Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

Sie fordern die Stärkung der Eltern durch verbesserte Ausstattung der Einrichtungen zur Elternbildung und Erziehungsberatung. Wir schaffen 3.000 Familienzentren, zu denen die ersten 1.000 am Ende des Jahres bestimmt sind und ihre Aufgabe aufgenommen haben.

Sie fordern die Berücksichtigung der Erfordernisse für Kinder mit Migrationshintergrund. Unser Aktionsplan „Integration“ ist schon lange auf dem Weg.

Sie fordern ein ressortübergreifendes Konzept für die Bekämpfung und Verhinderung von Kinderarmut. Die Ministerien arbeiten hier von der ersten Stunde an vorbildlich zusammen. Ob MGFFI, ob MUNLV, ob MAGS, ob Schule, ob Bauministerium – ressortübergreifende Zusammenarbeit ist in der von uns getragenen Landesregierung Philosophie. Sie wissen, dass kulturelle Erziehung gerade für arme Kinder ein Wegweiser für mehr und erfolgreiche Bildung sein kann. Da haben wir sehr viel getan. Ich möchte sehr deutlich sagen, dass gerade das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ ein riesiges Sozialprojekt ist, das im Ruhrgebiet seine Wirkung haben wird.

Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss und bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Killewald das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kern, ich hatte gedacht, heute würde es sachlicher zugehen. Da es vor zwei Wochen nachmittags schon einmal einen Antrag der Grünen nach der Sozialberichterstattung morgens gab, wo morgens verständlicherweise sehr konträre Ansichten aufeinandergeprallt sind, hatte ich angenommen, heute würde es endlich in die Sachdiskussion gehen. Ich werde später darauf eingehen, denn manche Dinge von Ihnen kann man so nicht stehen lassen.

(Beifall von Andrea Asch [GRÜNE])

Uns liegt heute der Antrag der Grünen „Kinderarmut bekämpfen – Kinderarmut verhindern“ vor. Dieser Antrag – so steht es auf Seite 4 – ist in Ergänzung zu Ihrem Antrag „ Hartz IV – Kinder brauchen mehr“ zu sehen. Diesen haben wir wie den Sozialbericht 2007 am 25. Mai, also vor 14 Tagen, ausführlich debattiert. Inhalte querbeet zur Armutsbekämpfung wurden an diesem Tage ausgetauscht. Auch über Inhalte des heute zu behandelnden Antrags wurde ausführlich gesprochen.

Meine Fraktion hat den Antrag begrüßt und angekündigt, die Diskussion in den Ausschüssen zu nutzen, um die Bekämpfung der Kinderarmut voranzubringen. Eigentlich hatten wir im Plenum keinen eigenständigen Antrag mehr mit Redezeit vor der Behandlung in den Ausschüssen erwartet. Denn im Verlauf der Sitzung, Kollegin Asch – das wurde deutlich –, hat sich jeder Redner, der sich mit dem Antrag beschäftigt hatte, dahingehend geäußert, dass es uns in den Ausschüssen nicht nur um Hartz IV gehen wird, sondern grundsätzlich um Kinderarmut. Ich will es mal mit den Worten Ihrer Kollegin Frau Steffens vom 25. Mai sagen: Man hätte die Tagesordnungspunkte auch miteinander verbinden können.

So wird heute einiges schon Gesagte wiederholt, aber ich will es mal positiv sehen, werte Kolleginnen und Kollegen. Das Thema Kinderarmut kann nicht häufig genug behandelt werden, denn es ist beschämend, dass in NRW in 2005 jedes vierte Kind unter einkommensarmen Verhältnissen gelebt hat. Das kann keinen Politiker ruhen lassen.

Wir begrüßen daher jeden Beitrag zu unseren Diskussionen, der hilft, das Thema Kinderarmut und deren Bekämpfung anzugehen.

Herr Kern, jetzt will ich noch eine Bemerkung machen – ich hatte es schon am 25. Mai gesagt –:

Sie haben eine sehr rückwärtsgerichtete Debatte geführt. Sie sagen, das wäre eine Abschlussbilanz von Rot-Grün und – Sie haben es gerade so beschrieben – es wäre die Philosophie der Zusammenarbeit, diese Dinge zu verhindern. Eines verstehe ich dann nicht, aber ich wiederhole mich in diesem Punkt sehr gerne: Wieso sagen Ihnen die Sozialverbände dann zu beiden Haushalten – zu 2006 und 2007 –, „Sie sparten heute auf Kosten der Kinder, damit sie morgen schuldenfrei zu den Verlierern gehören?“ Das stimmt mit Ihrer Philosophie nicht überein. Insofern hätte ich mir heute mehr Sachlichkeit gewünscht, aber nach Ihren Äußerungen musste das gesagt werden.

(Beifall von Andrea Asch [GRÜNE])

Wenn Sie sagen, Sozialdemokraten oder rotgrüne Landesregierungen hätten hier nicht gehandelt, dann frage ich mich: Was ist zum Beispiel mit den Obdachlosenzahlen? In einem Bericht aus den 90er-Jahren wurde die Thematik behandelt. Die Maßnahmen, die nach diesem Sozialbericht erfolgt sind, haben richtig gegriffen haben und wir haben nun vergleichsweise wesentlich weniger Obdachlosenzahlen haben als in anderen Ländern. Ich frage mich, wie Sie hier argumentieren.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt über- haupt nicht!)

Wir Sozialdemokraten werden weder ideenlos noch konzeptionslos reagieren. Klar ist schon heute, dass es nicht ausreichen wird, die Landesaufgabe auf die Moderation zu beschränken, wie es Herr Minister Laumann zu Beginn seiner Pressekonferenz verdeutlicht hat.

Es gibt Aufgabenfelder der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, die helfen können, Kinderartmut zu bekämpfen, und die aktuell in Ihrer Landesverantwortung bearbeitet werden. Als solche möchte ich hier heute beispielhaft aufführen:

Erstens: das Aufgabenfeld der vorschulischen Betreuung, Erziehung und Bildung. Erst vorgestern haben die freien Träger Ihnen gegenüber, Herr Minister Laschet, ihre inhaltliche Kritik am Kinderbildungsgesetz wiederholt und zum stärksten Mittel gegriffen, das den Verbänden zurzeit zur Verfügung steht: Sie haben Ihnen erklärt, dass sie den Konsens durch die Landesregierung aufgekündigt sehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Die Verbände standen bei der Armutsbekämpfung bisher immer Seite an Seite mit dem Land. Diese Verbände teilen Ihnen nunmehr mit, dass Sie mit

Ihrem Vorgehen Ausgrenzung und Benachteiligung unterstützen und verstärken.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch nicht!)

Das lässt Zweifel aufkommen. Herr Minister, ich fordere hier als aktuellen Beitrag zur Armutsbekämpfung, Ihren Entwurf des Gesetzes zu korrigieren.

(Minister Armin Laschet: Dann fehlen aber 150 Millionen!)

Zweitens. Ganztagsangebote müssen ausgebaut werden. Sie haben die Absicht verkündet, die Ganztagsschulangebote auf Realschule und Gymnasium auszuweiten. Wenn Sie dies wirklich wollen, müssen die betreffenden Haushaltsstellen erhöht werden; denn sonst wird es zu einer qualitativen Verschlechterung in den bestehenden Ganztagsangeboten kommen.

Drittens. Armutsbekämpfung ist möglich durch gemeinsame Mahlzeiten im Schul- und Elementarbereich. Wir haben uns – Herr Kern hat es schon erwähnt – bereits gestern über die NRWKopie des Fonds für das Mittagessen in Ganztagsschulen der rheinland-pfälzischen SPDRegierung ausgetauscht. Wenn Sie Ihre im Grundsatz gute Idee nicht konterkarieren und die saarländische Bundesratsinitiative ernsthaft unterstützen wollen, so sollten Sie die im Kulturausschuss des Bundesrates vorgetragenen Bedenken von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen – also nicht nur von SPD-geführten Landesregierungen – ernst nehmen. Nur so werden Sie verhindern, dass Gruppen von bedürftigen Kindern ausgegrenzt werden.

Die Freie Wohlfahrtspflege wurde von Herrn Laumann in die Sozialberichterstattung eingebunden. Sie wollten als Landesregierung das profunde Wissen und vor allen Dingen die Erfahrungen der Träger aus dem täglichen Umgang mit Armutssituationen ernst nehmen und nutzen. Dieses ist zu begrüßen. Es hat sich als bewährtes Mittel herausgestellt, dass man die Beteiligten und die Politik zusammenbringt, um das politische Handeln auf eine breite Basis zu stellen und es zielgenau auszurichten.

Diesem Grundsatz folgend komme ich zu viertens: Armutsbekämpfung durch Umsteuerung beim Haushalt 2008. Meine Damen und Herren, die Spitzenverbände haben zeitgleich zum 25. Mai, als hier der Sozialbericht diskutiert wurde, Ihnen, Herr Linssen, der Schulministerin, dem Ministerpräsidenten, dem Sozialminister und Ihnen, Herr Laschet, einen persönlichen Brief ge

schrieben. Man kann ihn im Internet nachlesen, er ist für jeden leicht zugänglich. Die Verbände haben Ihnen geschrieben:

„Angesichts der sich verschärfenden sozialen Schieflage im Land, die durch den vor kurzem erschienen Landessozialbericht bestätigt wird, ist es dringend erforderlich, die Familien, Kinder, Jugendliche sowie Menschen mit gesundheitlichen und sozialen Gefährdungslagen unterstützenden Strukturen durch mehr öffentliche Mittel zu stärken.“

In der Anlage zu diesem Schreiben konkretisieren die Sozialverbände ihre Forderungen. Die Landesregierung hat diese Verbände ja deshalb in den Sozialbericht geholt, weil sie ein so großes Erfahrungswissen haben. An dieser Stelle sagen die: So, Leute, nach unserer Behandlung im Sozialbericht und nach Ihrer Analyse im Sozialbericht sagen wir, welche Punkte aktuell für 2008 geändert werden müssen. – Das sind drei Seiten von Forderungen, die Sie wahrscheinlich kennen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wissen Sie, Herr Lindner, so einfach ist das nicht. Man kann nicht auf der einen Seite als Landesregierung die Potenz – so sage ich es einmal – der Wohlfahrtspflege abrufen, sie ernst nehmen und sich schildern lassen, wie es im Land aussieht, und dann auf der anderen Seite, wenn diese erfahrenen Kräfte sagen: „Landesregierung, du müsstest aber das und das und das tun“,

(Minister Armin Laschet: Tun wir doch!)

über sie hinweggehen. – Nein, nach den Eckdaten tun Sie es nicht.

(Minister Armin Laschet: Natürlich!)

Ich will Beispiele nennen, Herr Laschet, damit Sie es nachvollziehen können.

Sie wollen mehr Mittel für die Familienzentren. Ich zitiere einmal aus der Anlage:

„Die in dieser Haushaltslinie eingestellten Mittel dienen fast ausschließlich zur Förderung der Vernetzung eines anerkannten Familienzentrums mit weiteren Diensten und Einrichtungen. Die erwarteten erheblichen zusätzlichen Anforderungen, die eine Mitwirkung der Familienberatung und der Familienbildung im Konzept eines Familienzentrums bedeuten, werden damit jedoch nicht abgedeckt.“

Mit anderen Worten: Das, was sie gerne noch an Nebenleistungen haben wollen, wird derzeit nicht bezahlt und wird auch in Zukunft nicht leistbar sein.

Ich zitiere einen anderen Punkt:

„Die Erhöhung der … [Mittel für die] Familienberatung und die Familienbildung und vor allen Dingen der Zuschüsse für die Einrichtungen der Weiterbildung ist dringend erforderlich, um einerseits strukturelle Einschränkungen zu kompensieren und andererseits“

jetzt hören Sie gut zu! –

„die nicht praktikable Nutzung von arbeitsmarktpolitischen ESF-Mitteln zugunsten eines verstärkten Einsatzes von Landesmitteln … aufzugeben.“

Ganz klar: Lassen Sie die Methode, mit der Sie die Kürzungen streichen wollten, fallen, und stellen Sie die Landesmittel wieder in der alten Höhe ein!

Ich könnte das so weiterführen, Herr Minister, sehr verehrte Damen und Herren der Landesregierung, denn die Forderungen sind drei Seiten lang. Außerdem könnte ich verschiedene andere Anlagen hinzunehmen, auf die verwiesen wird.

Der Bericht fordert zum Handeln auf. Die Gesellschaft, die Benachteiligten und die Fachwelt erwarten von Ihnen mehr als das 10-Millionen-Programm für das Mittagessen. Es wird spannend werden. Sie sind gefordert. Sie haben den Bericht. Sie haben die konkreten Maßnahmen aufgezeigt bekommen. Nun werden Sie sich beweisen müssen. Insbesondere auch der Sozialminister wird von uns daran gemessen, wie er bei seinen Kollegen das ein oder andere Mittel durchsetzen kann, um die Armut in Nordrhein-Westfalen zu bekämpfen und um glaubhaft vor den Trägern und den benachteiligten Menschen in Nordrhein-Westfalen zu stehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Killewald. – Für die FDP erhält jetzt der Herr Abgeordnete Lindner das Wort. Bitte schön.