Protokoll der Sitzung vom 22.08.2007

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dieser Antrag scheint Sie sehr nervös zu machen!)

Das bedeutet aber im Klartext, dass Hunderte von Schulen – vor allen Dingen im ländlichen Raum – die Türe zumachen müssen und die Schulwege wieder länger werden. Das ist die unmittelbare Konsequenz.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie nervös müssen Sie sein, dass Sie sich vor dem Parteitag schon so intensiv auseinandersetzen!)

Dies bedeutet, dass dort, wo das Ganze zusammengezogen wird, massiv ausgebaut und massiv – in Milliardensummen – in weitere neue Schulbauten investiert werden muss. Das kann man bereits heute beziffern. Auch das ist eine der Konsequenzen. Die Kapazitäten unserer heutigen Schulen werden dafür überhaupt nicht ausreichen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Dümmer geht’s nicht! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Reden Sie doch mal über den Haushalt!)

Das Schulministerium schätzt, dass wir für diese Binnendifferenzierung etwa 10.000 zusätzliche Lehrer brauchen werden. Ich will gar nicht beziffern, was das bedeutet.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das können Sie auch gar nicht!)

Ich sage das deshalb, Frau Kraft, damit klar ist, dass wir Ihnen und der SPD nicht durchgehen lassen werden,

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD] – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

einen Antrag auf den Weg zu bringen, in dem Sie sagen, Sie hätten ein neues Modell, die Leute aber darüber im Unklaren lassen, was das bedeutet – übrigens auch für die Gemeinden und Kreise, für die kommunale Familie.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Ich vermute, dass die SPD-Leute, die Schulpraktiker, die Ihnen den Brief geschrieben haben, Recht haben. Mit diesem Modell werden Sie nicht nur die Verbesserung des jetzigen Schulsystems unmöglich machen, sondern wahrscheinlich derart in die Irre laufen, dass es von keiner Regierung umzusetzen wäre – auch dann nicht, wenn Sie selber dran wären.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Mit dieser Landesregierung werden Sie es jedenfalls nicht erleben, dass wir Experimente auf dem Rücken unserer Kinder austragen. Das werden wir nicht machen!

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das sagt derjenige, der die Kin- dergelder kürzt! – Sören Link [SPD]: Viel Spaß im Schützengraben!)

Frau Kraft, ich wollte mich herzlich dafür bedanken, dass Sie gestern eine Pressekonferenz gegeben haben – zumindest gibt es eine Meldung der „dpa“ –, in der Sie der Öffentlichkeit mitgeteilt haben, dass Sie die Gemeinschaftsschule eigentlich gar nicht wollen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

Doch! Hier steht: Die SPD will das dreigliedrige Schulsystem in Nordrhein-Westfalen langfristig durch die Gesamtschule ersetzen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Lesen Sie doch un- seren Antrag!)

Die Gemeinschaftsschule sei ein Schritt auf dem Weg zu einem vollständig integrativen System, sagte die Landesvorsitzende Hannelore Kraft am Dienstag in Düsseldorf. – Das heißt aber doch im Klartext, dass es sich um ein Experiment handelt: Zunächst führen Sie eine Schule ein, schließen andere Schulen, bauen groß und versuchen, eine Gemeinschaftsschule einzurichten. Im Anschluss daran sagen Sie: Das ist aber gar nicht mein Ziel.

Wir machen am Schluss die integrative Gesamtschule.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Es ist, wie ich gesagt habe: Das ist das älteste ideologische Modell, das bei Schulen überhaupt auf dem Markt ist. Das haben Sie mit Ihrer Aussage zugegeben!

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Rai- ner Schmeltzer [SPD]: Reden Sie doch über etwas, was Sie gelesen und auch verstan- den haben!)

Es mag ja sein, dass der eine oder andere, der in Ihrer Partei besonders weit gehen will, jetzt froh ist, dass Sie wenigstens klar gesagt haben, was Ihr Ziel ist. Aber die Eltern in Nordrhein-Westfalen wissen spätestens seit heute, dass am Samstag nichts anderes als eine große Show stattfinden wird. Es geht um etwas, was in Wahrheit gar nicht kommen soll. Das wird auf diesem Parteitag stattfinden.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Anmerkungen zur Westdeutschen Landesbank machen. Sie haben verfolgt, dass in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit vermehrt der Ruf laut geworden ist, die WestLB an die Landesbank Baden-Württemberg zu verkaufen. Sie haben auch mitbekommen, dass der Versuch gemacht wird, intensiv Druck mit der Begründung auszuüben, es gebe Zeitdruck.

Zuerst einmal sage ich: Die Landesregierung steht zu dieser Bank und ihren Mitarbeitern. Ich warne davor – das sage ich in allem Ernst –, auch in der jetzigen Situation, die WestLB schlechtzureden.

Die Sparkassenverbände haben das Land und die anderen Eigentümer in der vergangenen Woche über ihre Verhandlungen mit dem badenwürttembergischen Sparkassenverband informiert. Die Bank ist aber nach allem, was mir der neue Vorstandschef und der Aufsichtsratvorsitzende gesagt haben, trotz der zu erwartenden Verluste nicht in einer Schieflage. Die in dem Entwurf eines Memorandum of Understanding festgehaltenen Informationen – ich sage das sehr deutlich, damit es auch jeder weiß – sind für die Landesregierung nicht akzeptabel. Es besteht also keine gemeinsame Verhandlungsposition. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Sparkassenverbände diese Verhandlungen ohne Beteiligung der anderen Eigentümer geführt haben.

Man kann diesem Papier entnehmen – das ist anscheinend inzwischen auch bei den Sparkassenverbänden unstrittig –, dass der Grund für die Schwierigkeiten der WestLB darin liegt, dass sie kein funktionierendes Geschäftsmodell hat. Umso mehr haben wir mit Verwunderung gelesen, dass das bisherige Geschäftsmodell nach den Vorstellungen der Sparkassenverbände trotzdem bestehen bleiben soll. Der WestLB soll also im Unterschied zur LBBW auch in Zukunft der Einstieg in das Privatkundengeschäft verwehrt bleiben. Das heißt, das Grundproblem der WestLB wird durch diesen Vorschlag nicht gelöst.

(Horst Becker [GRÜNE]: Eine radikale Struk- tur durch die Hintertür!)

Hinzu kommt, dass das Konzept der Sparkassenverbände die Eigentümer viel Geld kosten wird, weil die anfallenden Restrukturierungskosten bezahlt werden müssen. Nach dem Papier ist klar, dass sie nicht von Baden-Württemberg bezahlt werden. Die zwangsläufige Folge ist ein massiver Arbeitsplatzabbau. Natürlich werden auch Standorte wie zum Beispiel Münster infrage gestellt.

(Horst Becker [GRÜNE]: Jetzt ist die Katze aus dem Sack!)

Darüber hinaus wird der Finanzplatz NordrheinWestfalen massiv geschwächt. Das gilt nicht nur für die WestLB, sondern auch für die Düsseldorfer Börse, die durch den Eigentümerwechsel in den Einflussbereich der Konkurrenz in Stuttgart fallen würde.

Die Sparkassenverbände haben nur eine Lösung angeboten. Wir meinen, für erfolgreiche Verhandlungen braucht man Alternativen.

Die Landesregierung weiß, dass im Zuge der Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft generell über die Position der Landesbanken diskutiert wird. Sie ist bereit, ihren Beitrag zur Neuausrichtung des Bankensystems zu leisten. Wie in der Koalitionsvereinbarung festgehalten ist, wird die Landesregierung ihre Beteiligung an der WestLB – einen Verkauf eingeschlossen – bestmöglich nutzen, sodass die Interessen der Bank und des Finanzplatzes Nordrhein-Westfalen gewahrt bleiben. Das heißt aber konkret auch: Wir lassen uns nicht unter Druck setzen – weder bei einem Verkauf noch bei Verhandlungen.

Die Landesregierung ist sich mit dem Bundesfinanzminister einig, dass es unter vom Land Nordrhein-Westfalen zu bestimmenden Konditionen sinnvoll sein kann, eine Zusammenlegung mehrerer Landesbanken in einem großen Institut anzustreben. Entsprechend haben sich mehrere Län

derregierungen bzw. Landesbanken bei uns gemeldet. Deshalb macht es jetzt keinen Sinn, überhastet einen Ausverkauf der WestLB zu betreiben.

Wir brauchen Klarheit über Aufgaben und Struktur dieser neuen nationalen Bank, wenn sie denn kommt. Letztlich muss geklärt werden, was im Interesse des Finanzplatzes Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen verbleiben muss. Der Finanzminister führt weiterhin Gespräche mit nationalen und internationalen Banken und Investoren, die mündlich und schriftlich Interesse am Erwerb des Landesanteils geäußert haben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist doch Zick- zack und Chaos! Sie wissen nicht, was Sie wollen! – Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Meine Damen und Herren, die WestLB ist zurzeit in einer schwierigen Lage. Dazu haben Unfähigkeit und Überheblichkeit ebenso beigetragen wie das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. In den nächsten Tagen wird sowohl der BaFin-Bericht vorgelegt als auch die endgültige Höhe der damit im Zusammenhang entstandenen Verluste bekannt gegeben.

Die Landesregierung hält es für richtig, dass über Umfang, Geschehen und Verantwortlichkeiten Rechenschaft abgelegt wird und auch die Verantwortlichen benannt werden. Es kann nicht sein, dass etwas unter den Teppich gekehrt wird und dass die öffentliche Hand, also die Bürger unseres Landes, den Schaden bezahlen sollen.

(Beifall von CDU und FDP – Horst Becker [GRÜNE]: Meinen Sie damit Herrn Gerlach?)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einen Gedanken vortragen. Wir sind im Moment in einer guten wirtschaftlichen Lage. Das Land kommt weiter. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen haben eine Vielzahl von Veränderungen in diesem Land angeschoben und Konzepte vorgelegt und sind dabei, sie umzusetzen.

Mir ist es sehr wichtig, dass wir anerkennen, dass die Menschen im Land in den letzten Jahren – das gilt übrigens nicht nur für die Jahre seit 2005 – enorme Leistungen erbracht haben und sich am Arbeitsplatz – egal, ob in der Wirtschaft oder in der Schule oder im öffentlichen Dienst – die Lage der Menschen in einer Art und Weise verändert hat, wie es wahrscheinlich in einem entsprechenden Zeitraum vorher noch nie der Fall war.

Es ist Unsinn, zu behaupten, in Deutschland habe sich zu wenig geändert. Ich meine, wir müssen stattdessen anerkennen, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen vielfältige Einschränkungen

hingenommen haben, bei den Einkommen genauso wie bei der Arbeitsplatzsicherheit. Sie haben sich auf immer flexiblere Arbeitsstrukturen eingestellt. Sie haben auf stärkere Lohnerhöhungen verzichtet, weil sie wussten, dass die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden mussten. Die Tarifparteien – auch das ist mir wichtig zu sagen – haben das unterstützt und mit moderaten Lohnabschlüssen die Grundlage für den Aufschwung geschaffen, den wir zurzeit haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Und die Unternehmen haben hart gearbeitet, um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.

Ich finde, bei allem, was wir auch an unterschiedlichen Vorstellungen über die richtigen Wege in die Zukunft haben und was wir an Streit – das gehört zum Parlamentarismus – über die unterschiedlichen Konzepte haben: Wir dürfen nicht vergessen, dass den Menschen für diese große Veränderungsleistung ein ebenso großer Dank gebührt.

(Beifall von CDU und FDP)