Die Zahl der Klagen, Widersprüche, Petitionen und Beschwerden, die Defizite an psychosozialen Hilfen und die Probleme beim Einsatz der Eingliederungsmittel sind häufig aufgezählt worden. Das muss ich nicht wiederholen.
Wiederholen möchte ich aber die Spannbreite bei den Interpretationen der Anwendung des SGB II. Die Spannbreite ist divergierend und viel zu groß.
Zur Berechnung der Wohngeldentlastung und zur Heranziehung von Leistungen haben Sie die 220 Millionen € Vorwegabzug zum Ost-West-Ausgleich angegriffen. Das ist eine Sache des § 11 des Finanzausgleichsgesetzes.
Lassen Sie mich aber noch eines sagen: Wenn Sie wirklich wünschen, dass der Ost-WestAusgleich herausgerechnet wird
ich bin gleich fertig –, müssen Sie sich einig werden: Hat bei Ihnen der für die östlichen Länder zuständige Herr Tiefensee oder hat Frau Kraft Recht? Das müssten Sie uns endlich einmal sagen.
Übrigens ist ein noch so gutes Anwendungsgesetz kein Ersatz für ein endlich vernünftiges SGB II. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun hat für die Fraktion der SPD der Kollege Garbrecht das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben unsere Zusage eingehalten, den Gesetzentwurf im Ausschuss so zügig zu beraten, dass wir heute die zweite Lesung abhalten können und der Termin der Auszahlung der Wohngeldersparnisse zum 30.06. an die Kommunen erfolgen kann. Das ist meine erste Bemerkung, ich machen möchte.
Leider ist das die einzige Gemeinsamkeit, die im Ausschuss und Parlament herzustellen war – trotz vieler Appelle insbesondere des Ministers und einzelner Vertreter der Regierungskoalition, den Schulterschluss der Sozialpolitiker in bestimmten Fragen zu suchen. Bei dem, was jetzt zur Abstimmung steht, kann ich den Schulterschluss der Sozialpolitiker nicht erkennen.
Ich will zu den drei Bereichen etwas sagen, die strittig sind und auf die sich unsere Änderungsanträge beziehen. An den Anfang will ich die Frage der Personalvertretung stellen. Hier bestand eigentlich die größte Einigungschance. Auch das ist
leider nicht gelungen. Diese Chance haben Sie nicht ergriffen. In der Tat gab es in der Anhörung kein einheitliches Bild. Es gibt widerstrebende Organisations- und Grundsatzinteressen, meine Damen und Herren.
Von daher muss die Politik entscheiden. Wir müssen eine Entscheidung treffen im Interesse der insgesamt 12.000 Beschäftigten in den Arbeitsgemeinschaften und insbesondere im Interesse der Menschen, die im Leistungsbezug stehen. Dabei müssen berücksichtigen, dass eine einheitliche Personalvertretung zur Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und zur Identifikation mit ihrer Aufgabe beiträgt. Von daher wirkt sich eine vernünftige Regelung in diesem Punkt indirekt auch auf die Menschen aus, die Leistungen beziehen.
Wir wären in unserer Entscheidung sicherer, wenn das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht schon abgeschlossen wäre. Das will ich bei der Gelegenheit gerne konstatieren. Vor allem wäre auch für Anstalten des öffentlichen Rechts der Weg frei, den einige Kommunen im Land durchaus gehen wollen. Dann würde sich dieses Problem erst gar nicht stellen.
Der Parlamentarische Gutachterdienst – Herr Kollege Post hat es angesprochen – hat einen Vorschlag gemacht, der tragfähig ist. Ohne eine Schärfe hineinzubringen, will ich sagen: Die rechtlichen Bedenken, die die Landesregierung vorträgt, kommen aus dem Innenministerium. Sie sind seit zwei Jahren bekannt. Ich könnte sie politisch weiter geißeln, will mir das aber in der Frage Essen verkneifen. Sie werden der Lösung im Prinzip nicht gerecht. Das ist die klare Linie des FDP-Innenministers. Sie offenbart, was Sie von Teilhabe und Mitwirkung im Endeffekt halten. Das können wir an anderer Stelle austauschen und müssen es nicht unbedingt hier und heute machen.
Die Frage der Ausgestaltung der kommunalen Aufgaben im Rahmen der Umsetzung des SGB II von einer kommunalen Selbstverwaltungsaufgabe in eine Pflichtaufgabe nach Weisung ist ein weiterer Differenzpunkt. Wir wollen weiterhin die kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Wir wollen gleichzeitig auch eine transparente Aufgabenwahrnehmung der Kommunen in diesem Bereich. Das haben wir auch in unserem Änderungsantrag deutlich gemacht. Wir wollen diese Aufgabe verbindlich. Das gilt auch für die Verpflichtung zur Transparenz. Wir wollen auch zum Instrumentarium der Zielvereinbarung kommen, obwohl ich weiß, dass die Frage der Zielvereinbarung in den Kommunen und bei den Arbeitsgemeinschaften aufgrund der Erfahrungen nicht gerade positiv be
Wir glauben jedenfalls, dass das machbar ist. Denn das Verhältnis zwischen Kommunen und Land ist vom Grundsatz her ein Verhältnis auf gleicher Augenhöhe.
Warum sich die Grünen dieser Auffassung nicht anschließen, erschließt sich uns nicht, weil sie in anderen Bereichen bei der Umsetzung des SGB II eine Kaskade von Anträgen in den Landtag einbringen. Dabei muss in vielen Bereichen im Prinzip eine Verständigung auf Mindeststandards erreicht werden.
Zum letzten Punkt, dem eigentlich wichtigsten Punkt, nämlich der Verteilung der Wohngeldersparnis! Ich will das an den Anfang stellen, was ich auch bei der Einbringung des Gesetzes gesagt habe: Eine transparente und für alle nachvollziehbare Verteilung der Wohngeldersparnis des Landes erschließt sich uns nicht. Das hat auch die Anhörung – etwa der kommunalen Spitzenverbände – erbracht.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu dieser Anhörung in Richtung der regierungstragenden Fraktionen: Ihre Abstinenz in der Beteiligung bei der Anhörung habe ich nicht ganz verstanden. Das will ich an dieser Stelle zumindest erwähnen.
Über den von der Landesregierung gewählten Verteilungsmaßstab kann man trefflich streiten. Dazu will ich eine zunächst grundsätzliche Bemerkung machen: Rufen wir uns die die Debatte der letzten Plenarrunde, in der es um den Sozial- und Armutsbericht ging, noch einmal in Erinnerung, so haben doch alle im Parlament vertretenen Parteien, die hier diskutiert haben, gesagt: Dieses Thema müssen wir in den Fokus unserer politischen Bemühungen stellen. – Dann müsste die Verteilung dieser Finanzen insbesondere zuerst nach dem Grad der Betroffenheit erfolgen. Aber weit gefehlt: Nicht die sozialpolitischen Notwendigkeiten sind der erste Maßstab, sondern der vermeintliche Ausgleich von Belastungen. Mit zielgerichteter Sozialpolitik hat das meiner Auffassung nach nichts zu tun.
Wir haben deshalb die Forderung der kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen, die 220 Millionen € zu verteilen. Wir vertreten das deswegen auch mit großer Nachhaltigkeit, weil im eben zitierten § 11 des Bundesfinanzausgleichsgesetzes nicht festgehalten ist, dass die Kommunen das tragen müssen. Das Land bittet die Kommunen zweimal zur Kasse: mit der Wohngeldersparnis und mit dem geminderten Umsatzsteuersatz. Sie sind seinerzeit angetreten, Herr Minister, um mit einer besseren Regelung für Nordrhein-Westfalen wiederzukommen …
… in der Frage der Erstattung des Bundes. Das haben Sie nicht getan. Sie haben jetzt die Chance, unserem Antrag beizutreten, dann hätten Sie Ihr Versprechen eingelöst. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich versuche insgesamt, die Redezeiten wie schon beim Kollegen Post und bei Ihnen großzügig zu handhaben. Allerdings wäre ich doch dankbar, wenn diese Großzügigkeit dann nicht zu unverhältnismäßigen Ausdehnungen der Redezeit führt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Post, wir können gern darüber reden, welche Fehler im SGB II gerade auch in diesen Nacht-und-NebelVerhandlungsrunden der Großen Koalition, die sich da gebildet hat, gemacht worden sind. Wir versuchen, das regelmäßig anzusprechen. Eine Reihe von Fehlern müsste eigentlich ausgebessert werden. Aber das ist heute in diesem Umfang nicht das Thema.
Ich muss sagen: Ich finde das ganze Verfahren, das wir beschleunigt geführt haben, für alle, die daran beteiligt waren, sehr deprimierend und vielleicht sogar ein Stück weit undemokratisch. Denn es gab eine Anhörung, in der viele Experten und Expertinnen um eine Stellungnahme gebeten worden waren. Die Experten und Expertinnen haben in vielen Punkten einstimmig eine andere Auffassung als die Landesregierung vertreten. Sie als Koalitionsfraktionen haben zu einigen Punkten
nicht einen Experten bzw. nicht eine Expertin gefunden – selbst unter den CDU-Bürgermeistern nicht –, der oder die Ihnen in Ihren Positionen Recht gegeben hätte.
Und trotzdem stellen Sie sich vollkommen ignorant hin: Augen zu und durch! Nach dem Motto: Seien Sie froh, dass Sie reden dürfen und wir Sie angehört haben, aber wir ändern trotzdem nichts. Das finde ich ziemlich arrogant und auch sehr problematisch, denn es führt das Instrument der Anhörung im Landtag grundsätzlich ad absurdum, wenn Anhörungen dafür da sind, es sich nur anzuhören, sich aber mit dem Gesagten überhaupt nicht auseinanderzusetzen.
Ich will ein Beispiel bringen: Sie haben zum Punkt „Pflichtaufgabe nach Weisung“ niemanden gefunden, der das tragen oder akzeptieren würde. Es gibt auch keine Argumente, die dafür sprechen.
Herr Garbrecht, Sie haben eben gefragt, warum wir Ihren Antrag nicht in Gänze tragen. Bezüglich dessen, was im Änderungsantrag vorgeschlagen wird und was wir in einem anderen Antrag als Teil von Ihnen übernommen haben, finde ich dies richtig: Wir müssen den Rechtsanspruch der Leistungsbezieher landesweit transparent sicherstellen. Wir müssen ihn auch transparent darstellen. Es gibt sowieso die Fachaufsicht aufseiten des Ministeriums. Daher haben wir ein Instrument, um einzugreifen. Da finde ich einen Vorschlag, eine Zielvereinbarung zu machen, aber nicht unbedingt hilfreich. Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Deswegen tragen wir diesen einen Punkt nicht mit, sondern halten ihn für überflüssig.
Aber ich finde die Umkehr zur Pflichtaufgabe nach Weisung mehr als problematisch. Denn jeder weiß: In dem Moment, in dem es ein Weisungsrecht gibt und in dem das Ministerium auch nur in einer einzigen Frage eine Weisung erteilt, wird keiner Kommune im Haushaltssicherungskonzept über das Niveau hinausgehen dürfen, weil das dann eine freiwillige Leistung ist. Das heißt: Sie bauen soziale Standards in den Kommunen ab, die positiv herausgehoben sind und positiv mit diesem Gesetz umgehen, oder Sie versuchen, die Standards nach unten zu regulieren. Das finde ich mehr als problematisch.
Es gab zwei Möglichkeiten: entweder den Weg zu gehen, den wir jetzt vorschlagen, oder aber – das haben viele Experten gesagt –, es auszusetzen. Herr Post, wenn Sie hier sagen, man hätte einen anderen Weg gehen sollen, wie auch immer – Stichwort: Rechtsunsicherheit –, dann ziehen Sie die Konsequenzen daraus: Streichen Sie Ihren Absatz im Gesetzentwurf und stellen Sie den Änderungsantrag, diesen Punkt auszusetzen!