Dann müsste der Satz reduziert werden. Wenn sich nachhaltig herausstellte, dass wir dem Ausfallfonds zu viele Mittel zuführen, dann müsste der Prozentanteil reduziert werden. Sie schlagen jedoch etwas ganz anderes vor. Sie wollen das Geld, das für die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studienbeiträge zur Verfügung steht, etwa zur Entlastung von BAföG-Empfängern, anders verteilen, nämlich in einem dezentralen System. Auf diesem Weg werden wir Ihnen nicht folgen. Ich glaube auch, dass das mit der ursprünglichen Idee unseres sozialverträglichen Modells unvereinbar wäre.
Herr Kollege Hollstein hat ebenfalls schon darauf hingewiesen, dass Sie ein etwas merkwürdiges Verständnis von Stipendien haben. Hilfen zum Lebensunterhalt für Studierende haben wir im System BAföG. Da sind sie auch richtig aufgehoben. Stipendien aber sind ein Signal an diejenigen, die besondere Kapazitäten, die besondere
Potenziale haben, die wir an unseren Hochschulen haben wollen und die wir in entsprechender Weise unterstützen müssen. Stipendien haben für uns also zwingend, per definitionem etwas damit zu tun, dass eine besondere Leistungsfähigkeit zur Verfügung steht. In der Breite haben wir das Unterstützungssystem BAföG. Das hat sich auch bewährt.
Allerdings hat es nicht, wie Sie in Ihrem Antrag glauben gemacht haben, dazu geführt, dass es durch das BAföG die unglaubliche Entwicklung gegeben habe, mehr Kinder aus den sogenannten Arbeiterfamilien an die Hochschulen zu bringen. Da liegt, je nachdem, welche Studien man zugrunde legt, der Anteil immer noch bei nur 10 bis 18 %.
10 bis 18 % sind immer noch skandalös wenig, weil das ein Indiz dafür ist, dass unser Bildungssystem möglicherweise auch noch nach Generationen in besonderer Weise herkunftsabhängig ist. Das Elternhaus, der Bildungsabschluss, der Bildungsstand des Elternhauses, gar das Portemonnaie des Elternhauses entscheiden über den späteren Bildungsabschluss. Aber das hat eher weniger etwas damit zu tun, wie Hochschulen finanziert werden und wie Hochschulbildung finanziert wird. Die Probleme liegen vielmehr im Bildungsbereich vorher, nämlich in den Kindertageseinrichtungen und Schulen. Das ist Ihnen hier heute Morgen auch auseinandergesetzt worden. Wenn Kinder aus Zuwandererfamilien die deutsche Sprache nicht beherrschen, dann werden sie gar nicht erst bis zum Abitur kommen, sodass sich die Frage nach dem Hochschulstudium überhaupt nicht stellen wird. Deshalb: Wenn Sie diese Fragen der Chancengerechtigkeit diskutieren, dann müssen Sie das mindestens auch an einer anderen Stelle tun.
Können Sie mir dann, Herr Kollege, beantworten, aus welchem Grund es in den USA wegen der Studiengebühren besondere Stipendiensysteme gibt?
Ja, das will ich Ihnen gerne erklären, Herr Sichau. Schauen Sie auf die großen amerikanischen Hochschulen, IvyLeague-Hochschulen, mit sehr hohen Studiengebühren. Dies sind Hochschulen, die von ihren Studierenden zum Teil 10.000 $ und mehr verlangen und an denen jetzt der grüne Kollege Joschka Fischer als Dozent auftritt. Sie können es sich wegen der Studiengebühren erlauben, jemanden wie Joschka Fischer zu bezahlen.
Diese Hochschulen erlassen aus eigenem Interesse besonders qualifizierten Studierenden mit sozial schwacher Herkunft, die sich die Studiengebühren normalerweise nicht leisten können, die Gebühr, weil sie an ihrer Hochschule auch exzellente Talente haben wollen. Da spielt Geld dann keine Rolle. Auch diejenigen, die dort wegen ihres finanziellen Hintergrundes studieren können, finden ein anderes Klima vor, wenn da hochtalentierte und hochinteressierte Studierende – auch mit sozial schwachem Hintergrund – studieren.
Das ist die Idee von Stipendien, wie wir sie haben: Entscheidend ist die Qualifikation desjenigen, der sich um ein Stipendium bewirbt – ob er studieren kann, ob er die Fähigkeiten dazu hat. Wenn es solche Talente sind, dann soll es auch keine Rolle spielen, welchen wirtschaftlichen Hintergrund die Familie hat.
Nein. Mit Verlaub! Ich habe eine Frage zugelassen, und ich hatte ja versprochen, dass ich meine acht Minuten Redezeit nicht ausschöpfen werde.
Ich weiß das. Gleichwohl verleitet das dazu, etwas die Disziplin hinsichtlich der Rede zu verlieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wesentliche ist gesagt: Dieser Antrag, den die SPD vorgelegt hat, ist keine Bereicherung unserer hochschulpolitischen Debatte. Er enthält auch so gut wie nichts Neues. Das Wenige, das neu ist, ist nicht gut. Deshalb kann ich Ihnen keine Hoffnung machen, dass dieser Antrag hier im Landtag eine Mehrheit finden wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Seidl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir fast gedacht, Herr Lindner, als Sie zu Beginn sagten, Sie würden nur ganz kurz reden, dass es doch etwas länger dauern wird, da Sie meistens doch nicht das halten, was Sie versprechen.
Und wenn Sie nicht gestoppt worden wären, würden Sie wahrscheinlich jetzt noch reden. Aber das macht nichts. Wir unterhalten uns ja auch gerne miteinander.
Ich möchte der SPD zunächst ausdrücklich dafür danken, dass bereits im Titel des vorliegenden Antrags sehr deutlich gemacht wird, worum es in der Hochschulpolitik eigentlich geht, nämlich um den Begriff der Bildung, um Bildung. Denn in den sonstigen Debatten zur Hochschulpolitik hier im Hause hört man viel von Forschung und Entwicklung, von Fachkräftemangel und von Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Insbesondere Herr Minister Pinkwart schmückt sich auch immer mal wieder gerne mit dem Begriff der Innovation.
Das Stichwort Bildung taucht eigentlich nur selten im Zusammenhang mit der Hochschulpolitik auf. Ich bin sehr gespannt, was Sie, Herr Minister Pinkwart, gleich zu diesem Antrag sagen werden. Lassen Sie mich bei Ihrer Rede einmal zum Spaß mitzählen, ob das Wort Bildung tatsächlich häufiger vorkommt als Ihr Lieblingswort Innovation.
Zu Herrn Hollstein und Herrn Lindner: Wenn ich mir Ihre Leier anhöre, dass die Bildungsungerechtigkeit – Herr Lindner, Sie haben es heute vielleicht nicht gesagt, aber des Öfteren an anderer Stelle – ja durch Rot-Grün überhaupt erst entstanden ist, dann möchte ich Sie doch einmal darauf hinweisen, dass Sie seit 2005 regieren – im Bund übrigens noch länger – und sich in Richtung Bildungsgerechtigkeit eigentlich nichts getan hat, außer Lippenbekenntnissen.
(Christian Lindner [FDP]: Wir haben mehr Chancengerechtigkeit! – Gegenruf von Sigrid Beer [GRÜNE]: Quatsch!)
Doch kommen wir noch einmal zu den Inhalten des SPD-Antrages „Bildung, Bildung, Bildung und nochmals Bildung“ zurück. Da bin ich jetzt ganz bei Ihnen, Herr Lindner: Bei diesem programmatischen Dreischritt hätte man – wir wenigstens – doch gleich einen umfassenden Antrag mit einer Art Bildungskonzept vom Kindergarten bis zum Hochschulabschluss erwartet, und das möglicherweise auch eingebettet in eine schlüssige Bildungsfinanzierung. Denn wenn man die von Ihnen geforderte soziale Öffnung der Hochschulen ernst nimmt, dann muss man schon sehr viel früher im Bildungssystem ansetzen, will man die soziale Selektion verhindern. Wir brauchen mehr Qualität in der Elementarerziehung, und wir müssen die Barrieren unseres mehrgliedrigen Schulsystems abbauen.
Aber all dies geschieht bei dieser Landesregierung nicht. Dabei müssen gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten schon sehr früh gefördert werden, wenn man ihnen echte Chancen auf eine Bildungskarriere einräumen will.
Zur Analyse und zu den vielen Zahlen, die Sie in Ihrem Antrag vortragen, will ich gar nicht großartig etwas sagen. Grundsätzlich sind diese Zahlen sicher alle richtig, da sie sich überwiegend auf die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes beziehen. Hieraus geht klar hervor, dass, wenn die Eltern nicht studiert haben, später auch den Kindern der Weg in den Hörsaal verschlossen bleibt.
Wir können nur immer wiederholen: Wer den gravierenden Fachkräftemangel beklagt, der muss deutlich mehr jungen Menschen den Weg zu einem Studium ermöglichen. Mehr Studierende gewinnt man aber vor allen Dingen dort, wo jetzt die wenigsten studieren: in den sozial benachteiligten Schichten.
Wenn wir davon ausgehen, dass bei Arbeiter- und Migrantenkindern das größte Potenzial für die Wissensgesellschaft schlummert, dann ist eine Politik der sozialen Ausgrenzung ein sehr unschlauer Weg. Aber genau den verfolgt diese Landesregierung, indem sie abschreckende Studiengebühren einführt und nur einen mangelhaften Hochschulpakt auf die Reihe bringt, bei dem auch Minister Pinkwart mit verhandelt hat. Eine Große Koalition, die lieber Studienkredite mit Schuldenbergen vergibt, als das BAföG endlich zu erhöhen – es wird endlich Zeit, es zu erhöhen; wir
Deshalb sind Ihre Schlussfolgerungen, Herr Schultheis, richtig. Ich freue mich auch, dass Ihre Positionierung bezüglich der Studiengebühren offensichtlich an Klarheit gewonnen hat. Denn noch vor wenigen Wochen forderten Sie hier im Landtag, die Erhebung von Studiengebühren auszusetzen, bis alle zur Kenntnis gekommenen Vorfälle möglicher Zweckentfremdung restlos aufgeklärt worden sind, und ansonsten dem Landtag halbjährlich einen detaillierten Bericht über die Verwendung der Studiengebühren an den Hochschulen vorzulegen. Wir haben Ihnen damals in einem Entschließungsantrag schon klar gesagt: Wir müssen die Studiengebühren nicht nur aussetzen, wir müssen sie abschaffen. – Es ist gut, dass Sie sich jetzt auch zu dieser klaren und eindeutigen Forderung durchgerungen haben.
Was wir nicht brauchen können, sind salbungsvolle Sonntagsreden. Die helfen jetzt niemandem. Nur gebührenfreie Hochschulen, eine ausreichende Zahl an Studienplätzen und ein starkes BAföG sind realistische Forderungen, wenn wir den Weg in den Hörsaal allen sozialen Schichten öffnen wollen.
Natürlich unterstützen wir auch den vierten Punkt Ihrer Forderungsliste, Herr Kollege Schultheis. Es gab zwar im laufenden Haushalt keine Kürzungen bei den Studentenwerken – da wäre also nichts zurückzunehmen –, wohl aber – das ist richtig – im Haushalt 2006. Ich möchte Sie vorsichtig darauf hinweisen, dass Sie unserem Antrag, die Kürzungen zurückzuweisen, damals nicht gefolgt sind. Da hat sich die SPD-Fraktion leider enthalten. Nun hoffen wir, dass Sie auch hier an Klarheit und Entschlossenheit gewonnen haben und dass Sie es dieses Mal ernst meinen. Wir werden Sie gegebenenfalls beim Wort nehmen und alles Weitere im Ausschuss diskutieren.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.
den Eindruck zu vermitteln, als käme der Begriff der Bildung im Kontext der Innovation nicht hinreichend vor. Ich weiß nicht, welchen Vorträgen oder Veröffentlichungen Sie bisher haben Ihr Ohr schenken oder Ihre Augen zuwenden können. Für uns jedenfalls ist Bildung die Kernvoraussetzung für Innovation.
Und deshalb gibt es einen Unterschied zwischen dieser Regierung, der Opposition und den Vorgängerregierungen: Wir reden nicht nur über Bildung, wir handeln in Nordrhein-Westfalen endlich,
damit die Bildung endlich das Niveau erreicht, was wir in anderen Bundesländern schon haben und was in den anderen Bundesländern eben auch dazu beiträgt, dass sich Forschung, Technologie und Innovation dort auf einem anderen Stand befinden, als dieses leider in NordrheinWestfalen der Fall ist.