Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Nicht erst seit der erfolgreichen KulturhauptstadtBewerbung „Essen für das Ruhrgebiet“ ist jedem klar, dass in dieser Region Power steckt. Die Metropolregion Ruhr arbeitet zusammen. Sie braucht keine von oben verordneten Strukturreformen.

Meine Damen und Herren, das Problem mit Ihrem Gesetzentwurf ist folgendes: Sie kennen das Ruhrgebiet nicht.

(Beifall von der SPD – Lachen von der CDU)

Sie kennen nicht die Probleme, die es dort ohne Zweifel gibt. Da hilft es auch nichts, wenn der

selbst ernannte Arbeiterverführer Jürgen Rüttgers markige Worte zum Ruhrgebiet sagt. Meine Damen und Herren, was Sie stört, ist, dass Sie im Ruhrgebiet nicht stattfinden. Die Menschen dort vertrauen Ihnen nicht. Das ist der Punkt.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Aber schauen wir uns diesen Gesetzentwurf einmal genauer an. Ich werde Ihnen drei Gründe nennen, die dafür sprechen, ihn abzulehnen.

Erstens. Sie übertragen die Regionalplanung ab der Kommunalwahl 2009 auf den RVR. Hier stellt sich doch die Frage: Warum tun Sie es jetzt? – Es gibt keinen Grund, heute gesetzlich zu regeln, was erst 2009 gelten soll. Diese Vorgehensweise der Landesregierung ist schon allein deshalb abzulehnen, weil die Änderung von Zuständigkeiten losgelöst von einer großen Verwaltungsstrukturreform nicht funktionieren kann.

Zweitens. Sie führen eine flächendeckende regionale Flächennutzungsplanung ein. Zweifelsfrei ist die regionale Flächennutzungsplanung ein interessantes Planungsinstrument. Gerade für die polyzentrische Metropole Ruhr mit ihren unterschiedlichen kommunalen Aufgaben kann dieses Planungsinstrument das geeignete Mittel sein.

Die Städte Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen haben beispielhaft eine Planungsgemeinschaft gegründet und nutzen die regionale Flächennutzungsplanung. Aber was zeigt uns das? Es zeigt, dass die bisherige Gesetzeslage schon ausreicht, um Planungsgemeinschaften zu bilden.

Aber es zeigt uns noch viel mehr, dass wir die Kommunen erst einmal arbeiten lassen müssen, um modellhaft erste Erkenntnisse aus diesem Probelauf zu ziehen. Dann kann und muss entschieden werden. Das ist richtig. Was Sie machen: Sie chaotisieren nur die bestehende Rechtslage.

(Beifall von der SPD)

Erfahrungen müssen gemacht und dann ausgewertet werden. Das ist der richtige Weg.

Drittens, meine Damen und Herren, schaffen Sie den Vorstand des RVR ab und ersetzen ihn durch einen Verbandsausschuss. An dieser Stelle wird deutlich, warum dieses Gesetz jetzt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt verabschiedet werden muss: Es geht Ihnen nur um Macht.

(Beifall von der SPD)

Es ist schon schmerzlich für eine Landesregierung, Herr Hovenjürgen, wenn Sie in einem Drittel

des Landes, in einer bedeutenden Industrieregion, politisch keine Rolle spielen.

(Zuruf von der CDU)

Sie entmachten die Oberbürgermeister und Landräte, die bisher dem Vorstand angehört haben. Gerade die direkt gewählten Oberbürgermeister und Landräte haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, gemeinsame Projekte voranzutreiben und diese auch umgesetzt.

(Minister Oliver Wittke: Herr Oberverlierer Langemeyer!)

Ein gutes Beispiel ist hierfür neben anderen die erfolgreiche Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010. Sie ersetzen direkt gewählte Oberbürgermeister – Sie haben auch mal dazugehört, Herr Wittke,

(Minister Oliver Wittke: Richtig!)

und sind zu Recht abgewählt worden – und Landräte durch Funktionäre. Nichts anderes tun Sie.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es geht der Landesregierung nicht um eine sinnvolle und sachgerechte Politik für das Ruhrgebiet. Es geht der Landesregierung einzig und allein darum, Strukturen im Ruhrgebiet zu zerstören. Es geht um Macht für CDU-Apparatschiks und nichts anderes. Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Becker das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Aus unserer Sicht verfolgt das vorliegende Gesetz zwei Ziele: erstens die Übertragung der Regionalplanungskompetenz auf den RVR und zweitens die Abschaffung des Vorstandes des Verbandes zugunsten der Einrichtung eines Verbandsausschusses.

Mit dem Gesetz setzt die Landesregierung aus unserer Sicht einen Weg fort, den die rot-grüne Regierung mit dem Gesetz zur Stärkung der regionalen und interkommunalen Zusammenarbeit der Städte, Gemeinden und Kreise NordrheinWestfalens und dem Gesetz über den Regionalverband Ruhrgebiet im Jahre 2003 begonnen hat.

Hat dieses erste RVR-Gesetz die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit besonders im Bereich der Freizeit, Erholung, Kultur und der Wirtschaftsförderung erweitert, aber auch die

Möglichkeit der interkommunalen Flächennutzungspläne eröffnet, so wird mit dem vorliegenden Gesetz ein einheitlicher Planungsraum Ruhr geschaffen.

Das rot-grüne und damals mit Zustimmung der CDU in Kraft gesetzte RVR-Gesetz hat dem Verband die Instrumente der informellen Planung, nämlich der sogenannten Masterpläne, sowie der regionalen Trägerschaften gegeben. Sie bleiben bestehen.

Mit der förmlichen staatlichen Regionalplanung, die nun hinzugefügt wird, verfügt das Ruhrgebiet aus unserer Sicht dann über ein differenziertes Instrumentarium, Herr Kollege. Es reicht von konkreten Projekten über informelle Pläne bis zur förmlichen Regionalplanung. Wir als Grüne in diesem Haus begrüßen diesen Schritt, denn er ist konsequent und er kann dazu beitragen, dass sich die Region als Gesamtes, als Metropole, nach innen festigt und nach außen auch erkennbar macht, indem sie als Gesamtregion agiert.

Im Übrigen ist es ein politischer Erfolg all derer, die sich zum Teil seit mehr als zehn Jahren für eine Stärkung der Region Ruhr einsetzen. Wir Grünen gehören im Ruhrgebiet und auch hier im Landtag zu diesen Kräften.

(Beifall von GRÜNEN und CDU)

Meine Damen und Herren, seit 1989 wollten die Grünen und die Grünen im Ruhrgebiet in diese Richtung. Wie schon gesagt, unter Rot-Grün haben wir im Jahre 2004 die Umwandlung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet in den Regionalverband Ruhr und damit einen ersten wichtigen Schritt mit angestoßen. Nun geht die Landesregierung in dieser Frage, auch unterstützt von unserer Fraktion, einen Schritt weiter. Und das ist gut für die Metropole Ruhr.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie kann in Zukunft im Rahmen der Rechte und der Pflichten der Landes- und der Regionalplanung als Region eine gemeinsame Lösung für Fragen der Freiraumgestaltung, der Gewerbe- oder der Wohnsiedlungsflächenplanungen suchen.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus erhält der RVR für sein Verbandsgebiet das Beratungsrecht für die Vorbereitung von raumbedeutsamen und strukturwirksamen Planungen und Förderprogrammen wie denen des Städtebaus, für den Bau von Schulen, von Sportstätten, Krankenhäusern, Freizeit- und Erholungsanlagen, für Maßnahmen der Landschaftspflege, der Wasserwirtschaft, der Abfallbeseitigung, für Kultur und Tourismus.

Wir begrüßen den Vorschlag, diese Kompetenzübertragung erst mit der nächsten Kommunalwahl 2009 vorzunehmen, um die bestehenden gewählten Regionalräte nicht mitten in der Wahlperiode aufzulösen und neu konstituieren zu müssen. Im Übrigen ist das aus unserer Sicht ein Schritt, der auch rechtlich höchst problematisch gewesen wäre.

Kommen wir zu Art. 2 des Gesetzes, der Abschaffung des Vorstandes und dessen Ersetzung durch einen Verbandsausschuss. Dazu, meine Kolleginnen und Kollegen, muss ich Ihnen Folgendes sagen: Die Zusammensetzung des Vorstandes mit den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern aus den Mitgliedstädten sowie den Landräten aus den Kreisen war bislang gedacht wie ein Verwaltungsvorstand.

Uns ist aus den bisherigen Debatten und der Anhörung klar geworden, dass sich die Rechtsbedenken der CDU insbesondere gegen die Teilnahme der Fraktionsvorsitzenden richten. Wie die Anhörung deutlich ergeben hat, ist es ein Fakt, dass offenkundig insbesondere der CDUFraktionsvorsitzende weite Teile der Debatten in den Vorstandssitzungen bestimmt hat und ansonsten die Sitzungen von wenig Kontroversen geprägt waren. Dieser Vorstand war im Wesentlichen ein Gremium, der beratende, entscheidungsvorbereitende Funktion hatte. Er sorgte dafür, dass die direkt gewählten kommunalen Spitzen einbezogen waren.

Die praktische Erfahrung nach gut zwei Jahren RVR lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Einbindung ist von großem Nutzen gewesen, um eine regionale Abstimmung in der praktischen Politik zu gewährleisten.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein wichtiges Beispiel aus vielen hervorheben: Die Runde der OBs und der Landräte hat sich einstimmig und über alle Parteigrenzen hinweg für die Umsetzung des regionalen Luftreinhalteplanes, Herr Kollege, ausgesprochen. Umweltminister Uhlenberg kann dies sicherlich gerne bestätigen, weil er an dieser Sitzung des Vorstandes teilgenommen hat.

Also: Auch die Landesregierung und das Land profitieren davon, wenn die Region mit einer gemeinsamen Stimme spricht. Wir als Grüne bleiben dabei: Die Abschaffung des Vorstandes wird sich nachteilig für die Region auswirken. Der Vorstand hat die Oberbürgermeister und Landräte zumindest in diesem Gremium dazu gezwungen, sich mit einem Blick über den Tellerrand hinweg zu

sammenzusetzen und auf die regionale Perspektive zu schauen.

Es wird künftig schlechterdings aufgrund der Größe des neuen Ausschusses kaum noch möglich sein, dass alle Hauptverwaltungsbeamten der Städte und Kreise in dem Gremium vertreten sind. Das wird zur Folge haben, dass sich Oberbürgermeister und Landräte zunehmend aus diesem Gremium zurückziehen.

Sie von der CDU sichern mit diesem neuen Gremium vorrangig Ihren Entscheidungseinfluss. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie den RVRVorstand heute nicht abschaffen würden, wenn im Vorstand nicht 13 Oberbürgermeister und Landräte von der SPD, sondern 13 Oberbürgermeister und Landräte von der CDU vertreten wären.

(Beifall von Markus Töns [SPD])

Wir haben in dieser Debatte Vorschläge unterbreitet, wonach zum Beispiel mit der Einführung eines Zweidrittelquorums die bestehenden und nachvollziehbaren Bedenken – da will ich Ihnen gerne entgegenkommen – hätten ausgeräumt werden können. Unsere Vorschläge haben bei den Regierungsfraktionen von CDU und FDP aber keinen Widerhall gefunden. Das beweist aus meiner Sicht, dass es Ihnen um Machtpolitik und nicht um einen gleitenden Übergang und eine angemessene Sachpolitik gegangen ist.