Protokoll der Sitzung vom 22.08.2007

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Richtig!)

Es reicht nicht, ein Gesetz, das zu Unsicherheit und Fehlsteuerung in den Hochschulen führt, „Hochschulfreiheitsgesetz“ zu nennen,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und ein Gesetz, in dem es interessanterweise an keiner Stelle um Bildung geht, „Kinderbildungsgesetz“ zu nennen. Das reicht nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Man fährt auch nicht gut damit, das „Jahr des Kindes“ auszurufen, dann aber bei den Kindern zu sparen und die Betreuungsqualität herunterzufahren, oder das „Land der Mitbestimmung“ sein zu wollen und dann die Arbeitnehmerrechte zu schleifen.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben zwei Jahre lang an Ihrem sozialen Image gefeilt – offensichtlich zu heftig, denn der Lack ist ab!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie nennen sich so gerne „Koalition der Erneuerung“. Mit diesem Haushalt wird aber noch klarer, dass Sie eine Koalition der Enttäuschung sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Natürlich ist es nicht überraschend, dass ich als Oppositionsführerin ein solches Zeugnis ausstelle. Aber interessant ist, dass ich diese Einschätzung mit vielen anderen teile, die in den letzten beiden Jahren gegen Ihre Politik protestiert haben.

(Zuruf von der CDU)

Es gibt allein schon 200 Interventionen gegen das KiBiz, Hunderte Protestnoten gegen die Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes und 65 Ratsresolutionen gegen die Reform der Gemeindeordnung, an denen viele CDU-Ratsfraktionen maßgeblich beteiligt waren. Das ist schon interessant.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Wider- spruch von der CDU)

Eine solche Haushaltsrede ist immer ein Resümee der letzten Monate. Der Protest äußerte sich auch in vielen Demonstrationen vor dem Landtag: Anfang August protestierten 10.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Abbau der Mitbestimmung, im Frühjahr mehr als 10.000 Bergleute gegen Ihre Kohlepolitik, im März 25.000 Menschen gegen die Änderung der Gemeindeordnung, im Mai 2006 4.500 Studentinnen und Studenten gegen Studiengebühren, ganz zu schweigen von den vielen Protesten an den Hochschulen.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Das war bei Ihnen früher auch so!)

Ende letzten Jahres protestierten 2.000 Polizistinnen und Polizisten gegen die sogenannte Polizeireform und im März 2006 – wir erinnern uns noch gut – mehr als 20.000 Bürgerinnen und Bürger gegen Ihre Kürzungen im sozialen Bereich. Das spricht eine deutliche Sprache, meine Damen und Herren!

(Anhaltender Beifall von der SPD)

Und es kommt noch dicker. Allein für Anfang September sind drei weitere Protestwellen angekündigt, nämlich für den 6. September eine Demonstration für den Erhalt der Versorgungsverwaltung, für denselben Tag ein landesweiter Protesttag der

Kitas und für den 15. September eine Großveranstaltung gegen das KiBiz. Diejenigen, die dort demonstrieren, sind mit uns der Meinung: KiBiz ist Mumpitz.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, die Enttäuschung ist im ganzen Land angekommen. Das hat die letzte WDR-Umfrage gezeigt. Schwarz-Gelb ist jetzt virtuelle Opposition. Da erstirbt Ihnen das Lachen auf den Lippen, Herr Papke. Das kann ich mir vorstellen.

(Beifall von der SPD)

Sie haben jetzt gerade keine Mehrheit mehr.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Haben Sie nicht verloren? – Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Besonders die CDU – die FDP kann damit leben – verliert das Vertrauen der Menschen in diesem Land. Ihr Koalitionspartner – falls Sie es noch nicht gemerkt haben – profiliert sich gerade auf Ihre Kosten. Seit der Landtagswahl hat er 3 % zugelegt und haben Sie 7 % verloren. Auch das spricht eine deutliche Sprache.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dabei ist die Konjunkturlage gut. Wir hoffen alle zusammen – das meine ich durchaus ehrlich –, dass diese Konjunkturlage auch weiter anhält und dass es auch auf dem Arbeitsmarkt weiter vorangeht. Das brauchen wir dringend für NordrheinWestfalen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Aber ich mache mir Sorgen, wir machen uns Sorgen, denn eines ist auch klar erkennbar: Nordrhein-Westfalen fällt im Ländervergleich zurück. Beim Bundesländer-Dynamikranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft belegt NRW nur Platz 13.

(Zuruf)

Ich habe den Einwand gerade gehört. Das bezieht sich ausschließlich auf Ihre Regierungszeit. Da können Sie einmal nicht mit der Erblast argumentieren.

(Beifall von der SPD)

Das ist Ihre Regierungszeit, die hier analysiert wird.

Das sieht nicht gut aus. Da helfen keine Überschriften und hilft keine Symbolpolitik. Da zählen Daten und Fakten.

Interessanterweise ist dieses Gutachten ja auch Grundlage zur Wahl zum Ministerpräsidenten des Landes, Herr Ministerpräsident. Das sieht nicht gut aus. Daten und Fakten – da hilft wahrscheinlich auch keine Imagekampagne.

(Beifall von der SPD)

Fakten zählen. Die Menschen in unserem Land spüren trotz guter Wetterdaten: Der Kurs des Regierungsschiffs stimmt nicht.

(Beifall von der SPD)

Die Demonstrationen, die Resolutionen, die Zuschriften und letztlich auch die Umfragen sind eine Aufforderung der Bürgerinnen und Bürger an Sie, Herr Ministerpräsident: Steuern Sie endlich um in diesem Land!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

„Was macht der Regierungschef falsch?“ – Das fragte sich die „WAZ“ in einem bemerkenswerten Leitartikel vor einer Woche. Ich zitiere aus diesem Artikel vom 15. August:

„Rüttgers hat kein klares Profil: Mal gibt er den eisenharten Reformer, mal will er der Sozialpapst, der Hüter der kleinen Leute sein.“

Für uns ist diese Erkenntnis alles andere als überraschend. Für diese Übung in politischer Beliebigkeit hatten wir schon im Wahlkampf einen passenden Begriff gefunden: Die Rolle Rüttgers. Das ist leider so geblieben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Ihnen fehlt der innere Kompass. Gerade in Zeiten, in denen die Wogen höher schlagen, wird dies umso deutlicher und leider auch umso gefährlicher für unser Land. Den Bürgerinnen und Bürgern ist immer weniger klar, wofür diese Landesregierung steht. Wo will sie hin mit diesem Land? Was ist ihr Plan? Was ist ihr Ziel? Wohin führt ihr Kurs? – Im Moment bläst der Konjunkturwind kräftig in die Segel. Aber was ist, wenn die See wieder rauer wird? Unklarer Kurs, womöglich keine klare Sicht und ein Kapitän ohne Kompass – wir sorgen uns um dieses Land,

(Zurufe von CDU und FDP: Oh!)

und wir sorgen uns um die Menschen in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Der frühere Ministerpräsident dieses Landes, Johannes Rau, stand bekanntlich für „Versöhnen statt Spalten“. Ihm wollen Sie doch nacheifern. Dazu, Herr Ministerpräsident, müssen Sie den