Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Normalerweise stehen in Gesetzesinitiativen die Kosten und Finanzierungsalternativen. Sie sprechen nur Befreiung, sagen aber nicht, welche Einnahmeverluste es bei den Rundfunkanstalten geben wird. Allein das Soziale Jahr, das Sie angesprochen haben, ist finanziell erfasst. Hier geht es um 8 Millionen €. Gemessen an 7,1 Milliarden €, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk kostet, ist das eine Petitesse. Ich meine auch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch Einsparpotenzial hat. Wir könnten auf Werbung verzichten. Da bin ich völlig Ihrer Meinung.

Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht durch Steuern finanziert wird, bedeutet das, dass alle anderen Rundfunkteilnehmer mehr zahlen müssen. Insofern präjudizieren Sie zumindest die Entscheidungsfreiheit der KEF. Wenn Sie auf der einen Seite Geld wegnehmen, müssen auf der an

deren Seite die anderen mehr bezahlen. Das sind kommunizierende Röhren.

Soziale Härten schließen wir nicht von vornherein aus. Zum Teil sind aber in die Transferleistungen Fernsehgebühren mit eingerechnet worden. Man müsste auch einmal über die Transportgebühren sprechen. Hier müsste man eventuell mit der ish reden, weil mittlerweile bei Kabel-TV der Transport teurer ist als der Inhalt.

Aufgrund des Handelns der linken Seite dieses Hauses haben wir in diesem Sommer ein Verfassungsgerichtsurteil zu erwarten, das die Öffentlich-Rechtlichen gegen verschiedene Landesregierungen – nicht gegen Ihre Fraktion; die war schon damals sehr einsichtig – angestrengt haben, das sich ausschließlich mit Gebühren für öffentlich-rechtliche Fernseheinrichtungen beschäftigt. Ich meine, wir sollten dies abwarten. Wir sollten abwarten, ob wir weiterhin als Parlament die Kompetenz haben, öffentlich-rechtliche Gebühren so zu bescheiden, wie wir das in der Vergangenheit gemacht haben, und ob die Ministerpräsidenten weiterhin das Recht haben, KEF-Vorschläge so abzuändern, wie sie das in der Vergangenheit gemacht haben. Ich meine, die wenigen Wochen sollten wir abwarten. Dann haben wir Rechtssicherheit.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir uns dann in den Fachausschüssen wiedersehen werden. Es schadet der Sache nicht, wenn wir hier heute, allerdings mehr aus formalen Gründen, in der Sache entscheiden. Die Tatsache als solche wird uns sehr schnell wieder einholen. Deshalb müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir heute nicht anders können, als in der Sache direkt abzustimmen und unsere Zustimmung zu Ihrem Antrag zu verweigern.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hegemann. – Nun hat für die Fraktion der FDP der Kollege Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich – das haben unterschiedliche Redner der Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten immer wieder deutlich gemacht – können wir, was die Weiterentwicklung der Rundfunkstaatsverträge angeht, im Dialog bleiben und prüfen, wie die Interessen des Landes aussehen. In diesem Bereich wird sich nach all den rechtlichen Urteilen, die es zukünftig geben wird, einiges bewegen. Den vorliegenden Antrag, über den Sie eine zeitnahe Entscheidung verlangen, werden wir dennoch ablehnen.

Die FDP-Landtagsfraktion zeigt schon seit langem die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Rundfunkgebührensystems auf und mahnt spürbare Strukturreformen an. Es muss endlich Schluss sein mit einer expansiven Ausgabenpolitik und der ständig neuen Kreativität der GEZ, nahezu jedes technische Gerät als Rundfunkempfänger zu deklarieren,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist doch Un- fug, Herr Kollege Witzel!)

damit auch für den ersten PC und das letzte Handy doppelt und dreifach abkassiert werden kann.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das hat der Minis- terpräsident dieser Landesregierung be- schlossen!)

„Keine GEZ fürs Internet“ sollte daher ein wichtiges Ziel für unseren neuen Rundfunkstaatsvertrag sein.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Grober Unfug!)

Wir erwarten zukünftig mehr Sparsamkeit vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, niedrigere finanzielle Belastungen und nehmen daher die Sorgen von Menschen mit geringem monatlichen Einkommen ernst. Der Weg aber, zu geringeren wirtschaftlichen Belastungen für die Menschen zu kommen, ist der, den öffentlich-rechtlichen Finanzbedarf der KEF zu senken und nicht die Privilegierung durch Befreiung einzelner mit immer größeren Belastungen anderer zu erkaufen.

Ihre rot-grüne Logik des Antrages ist außerordentlich simpel. Sie wollen eine immer größere Expansion der öffentlich-rechtlichen Angebote und Strukturen. All Ihre Anträge, zum Beispiel mehr Online-Dienste, können Sie unter den verschiedenen Drucksachennummern nachlesen. Damit produzieren Sie einen wachsenden Finanzbedarf der Anstalten. Aufgrund der hohen Belastungen wollen Sie dann immer mehr einzelfallbezogene Ausnahmen mittels Befreiung. Die immer kleiner werdende Gruppe der noch verbleibenden Zahler wird dann gleich mehrfach abkassiert und darf die Lasten dieser Kostenexplosion schultern. Das ist keine seriöse Politik.

Es gilt vielmehr, die finanziellen Belastungen für alle Bürger und im Übrigen auch für Unternehmen durch Rundfunkgebühren insgesamt auf ein notwendiges Maß zu senken und ein modernes, moderates, transparentes und gerechtes Gesamtsystem zu schaffen. Dazu bieten die rundfunkstaatsvertraglichen Änderungen, die uns bevorstehen, eine gute Gelegenheit.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wenn Sie das Wort „gerecht“ in den Mund nehmen, dann hört sich das an wie Hohn!)

Wir müssen uns von scheinbaren Naturgesetzen bzw. Automatismen auf diesem Gebiet verabschieden, wonach in einem gerätebezogenen System die Rundfunkgebühren von Jahr zu Jahr ausschließlich in die Höhe schnellen. Die Gesamterträge von Rundfunkgebühren stiegen in den letzten zehn Jahren von unter 5 Milliarden € auf über 7 Milliarden € an. Mittlerweile sind in Nordrhein-Westfalen neben dem WDR alle dritten Programme sowie eine weitere Vielzahl überregionaler und lokaler Sender zu empfangen. Die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird heute durch die zahlreichen privaten Programme mehr als nur ergänzt.

Durch die Einführung von Rundfunkgebühren für internetfähige Computer und weitere sogenannte neuartige Rundfunkempfangsgeräte sollte auf den technischen Wandel reagiert werden. In der Praxis hat sich allerdings schnell gezeigt, dass die gerätebezogene Erhebung der Rundfunkgebühr von der technischen Entwicklung schlicht überholt wurde.

Da die heutige Gebühr allein an die technischen Kriterien wie Internetfähigkeit des Gerätes anknüpft, wird die Art der tatsächlichen Nutzung einfach ignoriert. Somit werden auch diejenigen von der Gebühr betroffen, die das Gerät ausschließlich zu dem ursprünglich vorgesehenen Zweck wie Telefonie oder Datenverarbeitung nutzen und Sendungen gar nicht empfangen wollen oder können.

Nunmehr diskutieren wir mit Ihrem Antrag eine Einzelmaßnahme. Die gerade genannten Beispiele zeigen allerdings, dass wir eine umfassende Strukturreform brauchen, bei der alle Tatbestände, alle Aspekte von Befreiung einmal in einem konsistenten Gesamtsystem einer Unterprüfung unterzogen werden, worüber dann neu zu entscheiden ist. Die jetzige Salamitaktik ist nicht der richtige Weg.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist Ihre Defi- nition von Sozialpolitik der FDP!)

Sie beabsichtigen mit Ihrem Antrag, eigene Fehler ihres eigenen 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages auszubügeln. Die durch den 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingetretenen Veränderungen hinsichtlich des Verfahrens und der Befreiungstatbestände von der Rundfunkgebühr haben wir bereits an anderer Stelle ausführlich diskutiert.

Ich möchte deshalb auf drei Aspekte ausdrücklich hinweisen:

Erstens. Der 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde vom abgewählten nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück, SPD, ausgehandelt und vom Landtag Nordrhein-Westfalen in der letzten Legislaturperiode mit den Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet. Die FDPLandtagsfraktion hat bekanntlich dagegen gestimmt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben früher gegen alles gestimmt!)

Sie kritisieren also hier und heute mit Ihrem Antrag Ihre schlechte Gesetzgebung der letzten Legislaturperiode.

Zweitens. Der Personenkreis, der von den Rundfunkgebühren befreit werden kann, ist teilweise verkleinert, teils aber auch vergrößert worden. Letzteres gilt etwa für die Bezieher von Arbeitslosengeld II – insbesondere mit Hinzuverdienst.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sind doch veränderte Bedingungen!)

Drittens. Der Vertrag enthält eine sogenannte Härtefallklausel, wonach die GEZ in Einzelfallprüfungen besondere Härtefälle anerkennen und Gebührenbefreiungen aussprechen kann. GEZ und Rechtsprechung fordern hier aber derzeit einen atypischen Härtefall, sodass die Norm kaum zur Anwendung kommt. All das gehört zur Wahrheit dazu, zu dem Gesamtsystem, das Sie auf den Weg gebracht haben.

Diese systembedingte Ungerechtigkeit der Rundfunkgebühren und die fragwürdige Rolle der GEZ wurden bereits zu früherer Zeit am Beispiel der Universitäten und Musikschulen deutlich.

Durch die ebenfalls im 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag erfolgte Erhöhung der Gebührenpflicht für Beherbergungsbetriebe mit über 50 Betten sind dem deutschen, im europäischen Vergleich überdurchschnittlich stark belasteten Beherbergungsgewerbe geschätzte Mehrkosten in Höhe von 15,3 Millionen € entstanden.

Nunmehr zeigt die fragwürdige Anwendung der Härtefallregelung abermals, dass die GEZ und eine gerätebezogene Rundfunkgebühr zu den Relikten der Vergangenheit werden müssen. Bereits zuvor sprachen wirtschaftliche Gründe gegen die bürokratischen Strukturen der GEZ.

In Zahlen bedeutet dies, dass die Aufwendungen der GEZ für den Gebühreneinzug in den letzten zehn Jahren von unter 90 Millionen € kontinuier

lich auf mittlerweile über 160 Millionen € angestiegen sind. Über 160 Millionen € zahlen Bürger und Unternehmen jährlich für das GEZ-Inkasso. 1,8 Millionen Zahlungsaufforderungen über fällige Rundfunkgebühren und rund 950.000 Maßnahmen zur Erlangung rückständiger Rundfunkgebühren werden monatlich von der GEZ verfügt.

Auch wenn hinter Ihrem Antrag die Absichten eines Gutmenschen stecken mögen, so ist die Zeit für eine solche Einzelmaßnahme derzeit denkbar ungünstig. Wir brauchen eine umfassende Strukturreform.

Es ist richtig und wichtig, finanziell schwächer gestellte Menschen nicht übermäßig zu belasten. Deshalb wurde bereits im Juni 2006 unter Beteiligung der amtierenden Landesregierung im 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag beschlossen, die zehn Befreiungstatbestände in § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages um zwei weitere zu ergänzen. Da diese Änderungen erst am 1. März 2008 in Kraft treten, konnte mit den Rundfunkanstalten im Vorgriff auf die Änderungen in einigen Fällen bereits eine Gebührenbefreiung zum Sommer dieses Jahres erreicht werden.

Die von Rot-Grün in Ihrem Antrag geforderte, noch weitergehende Ausdehnung der Rundfunkgebührenbefreiung ist nur möglich, wenn der bestehende Rundfunkgebührenstaatsvertrag von allen Landesregierungen und allen Landesparlamenten geändert wird. Diese Position haben viele der anderen 16 Landesregierungen und Landtage nicht.

Die Kosten, die durch Ihren Antrag entstehen, sind – das ist auch in Zeiten wirtschaftlicher Überlegungen und angesichts wirtschaftlicher Vernunft nicht unwichtig – noch ganz kurz zu beleuchten. Ihr Antrag bedeutet an Folgekosten, dass alleine im Bereich des freiwilligen Sozialen Jahres,

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

so, wie es WDR und Staatskanzlei für unsere Beratungen im Ausschuss berechnet haben, ein Einnahmeausfall von rund 8 Millionen € resultiert.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ein anderer weiterer Millionenbetrag kommt durch die Fragestellung hinsichtlich des ALG II hinzu.

Herr Kollege, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Unter dem Strich bedeutet dieser Antrag im Falle seiner Umsetzung – Frau Präsidentin, mein letzter Satz – ein Einnahmeaus

fallvolumen in zweistelliger Millionenhöhe. Dem können wir nicht mal soeben zustimmen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war ein Armutszeug- nis!)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Breuer das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Verehrte Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Es geht um die Details der Erweiterung der Rundfunkgebührenbefreiung. Wie Sie wissen – das ist auch kurz angesprochen worden –, ist zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhängig. Dazu hat am 2. Mai 2007 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Dieses Urteil dürfte grundlegende Ausführungen zu Fragen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks enthalten. Ich glaube, es ist klug, dieses Urteil erst einmal abzuwarten. Wir halten deswegen die Befassung mit diesem Antrag in dieser Form nicht für zielführend.