Bei dem vielen Geld, das wir jetzt dringend brauchen, liegt die Priorität heute auf der Schaffung von Plätzen für unter Dreijährige. Insofern kann man im Jahr 2013 über eine Verlängerung des Elterngeldes und über andere Formen der Anerkennung von Familienarbeit nachdenken. Jetzt brauchen wir Krippenplätze für unter Dreijährige. Alles Geld, das wir haben, müssen wir für diese Priorität einsetzen.
Deshalb halte ich den aktuellen Beschluss von Rheinland-Pfalz zum kostenfreien Kindergartenjahr für eine falsche Prioritätensetzung. Nebenbei bemerkt: Die Rheinland-Pfälzer machen das auf unsere Kosten. Immerhin sind sie im Länderfinanzausgleich Empfängerland. Während die Eltern bei uns schauen, wie sie das Geld zusammenbekommen, wird in Rheinland-Pfalz ein kostenloses Kindergartenjahr eingeführt. Auch die
(Ralf Jäger [SPD]: Was hat das mit dem Länderfinanzausgleich zu tun? Können Sie das einmal erklären?)
Lieber Herr Jäger, ich sage Ihnen nur Folgendes: Wenn ich morgen das Geld hätte, das Rheinland-Pfalz dafür ausgibt,
Wenn ich jetzt das notwendige Geld hätte, würde ich erstens sagen, dass wir einen schnelleren, besseren und konsequenteren Ausbau des U3Systems brauchen. Zweitens würde ich sagen: Wir brauchen mehr Qualität in den Gruppen; wir brauchen kleinere Gruppen; wir brauchen eine bessere Erzieherinnenausbildung. – Das wären meine Prioritäten.
Erst an dritter Stelle würde ich eine Beitragsfreiheit einführen. Das ist der Unterschied. Beitragsfreiheit bedeutet, dass Sie das Geld aus dem System herausziehen, anstatt es ins System hineinzugeben.
Diese 150 Millionen € Landesgeld würde ich, sobald wir das können, in bessere Kindergärten stecken. Wir fangen 2008 mit einer Verdopplung der U3-Plätze an. Im Jahre 2009 haben wir erstmals eine Milliarde € im System. Dieser Betrag wird weiter ansteigen. Mittelfristig kann man dann über Beitragsfreiheit nachdenken. Sie setzen an dieser Stelle die falschen Prioritäten.
In Rheinland-Pfalz schafft man eine Art fiktiven Rechtsanspruch. Dort sagt man: Wenn wir 40 bis 50 % abgedeckt haben, ist das die Erfüllung des Rechtsanspruchs.
Ja. Ich rede aber über Rheinland-Pfalz. Es sind ja Ihre Leute, die dort im Moment tätig sind. Herrn Lindner schaue ich auch an. Im Übrigen hört Herr Lindner mich auch, wenn ich ihn nicht angucke, verstehen Sie?
In Rheinland-Pfalz sagt man also, der Rechtsanspruch sei 2010 mit einer Garantie von Plätzen für 40 % der Kinder erfüllt. Das ist allerdings ein virtueller Rechtsanspruch. Wenn ein Elternteil gerne einen Platz für sein Kind hätte und dieser Platz nicht vorhanden ist, hilft ihm dieser Rechtsanspruch gar nicht.
Insofern können wir es so machen, wie Herr Lindner gesagt hat. Wir werden im Jahre 2010 bei den zwei- bis dreijährigen Kindern bei 40 % liegen. Dann schauen wir uns einmal die anderen Länder an. Wenn man so etwas Rechtsanspruch nennen kann – vielleicht wird das Ganze ja mit Bundesgeld noch etwas reicher ausgestattet –, haben wir auch kein ideologisches Problem mit einem Rechtsanspruch.
Unser Problem war lediglich, dass der Begriff Rechtsanspruch Eltern etwas vormacht. Für das Jahr 2013 einen Rechtsanspruch einführen zu wollen, ist sogar eine – wie kann ich das parlamentarisch vornehm ausdrücken? – Veräppelung von Eltern. Mir ist die Politik der Bundesfamilienministerin lieber. Sie hat mit ihrer Politik, vor acht Wochen eine solche Debatte anzustoßen, erreicht, dass jetzt 4 Milliarden € bereitstehen. Das ist eine großartige Leistung.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Und jetzt ist sie abgetaucht! Die nächsten Schritte waren ei- ne neue Frisur und neue Kleider!)
Wir waren an ihrer Seite. Nordrhein-Westfalen hat sie unterstützt. Insofern stehen wir an der Spitze dieser familienpolitischen Bewegung in Deutschland.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister Laschet, wenn Sie die familienpolitische Spitze in Deutschland sind und uns die letzten 39 Jahre vorhalten,
frage ich mich ernsthaft: Was haben Sie in den letzten zwei Jahre gemacht? – 170 Millionen € aus dem System der Kindergärten abgezogen!
Sie, sehr geehrter Herr Minister, sind dafür verantwortlich, dass in Nordrhein-Westfalen in den allermeisten Städten die Eltern, die soziale Probleme haben, durch höhere Elternbeiträge bestraft werden. Das haben Sie verursacht.
Sie wussten genau, was in Gelsenkirchen auf Sie zukommt. Das war ganz klar. Darauf legen Sie es an. Sie wollen keine sozial vernünftige Staffelung, keine sozial gerechte Förderung der Kinder. Deshalb sind Sie auch gegen eine Beitragsfreiheit im Kindergarten.
Herr Jarzombek, ich möchte einmal hier erleben – jetzt bin ich zwei Jahre dabei –, dass Sie in die Zukunft gewandt über Ihre eigene Verantwortung sprechen.
Man muss sich Sorgen um Ihre Gemütslage machen. Wer immer nur in der Vergangenheit schwebt, bekommt Probleme, überhaupt einen Blick für die Zukunft zu entwickeln. Die letzten zwei Jahre blenden Sie immer aus. Die Katastrophen, die Sie landauf, landab im Kindergartenbereich organisiert haben, blenden Sie aus. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und in der laufenden Debatte hört er nicht mehr zu!)
Herr Lindner, ich bin erstaunt und auch erfreut, dass wir uns in einigen Punkten nähern. Ich finde das sehr gut. Allerdings wird diese Annäherung dadurch erschwert, dass Sie weiterhin Unwahrheiten behaupten, nämlich beispielsweise, dass der Bundesfinanzminister die Reduzierung des Kindergeldes als Gegenrechnung aufgemacht hätte. Das stimmt nicht. Das wissen Sie auch. Das wissen Sie ganz genau.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nicht erhöhen und nicht kürzen kann Herr Lindner nicht auseinanderhalten!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten zwei Jahren eine grundlegend neue Situation bekommen. Das Elterngeld wurde eingeführt. Das lässt sich mit den letzten zehn, zwanzig, dreißig Jahren überhaupt nicht mehr vergleichen. Wenn wir auf der einen Seite das Angebot von Elterngeld organisieren, dann müssen wir auf der anderen Seite schnellstmöglich die dazugehörige Betreuung organisieren.
Darauf kommt es jetzt an. Deshalb ist es falsch, auf die Vergangenheit zu verweisen. Die Situation ist neu. Diese neue Situation muss angepackt werden. Da tut die Regierung zu wenig, und darauf weisen wir hin. Wir könnten dieses Thema anders angehen, wenn beispielsweise diese 170 Millionen €, die Sie gekürzt haben, obendrauf gekommen wären. Unterm Strich gibt es 40 Millionen € für die Kinder weniger im Land, obwohl wesentlich mehr Aufgaben ins System kommen, Herr Laschet. Es kommen wesentlich mehr Aufgaben ins System.
Wir können uns gerne einmal zusammensetzen oder zusammen auch Kindergärten besuchen. Ich besuche viele Kindergärten, und überall steht es bis Oberkante Unterlippe. Es bereitet ihnen größte Sorgen. Das neue GTK verursacht große Ängste im Land. Gehen Sie mit mir zusammen – ich biete Ihnen das an – vor Ort in die Kindertageseinrichtungen, und schauen wir uns die Probleme an!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Suche nach verlässlichen Partnern brauchen wir für die Eltern einen Rechtsanspruch, weil wir nicht wollen, dass die Eltern weiterhin auf Wohlwollen von Verwandten angewiesen sind, dass sie die Betreuung ihrer Kinder privat mit den damit verbundenen Risiken bei der Qualität und der Finanzierung organisieren müssen. Wir brauchen einen Rechtsanspruch, der deutlich macht: Eltern haben einen verlässlichen Partner in der Betreuung ihrer Kinder. Und das ist die Kita.