Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Das Beste, liebe Kolleginnen und Kollegen, was für die Bergische Region in den letzten Jahren an Strukturpolitik passiert ist, ist die Regionale 2006.

(Beifall von der SPD)

Für diese Regionale 2006 haben sich seinerzeit Herr Walsken, der diesem Parlament nicht mehr angehört, und ich mich selbstverständlich bei Frau Brusis eingesetzt. Herr Vesper als grüner Struktur- und Stadtenwicklungsminister hat dieses Konzept durchgeführt. Gott sei Dank hat es mit dem Regierungswechsel keine Veränderungen bei dieser – obwohl es noch keine EFRE-Mittel für

die Region gab – strukturpolitisch kleinen Revolution für das Bergische Land gegeben. Dafür bin ich Herrn Wittke auch dankbar. Das war insofern Kontinuität. Herr Wittke hat das vor Ort auch immer sehr deutlich gemacht. Oberbürgermeister Haug hat auch immer sehr deutlich gemacht, dass die Einleitung dieses Prozesses unter Rot-Grün begonnen hat und dass er sich über die grünen Minister in dieser Frage nicht zu beklagen hatte.

Das zur Wahrheit und zur Abrundung dessen, was Sie hier geschildert haben, vorweg.

Dass der Straßenbau aus Ihrer Sicht das Zukunftsfeld ist, hat mit EU-Strukturpolitik und mit den Fragen, die hier im SPD-Antrag beschrieben sind, nun überhaupt nichts zu tun. Dass sich vor Ort die Menschen jetzt zuhauf gegen diese Straße wehren, sehen Sie hoffentlich auch. Dass der Oberbürgermeister erklärt hat, dass er selber im Moment gar nicht daran glaubt, dass diese Straße kommt, von der Sie jetzt meinen, dass sie kommt, gehört auch zur Wahrheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Straßen von heute bilden den Stau von morgen. Da müssten wir im Rahmen des Klimawandels im Grunde ganz andere Diskussionen führen.

Auch das nur vorab.

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht müssen wir an diese Regionale anknüpfen. Am 20. April 2007 hat die Regionale 2006 Agentur mit Blick auf die neue Ziel-2-Förderperiode unter dem Titel „Strukturimpulse für das Bergische Städtedreieck“ einen Handlungsrahmen vorgelegt. Dieser Handlungsrahmen beinhaltet eine umfassende und ehrliche Analyse der wirtschaftlichen IstSituation der Region. Unter dem Strich steht dabei das Ergebnis, dass speziell die Lage des industriellen Sektors, der die Wertschöpfung des Bergischen Städtedreiecks nach wie vor überproportional prägt, besorgniserregend ist. So wird konstatiert, dass die Industrie im Bergischen Land seit 1990 rund 16 % ihres nominalen Umsatzvolumens, 27 % ihrer Betriebe und 47 % ihrer Beschäftigten verloren hat.

Insofern ist die im SPD-Antrag vorgenommene Situationsbeschreibung zutreffend, und insofern wird das Bergische Städtedreieck seitens der Landesregierung im Rahmen des EFRE-Programms 2007 bis 2013 auch zu Recht als eine strukturschwache Region definiert, in die durch die Zuerkennung eines besonderen Förderstatus ein erhöhter Mittelzufluss erfolgen muss. Dafür hat die Region lange gekämpft.

Das Bergische Städtedreieck ist aber auch eine starke Region, eine Region mit einer ausgewiesenen Exportorientierung, eine Region mit immerhin sieben Unternehmen, die die „Welt am Sonntag“ im Jahr 2006 im Rahmen einer Reihe zur Vorstellung mittelständischer Topunternehmen mit dem Qualitätsurteil „Weltklasse“ belegte und als „Hidden Champions“ bezeichnete, eine Region, die mit dem Unternehmen Vaillant über einen Akteur verfügt, der seit Langem kein „Hidden Champion“ mehr ist, sondern für alle sichtbar und an den konkreten Unternehmensdaten ablesbar zu einem Weltmarktführer mit durchaus globalen Ansprüchen avanciert ist und im Bereich der Heizkesseltechnik sowie mit seiner Ausrichtung auf die Entwicklung energiesparender Systeme so aufgestellt ist, dass eine langfristige Verfestigung dieser Spitzenposition zu erwarten ist. Als Solingerin nenne ich natürlich das Zwilling-Werk, dem man weltweit begegnet, weil man in den Geschäften sein Symbol sieht und die Schneidwaren erwerben kann.

Das Bergische Städtedreieck ist darüber hinaus eine Region, die für Innovationsfähigkeit steht. Zwar verfügt sie über keine herausragenden Forschungseinrichtungen im Sinne eines FraunhoferInstituts, aber mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, dem Institut für Galvano- und Oberflächentechnik in Solingen und dem ebenfalls in Solingen verorteten Bergischen Institut für Produktentwicklung und Innovationsmanagement sind hier doch mehrere Einrichtungen angesiedelt, die über ihre besondere Expertise speziell in einigen ausgewiesenen Zukunftsfeldern wichtige Impulse geben.

Das zeigt: Da ist etwas los im Bergischen Land. Da ist mehr zu entdecken. Da hat sich industrielle Produktion sehr, sehr entwickelt.

Hinzu kommt, dass in vielen mittelständischen Unternehmen Forschung und Entwicklung großgeschrieben werden. Dies hat dazu geführt, dass das Bergische Städtedreieck mit 59 Patentanmeldungen beim Deutschen Patentamt pro 100.000 Einwohnern nicht nur deutlich über dem Landesdurchschnitt von 44 Anmeldungen liegt, sondern auch deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Mit Blick auf diese Stärken bin ich sehr sicher, dass sich das Bergische Städtedreieck in den jetzt anstehenden Ziel-2-Wettbewerben um die besten Ideen und Projekte wird behaupten können, und zwar – dies möchte ich betonen – in landesweiten Wettbewerben unter Beteiligung aller Regionen Nordrhein-Westfalens. Ich bin zuversichtlich, weil das Städtedreieck seine Hausaufgaben gemacht

hat und mit der einen oder anderen Stelle besser aufgestellt zu sein scheint als andere Regionen.

(Beifall von den GRÜNEN)

So hat das Städtedreieck im Rahmen der Regionale 2006 bereits hinlänglich die Möglichkeit gehabt, den Prozess regionaler Konsensbildung – so schwierig der ist – und interkommunaler Zusammenarbeit einzuüben und zu praktizieren. Gerade diese Kooperationskompetenz wird nach allem, was wir aus dem Wirtschaftsministerium hören, ein zentrales Kriterium bei den zukünftigen Ziel-2-Wettbewerben sein. Dies bedeutet, hier ist das Städtedreieck möglicherweise anderen Regionen sogar ein Stück voraus.

Zweiter Punkt: Das Bergische Städtedreieck verfügt sowohl in punkto strategische Ausrichtung als auch in punkto personelle Bestückung über ein hervorragendes Regionalmanagement, das durch die Weiterentwicklung der Regionale 2006 Agentur zur Bergischen Entwicklungsagentur im Verlauf des Jahres 2007 zudem noch weiter gestärkt und optimiert werden wird.

Bei der Gelegenheit gilt mein Dank nicht nur den Räten der Städte, sondern auch der Industrie vor Ort, die das gerne und stark unterstützt hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dritter Punkt: Über eine stringente Kompetenzfeldstrategie vor allem im Bereich Metall und Werkzeuge sowie Produktentwicklung und Design hat die Region bereits jetzt die Grundlagen für nachhaltige und sich mittelfristig selbst tragende regionale Clusterprozesse geschaffen.

Vor diesem Hintergrund bin ich der festen Überzeugung, dass das Bergische Städtedreieck auch die logistischen Nachteile wird ausgleichen können, die der Region gegenüber einigen Ruhrgebietskommunen aufgrund der langjährigen Ziel-2Erfahrungen dort erwachsen. Ich hoffe, dass in diesem Kontext auch ein weiterer strategischer Nachteil des Bergischen Städtedreiecks nicht negativ zu Buche schlagen wird. Denn die Region gehört anders als weite Teile des Ruhrgebiets nicht zur Gebietskulisse des maßgeblich über Ziel-2-Mittel getragenen regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms und kann dementsprechend nicht an den in diesem Programm verankerten investiven und nichtinvestiven Fördermechanismen partizipieren.

Meine Damen und Herren, der von der SPD vorgelegte Antrag eröffnet insofern die Möglichkeit, einmal ausführlich über das Städtedreieck zu reden. Das tun wir gerne, und dafür bin ich der SPD-Fraktion auch dankbar. Das resultiert näm

lich aus dem Besuch einer sehr schön wieder hergerichteten Bahnhofshalle. Die hätten wir vorher auch sehen müssen. Da konnten wir immer gut argumentieren mit Blick auf den Osten.

An einem entscheidenden Punkt – das dürfte Sie nicht überraschen – unterscheiden sich unsere Forderungen aber von Ihren. Das ist die Frage: Gehen wir davon aus, dass wir die Stärken ausgleichen müssen, sodass wir zu einem Mittelweg finden, oder gehen wir von einem an die Stärken anknüpfenden, ressourcenorientierten Ansatz aus und glauben, dass wir damit alle Regionen weiter nach vorne bringen?

Wir gehen von einem ressourcenorientierten Ansatz aus, und deswegen teilen wir die Schlussfolgerung in Ihrem Antrag, die diesen Punkt betrifft, nicht. Wir glauben, dass das auch etwas damit zu tun hat, wie wir uns auf die Wissensgesellschaft bezogen aufstellen. Deswegen teilen wir an diesem Punkt Ihre Schlussfolgerungen und Ihre Forderungen nicht. Das ist auch gestern schon deutlich geworden.

Ich werbe aber dafür, dass wir anhand dieses Antrags konstruktiv über das Bergische Städtedreieck diskutieren, und freue mich auf die weiteren Beratungen in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag der SPD gesehen habe, habe ich als Erstes an den diesjährigen Neujahrsempfang der IHK in Wuppertal gedacht. Dort stand ein Sozialdemokrat – Henning Scherf –, der immer wieder „Sie hier im Ruhrgebiet“ gesagt hat. Ich glaube, das zeigt ein bisschen, wie genau wir eigentlich die Region im Bergischen Land kennen.

(Beifall von der FDP)

Es ist schon bezeichnend, dass ein Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet, Herr Eiskirch, hier reden musste und dass er immer wieder auf das Spannungsverhältnis zwischen Ruhrgebiet und Bergischem Land eingegangen ist.

Insofern glaube ich, dass Sie erst einmal innerhalb Ihrer eigenen Fraktion abklären sollten, wo Sie Ihre Schwerpunkte setzen wollen: ob Sie Anträge für das Fenster schreiben, in denen Sie so tun, als ob Sie das Bergische Land auch einmal

unterstützen möchten, oder ob Sie in Wirklichkeit doch nur wieder alle Fördermittel, die wir haben, auf das Ruhrgebiet konzentrieren wollen. Wir jedenfalls wollen das nicht.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie sich jetzt hier als Retter des Bergischen Landes aufspielen, dann muss man ein bisschen in die Historie gehen. Als Johannes Rau hier noch Verantwortung trug, ja, da haben Sie etwas für diese Region getan. Da sind zum Beispiel Stadthallen modernisiert worden; es wurde einiges gemacht.

Aber was ist denn seit 2000 passiert? – Seit 2000 ist es mit den industriellen Arbeitsplätzen kontinuierlich bergab gegangen. Jahrelang haben Sie nicht einmal eine Kleinstinitiative gestartet. Sie haben eben nicht versucht, die Ziel-2-Mittel auch für das Bergische Städtedreieck zu öffnen, obwohl Ihnen die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker jahrelang damit in den Ohren gelegen haben.

Wir wollten, Sie nicht. Sie sollten einmal einen Antrag schreiben, in dem es heißt: Meine Damen und Herren im Bergischen Städtedreieck, es tut uns leid.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Frau Löhrmann, zu den Grünen. Warum haben wir denn strukturelle Nachteile im Bergischen Land? Das liegt unter anderem daran, dass wir die Straßen, die wir brauchen, nicht bauen konnten.

(Beifall von der FDP)

In Wirklichkeit sind Sie doch die Bremser. Die Bremserin an dieser Stelle heißt aus meiner Sicht „Löhrmann“. Sie haben selbst gesagt, dass Sie lange Zeit in Solingen Verantwortung getragen hätten.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Bis heute haben wir den Anschluss an die A 3 nicht. Bis heute sind wir für den Ausbau der ein oder anderen Landstraße. Was ist passiert? – Nichts.

Es ist ja nicht so, dass wir im Bergischen Städtedreieck keine bedeutenden Forschungseinrichtungen hätten. Sie haben gerade gesagt, leider gebe es dort nichts. Es gibt dort nichts mehr, weil Sie alles kleingemacht haben. Bayer hat da große Forschungseinrichtungen unterhalten. Wir waren in der chemischen Industrie, in der Gentechnik und in der Forschung führend: All das hat sich im

Bergischen Städtedreieck abgespielt, und das haben Sie mit Ihrer Politik, die gegen Chemie, gegen Gentechnik und gegen Biotechnologie gerichtet ist, diskreditiert. All das findet jetzt im Ausland statt. Auch Sie sollten einmal darüber nachdenken, was Sie zu der Situation im Bergischen Städtedreieck beigetragen haben.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind jetzt gerade zwei Jahre an der Regierung. Was haben wir in den zwei Jahren gemacht?

(Zuruf von der SPD: Nichts!)