Dies gilt auch für die anderen Bereiche der Teilhabe. Wenn wir das Ganze so angehen, werden wir unter Umständen eine Lösung finden. Die kommunalen Spitzenverbände können uns allerdings nicht einfach sagen, das alles fiele nicht mehr in ihre Zuständigkeit. Das muss man auch sagen.
Alle Fraktionen, die diesen Landtag repräsentieren, haben auch einen großen kommunalpolitischen Fuß. An dieser Stelle muss man auch diese Debatte mit der Kommunalpolitik führen.
Da ich auch 25 Jahre meines Lebens Mitglied eines Rates einer Stadt mit 22.000 Einwohnern war – ich war auch ein paar Jahre Vorsitzender eines Schulausschusses –,
weiß ich sehr wohl, dass man viele Probleme, die es in diesem Zusammenhang immer gibt – damals ging es eher um Klassenfahrten –, am zielgenauesten auf der unteren Ebene lösen kann, indem man als Gemeinde den Schulen bestimmte Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Auch durch die Kompetenz von verantwortlichen Schulleitern kann man bestimmte Probleme in Schulen treffsicher lösen.
Deswegen brauchen wir auch hier ein Zusammenspiel dieser unterschiedlichen politischen Ebenen. Die Tatsache, dass hier eine solche Debatte geführt wird, wird uns diese politische Debatte vielleicht überhaupt erst ermöglichen.
Lassen Sie mich nun noch einen Satz zu den Kindergartenbeiträgen sagen; denn auf einen Punkt wollte ich hier schon immer einmal hinweisen. Es geht doch darum, wie man die Kindergartenbeiträge erhöht. Ich möchte nur, dass die Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen auch zur Kenntnis nimmt, dass Eltern in diesem Jahr zum ersten Mal Kindergartenbeiträge in der Einkommensteuererklärung geltend machen können.
Bisher konnten in Deutschland noch nie Kindergartenbeiträge bei der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden.
Mit der Festlegung, dass diejenigen, die eine hohe Steuerprogression haben und damit ihre Beiträge auch steuerlich geltend machen können, einen Beitrag zur Finanzierung eines Kindergartens leisten, damit hat zumindest der Arbeitsminister dieses Landes kein sozialpolitisches Problem; denn es gehört auch zur Wahrheit, dass bei ihnen eine Nettobelastung im Grunde gar nicht eintritt.
Deswegen muss man nicht gerade im Gemeinderat oder im Stadtrat den Kindergartenbeitrag für den Bereich erhöhen, wo die Leute über die Steuerprogression nichts zurückerhalten. Ich denke, die sozialpolitische Kompetenz haben vor allen Dingen diejenigen, die das Ruhrgebiet regieren, die angeblich vom Innenminister gezwungen werden, die Kindergartenbeiträge zu erhöhen. In diesem Sinne auch nur ein Tipp für sie, wie man das sozialverträglich machen kann.
Vielen Dank für den Beitrag in einem lebendigen Parlament. Frau Kollegin Veldhues, Sie haben das Wort.
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Sie fast namentlich hier begrüßen. Das Thema scheint nicht so sehr virulent in unseren Köpfen zu sein. Ich unterstelle, die anderen hören in ihren Büros zu.
Wenn von Kinderarmut die Rede ist, denken viele sofort an die Dritte Welt. Dabei gibt es sich auch bei uns in Deutschland und in NRW. Sie wird nur verdrängt. Sobald das Thema Kinderarmut in unsere Nähe rückt, in eine der reichsten Gesellschaften der Welt, entstehen sofort Verlegenheiten. Statistiken werden zurechtgerückt, harte Zahlenbelege verharmlost. Kinderarmut gehört in der Tat in unserer Gesellschaft zu den Bereichen un
Der heute Morgen vorgestellte Sozialbericht aber liefert für unser Land eindeutige Zahlen. Arme Kinder wollen nicht als arm bewertet werden. Armut ist auch in unserem Land ein unheimliches Stigma, weit verbreitet ist sie dennoch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rede hier von armen Familien und nicht von asozialen Familien. Ich bin dankbar für die Richtigstellung, denn die Verwischung heute Morgen ist mir äußerst quergegangen.
Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister Laumann, dass Sie das geradegestellt haben. Denn gerade viele Eltern in armen Familien bemühen sich und unternehmen großen Anstrengungen, damit ihre Kinder nicht als arm in der Schule und im Freundeskreis stigmatisiert werden. Die Anstrengung dieser Eltern sollten wir herausheben und sie keinesfalls auf die Stufe mit Asozialen stellen.
Trotzdem: Armut grenzt aus. Kinder aus armen Familien sind in vielfacher Hinsicht benachteiligt und ausgegrenzt. Sie müssen oft auf Taschengeld, Teilnahme an Klassenfahrten und Sportangebote verzichten. Oft ernähren sie sich mangelhaft und sind bei schlechter Gesundheit. Benachteiligte Kinder wohnen oft in isolierten Wohnvierteln, sind unter sich, ohne gute Schule und ohne gute Ausbildungsmöglichkeiten.
Kinderarmut – das ist heute vielfach gesagt worden – hat Auswirkungen auf die Bildungschancen. Für viele Kinder aus einkommensschwachen Familien könnte gerade der Besuch einer Ganztagsschule wichtige Chancen bieten, Bildungsbenachteiligungen auszugleichen. Aber oft bleiben gerade sie diesem Angebot fern, auch weil ihre Eltern die Kosten für das Mittagessen von 2 € bis 2,50 € nicht aufbringen können. Denn im Regelsatz – das ist vorhin dargestellt worden – ist ein außer Haus zubereitetes Essen nicht vorgesehen. Das ist zwangsläufig teurer, als wenn die ganze Familie an einem Tisch sitzt. Daher können viele Kinder dieses Angebot an der Ganztagsschule kaum wahrnehmen.
Kinder ohne Chancen sind die Arbeitslosen von morgen. Die Überwindung von Kinderarmut ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft. Ich zitiere hier den Bundespräsidenten a. D., Roman Herzog. Massenhaft Kinderarmut in Deutschland bedeutet massenhafte Ungerechtig
keit und Benachteiligung in der Schule, bei der Ausbildung, bei der Ernährung und bei der Gesundheit. Das darf nicht länger als unabänderliche Tatsache hingenommen werden.
Kinderarmut ist keine unabänderliche Tatsache. Wir stehen dafür ein und sind in diesem Landtag alle aufgerufen, dass der schleichende Ausschluss von benachteiligten Kindern und Jugendlichen gestoppt werden muss.
Ich fordere uns alle auf, auch als Selbstverpflichtung, den Abbau von Kinderarmut, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit einer höchsten politischen Priorität zu versehen. Wir unterstützen den Antrag der Grünen, hier einen Aktionsplan von der Landesregierung einzufordern, der mit konkreten Zielvorgaben belegt ist. Wir müssen Ausgrenzung auch da verhindern, wo wir die Kompetenzen haben.
Ich erinnere an das Schulgesetz. Die Aufhebung der Grundschulbezirke wird ein Aussortieren von sozial Benachteiligten befördern. Zu meiner Zeit gab es den Protestsong „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ von Degenhardt, nicht vom Bischof, für die, die damals nicht dabei waren. Er wäre heute so aktuell wie nie zuvor.
Wir brauchen eine kindorientierte Betreuungspolitik, eine kindorientierte Politik mit Betreuungsmöglichkeiten für alle Kinder. Kindergärten müssen langfristig gebührenfrei werden, wir brauchen kindgerechte Ganztagsschulen, um Lern- und Verhaltensdefizite auszugleichen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit die Berufstätigkeit der Eltern zu verbessern.
Heute wurde vielfach gefordert: Die Landesregierung muss ihre Zusagen bezüglich der Lernmittelfreiheit für Arbeitslosengeld-II-Bezieher endlich umsetzen und diese Verantwortung nicht auf die Städte delegieren. Jedes Gesetz, vor allem wenn es um Kinder geht, muss sich daran messen lassen, ob es einen hilfreichen Beitrag dazu leistet, die gesellschaftliche Spaltung zu verhindern und die Folgen der Kinderarmut zu bekämpfen – so die Forderung der Freien Wohlfahrtspflege in diesen Tagen.
Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei. Lassen Sie uns gemeinsam handeln und sicherstellen, dass Leistungen auch tatsächlich bei den Kindern ankommen!
ob wir in NRW weiter aussortieren – entweder nach der Finanzkraft der Eltern oder nach der Finanzkraft der Wohnortgemeinde – oder ob wir bereit sind, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass alle Kinder die gleichen Lebenschancen bekommen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Art. 27 der UNKinderrechtskonvention nennt die Bereiche einer kindlichen Existenz, die hinreichend versorgt sein müssen: körperlich, geistig, seelisch, sittlich und sozial. Das heißt, es geht vordergründig nicht um Geld, sondern es geht um Gesundheit, Bildung, Beteiligung, Integration und Gewaltfreiheit.
Deshalb beschränkt sich das Thema, was Kinder brauchen, nicht ausschließlich auf die Zuwendung an Kinder aus dem SGB II. Besonders Kinder von Alleinerziehenden, unabhängig, ob sie einen Job haben, unterliegen einem erhöhten Armutsrisiko. Aber auch dort, wo mehrere Kinder in Familien leben, bei denen ein Partner ein Einkommen aus beruflicher Tätigkeit erzielt, besteht ein erhöhtes Armutsrisiko.
Das alles ist nicht neu. Neu ist, dass die jetzige SPD-Opposition im Landtag von NordrheinWestfalen dies nun etwas realistischer, aber noch zu eingeengt erkannt hat, was allerdings nach der Rede von Frau Kraft heute Morgen wieder infrage gestellt werden muss.
Frau Gebhard, Sie fordern strukturelle Veränderungen. Warum haben Sie solche in der Vergangenheit nicht geschaffen? Jetzt plötzlich wissen Sie alles besser. Wenn etwas gemacht wird, wird alles wieder schwarzgemalt.
Frau Veldhues, die Aussage, im Parlament würde etwas verharmlost werden, weise ich energisch zurück. Unser Minister hat auch unter Tagesordnungspunkt 1 deutlich gemacht, dass nichts zu verharmlosen ist, sondern die Wirklichkeit angesprochen werden muss.
In der Debatte über unseren Antrag Drucksache 13/2959 aus dem Jahr 2002 haben Sie die Tatsache bestritten, dass arme Kinder in Armutsquartieren häufiger als Gesetzesbrecher auffallen. Der Deutsche Kinderschutzbund sagt aber eindeutig, dass Gewalt in Armutsquartieren eine alltägliche Lebenserfahrung ist.
Wie weit die SPD in der Vergangenheit von der Lebenswirklichkeit entfernt war und wie unfähig sie war, den Mut und die politische Kraft aufzubringen, um die Situation tatsächlich zu verändern, dokumentiert das Protokoll der Plenarsitzung vom 11. September 2002.
Sie von der SPD kommentierten unsere Forderung nach einer Verbesserung der Angebote an Betreuungsplätzen, nach besseren Bedingungen für Bildung und nach Integration von Familien mit Migrationshintergrund mit den Worten, das klinge alles schön, die Forderungen seien aber vollkommen unseriös, da sie konsequent alle nicht finanziert werden könnten.
Meine Damen und Herren, die neue Regierung hat bereits nach zwei Jahren Regierungszeit bewiesen, dass unsere damaligen Forderungen für mehr Einsatz für Kinder richtig waren und auch finanzierbar sind, wenn man dies wirklich will.