsatz einseitig zu erhöhen, weil man dann wieder nicht sicher sein kann, dass Eltern in jedem Bereich ihren Kindern das geben, was der Staat vorsieht. Auch dafür gibt es ausreichend Beispiele. Es geht darum, damit differenziert umzugehen.

Wir sehen als gemeinsam anzugehendes Problem die Kinderarmut. Es geht nicht alleine um eine Regelsatzerhöhung, sondern es geht um die wich

tigen Rahmenbedingungen, die wir beim Armutsbericht diskutiert haben. Wenn es um ganz konkrete Beispiele geht, sind wir für ein Gespräch im Ausschuss offen. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laumann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Beitrag der Landesregierung gerne auf zwei Problemfelder konzentrieren:

Das erste Problemfeld betrifft die Höhe der Regelsätze. Als Hartz IV eingeführt worden ist, hat man für die Höhe der Regelsätze – damals war das Meinung aller; auch wir als Opposition haben nicht dagegengehalten, Rot-Grün hat es zu verantworten – die Einkommens- und Verbraucherstichprobe zugrunde gelegt. Niemand in Deutschland will eine Debatte darüber, dass wir den Regelsatz von 345 € erhöhen.

Wir haben ihn gerade über eine bundespolitische Initiative für den Osten des Landes erhöht. Das war Gegenstand des Koalitionsvertrages. Wer bei den Koalitionsverhandlungen dabei war, weiß auch, dass dort einige umgekehrt argumentiert haben.

Dann gibt es eine weitere Frage – dabei möchte ich feststellen, dass Frau Steffens in der einen oder anderen Hinsicht schon Nachdenkenswertes gesagt hat –: Trifft eine bestimmte prozentuale Ableitung dieses Regelsatzes in jedem Punkt die Lebenswirklichkeit von Kindern? Eine wichtige Aufgabe wird es in den nächsten Wochen und Monaten sein, dem noch einmal fachlich nachzugehen.

(Zustimmung von Walter Kern [CDU])

Das können wir im Parlament machen. Ich will aber auch ausdrücklich die Unterstützung der Fachabteilung meines Ministeriums anbieten.

Dass man bei der gesamten Entwicklung auch immer die Relation der Regelsätze zu den Löhnen in den niedrigen Lohnbereichen im Auge haben muss, weil es auch noch das Lohnabstandsgebot gibt, das bei bestimmten Entwicklungen in der Gesellschaft eine große Rolle spielt, dürfte dabei unter uns auch unstreitig sein.

Ein weiterer Punkt: Die Erfahrungen mit dem SGB II und den Regelsätzen lehren uns, wie un

recht viele seinerzeit der Sozialhilfe getan haben, als man sie als ein schlechtes Instrument bezeichnet und in Grund und Boden geprügelt hat. Das Bundessozialhilfegesetz war in seiner Zielgenauigkeit trotz der Pauschalen gar nicht so schlecht, finde ich. Das habe ich im Übrigen schon immer gesagt.

Wir sollten zumindest die Konsequenz daraus ziehen, dass wir in anderen politischen Zusammenhängen – hier denke ich etwa an die Debatte über die Eingliederungshilfe – sehr vorsichtig sind. Ich glaube nämlich nicht nur, dass das Bundessozialhilfegesetz ein gutes Gesetz war, sondern vermute auch, dass man die Lebenswirklichkeit von Menschen nicht ausschließlich in eingearbeiteten Pauschalen abbilden kann, sondern in den Behörden auch die Möglichkeit haben muss, in besonderen Fällen auch einmal eine besondere Leistung zu gewähren;

(Beifall von den GRÜNEN)

denn die gesamte Lebensvielfalt geht nun einmal nicht in Pauschalen auf.

Es gibt einen weiteren Punkt, über den ich in den letzten Tagen oft nachdenke. Die Betreuungsschlüssel sind in den Argen und den Optionskommunen mittlerweile enger als früher. Früher hatten 1.000 Arbeitslose einen Betreuer. Heute ist diese Zahl auf 200 bis 250 gesunken. Eigentlich könnte man daraus schließen, dass man sich hier und da auch eine individuellere Festlegung vorstellen kann, als das nach dem alten Betreuungsschlüssel möglich war. Das sollten wir in diesem Zusammenhang auch im Auge haben.

Allerdings nehme ich diese Debatte, die wir zurzeit in Nordrhein-Westfalen führen, auf der Bundesebene nicht in großem Umfang wahr. Wenn wir an dieser Stelle etwas erreichen wollen, müssen wir uns die in diesem Zusammenhang fachlich wichtigen Punkte deshalb hier in NordrheinWestfalen einmal vernünftig anschauen. Man muss ganz genau hinschauen und darauf achten, nicht dem Lohnabstandsgebot zuwiderzuhandeln.

Mit Ihrem Beispiel, dass für Kinderschuhe 60 % des Preises von Erwachsenenschuhen angesetzt wurden, werden Sie ohne Zweifel recht haben. Und zu der These, ein 14 Jahre altes Kind brauche 40 % weniger Geld für Essen als ein Erwachsener, kann ich als Vater von Kindern in diesem Alter nur sagen: Das stimmt nicht. Das kann gar nicht stimmen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von der CDU)

Wir werden ganz einfach schauen müssen, wo das der Fall ist. Dort, wo man wirklich mit ganz

wenig Geld auskommen muss, müssen wir vielleicht auch auf die Regelsätze gucken.

Wir sollten dem zusammen auf den Grund gehen und in diesem Zusammenhang auch mit den Obleuten sprechen. Ob das im Rahmen einer Fachanhörung des Ministeriums, an der wir Sie beteiligen, oder durch eine Initiative des Parlaments, dem wir dann zuarbeiten, geschieht, ist mir letzten Endes egal.

Wie gesagt, stehe ich aber nicht für eine Debatte einer generellen Erhöhung von Regelsätzen zur Verfügung. Weil ich weiß, was das für das Lohnabstandsgebot bedeutet, stehe ich dafür in der Tat nicht zur Verfügung. In diesem Bereich müssen wir individuell schauen, was wir dort machen können.

Lassen Sie mich noch etwas zu einem weiteren Regelungskreis sagen. Als es die Hartz-IVLeistungen, also die SGB-II-Leistungen, noch nicht gab, war in Nordrhein-Westfalen klar geregelt, dass die Kommunen für Kinder, die von der Sozialhilfe leben mussten, zuständig waren. Es war festgelegt, dass diese Kinder mit dem Schulbus fahren konnten, Schulbücher bekamen und bei einer Übermittagbetreuung, soweit es sie damals schon gab, auch am Schulessen und am Kindergartenessen teilnehmen konnten.

Aufgrund der Einführung des SGB II gibt es ja kaum noch Kinder, die unter das SGB XII fallen. Weil die Menschen, die drei Stunden arbeiten können, in der Regel unter das SGB II fallen, fallen die Kinder heute ebenfalls darunter.

Als man bei der damaligen Überleitung versäumt hat, das Schulgesetz zu ändern und festzulegen, dass diese Regelungen für die Sozialhilfeempfänger nun auch für die SGB-II-Bezieher gelten, war ich hier noch nicht zuständig; das will ich nur in aller Bescheidenheit sagen.

(Beifall von CDU und FDP – Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie könnten das aber jetzt än- dern!)

Natürlich kommen jetzt die kommunalen Spitzenverbände und sagen: Wir sehen diesen Bedarf gar nicht; das ist ja alles in den Regelsätzen eingearbeitet. – Die kommunalen Spitzenverbände in diesem Land sind nicht allein eine Veranstaltung der Christlich Demokratischen Union und der FDP – leider noch nicht; wir arbeiten daran.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Zurzeit gibt es aber auch noch Kommunalpolitiker mit anderen Parteibüchern.

Diese Frage muss natürlich auch an dieser Stelle diskutiert werden; denn sie gehört dorthin. Deswegen wird die Landesregierung weiterhin mit der kommunalen Ebene in Gesprächen über die Lösung dieser Probleme bleiben; denn jeder von uns will doch, dass die Kinder von Eltern, die sich in einem bedürftigkeitsabhängigen System befinden, auch am Mittagsessen teilnehmen können, wenn es an der von ihnen besuchten Betreuungsform dieses Angebot gibt. Um das zu ermöglichen, führen wir auch weiterhin Gespräche; denn wir sehen dieses Problem ebenfalls.

Dies gilt auch für die anderen Bereiche der Teilhabe. Wenn wir das Ganze so angehen, werden wir unter Umständen eine Lösung finden. Die kommunalen Spitzenverbände können uns allerdings nicht einfach sagen, das alles fiele nicht mehr in ihre Zuständigkeit. Das muss man auch sagen.