Protokoll der Sitzung vom 23.08.2007

Eine Gerechtigkeitslücke bei Hartz will ich auch noch ansprechen. Da bewegen sich weder hier die Grünen noch die SPD in Berlin. Es kann nicht sein, dass ein Mensch, der 30 Jahre gearbeitet und Geld verdient hat und anschließend Hartz IVEmpfänger wird, alles für die Alterssicherung abgeben muss und behandelt wird wie jemand, der nie gearbeitet hat. Das ist und bleibt eine Schweinerei! Bewegen Sie sich in dieser Frage in Berlin! – Schönen Dank.

(Anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Laumann. – Für die SPD spricht nun die Kollegin Altenkamp.

Frau Steffens, mit Ihrer namentlichen Abstimmung, die Sie vorhaben, haben Sie Minister Laumann dazu verholfen, sich richtig ins Zeug zu legen.

(Beifall von der CDU)

Beim vorherigen Tagesordnungspunkt hat er das ja unterlassen. Insofern ist Ihre Strategie aufgegangen.

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie sich beim Thema verbindliche Mindestlöhne in bestimmten Branchen ins Zeug geworfen haben, kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Sie werden aber sicherlich verstehen, dass wir noch einmal darauf hinweisen, dass Sie sich da in guter Tradition der NRW-Arbeitsminister bewegen und diese fortgesetzt haben. Das finden wir gut.

(Beifall von der SPD)

Auf der Bundesebene geht es aber noch um einen weiteren Schritt. Da jedoch blockiert Ihre Partei. Leider kommen Sie hier immer wieder mit dem gleichen gebetsmühlartigen Wiederholen Ihrer Initiative zum Thema Änderungsvorschläge zur Hartz-Gesetzgebung bezüglich Bezugsdauer von

Arbeitslosengeld I. Wir warten ja immer noch auf die Bundesratsinitiative, die seit langem angekündigt ist.

(Beifall von der SPD)

Insofern sage ich: Der Auftritt war gut, aber die Bella Figura im Bundesrat vermissen wir an der Stelle.

Die Frage ist, wie man sich bei dem GrünenAntrag verhalten soll. Frau Steffens, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Sie gefordert hätten, eine sofortige Überprüfung der Regelsatzverordnung vorzunehmen, dann hätten die Sozialdemokraten mitgemacht.

(Beifall von der SPD)

Aber der Punkt ist: In Ihrem Antrag geht es um etwas völlig anderes. Sie wollen die sofortige Änderung der beiden Sozialgesetzbücher plakativ formulieren, wissen aber ganz genau: So wird das nie kommen. Die sofortige Änderung der beiden Sozialgesetzbücher ist schlicht unmöglich.

Sie wissen auch, dass Franz Müntefering als im Augenblick zuständiger Minister auf Bundesebene angekündigt hat, dass er die Regelsätze durchaus überprüfen will. Aber Sie wollen an dieser Stelle für das Publikum sagen: Sie sind der Auffassung, dass das einer Überprüfung gar nicht mehr bedarf, sondern, dass man sofort voranschreiten sollte. An dieser Stelle machen wir nicht mit.

Der Punkt ist eben auch: Man muss sich fragen, ob eine Regelsatzerhöhung, so wie Sie sie fordern, auf jeden Fall immer der richtige Weg ist. Was wollen wir denn erreichen? – Ich habe einen ganzen Teil Ihrer Anträge so verstanden, dass es Ihnen auch darum geht, die Kinderarmut zu bekämpfen und die Familiensituation zu verbessern. Dazu muss man aber doch sagen, dass die Regelsatzerhöhung, so wie Sie sie kurz und knapp und verletzend in diesem Antrag fordern, an keiner Stelle das richtige Mittel ist.

(Beifall von der SPD)

Da müssen Sie schon tiefer in den Instrumentenkasten greifen. Ein Instrument hat meine Fraktionsvorsitzende gestern in ihrer Rede zum Haushalt genannt, nämlich, sich zum Beispiel damit auseinanderzusetzen, ob man das System der Hartz-Gesetzgebung dahin gehend ändern sollte, dass wir zu einmaligen, an Kinder gekoppelte Beihilfen zurückkommen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Da geht es nicht nur um weiße Ware, Frau Steffens, sondern um bestimmte Leistungen, die über gesonderte Antragstellung laufen müssen.

Für diese Diskussion reicht der kurz formulierte Antrag, den Sie heute gestellt haben, überhaupt nicht aus. Es geht offensichtlich darum – ich habe Verständnis dafür, Frau Steffens –, dass Sie die Beschlusslage Ihres Landesparteitages umsetzen und deutlich machen wollen, dass sich der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei Bündnis 90/Die Grünen an dieser Stelle aus seiner Mitverantwortung bei der Hartz-Gesetzgebung stehlen will.

(Beifall von der SPD)

Das können Sie machen; das kann ich auch alles nachvollziehen. Aber unterlassen Sie es doch bitte, mittels einer namentlichen Abstimmung öffentlich den Eindruck zu erwecken, dass Sie die Kollegen vorführen müssten, die Ihnen an dieser Stelle nicht folgen wollen, weil Ihr kurzer Antrag in Oberflächlichkeit nicht mehr zu übertreffen ist und in der Diskussion auch viel zu kurz springt. Dafür sind wir nicht bereit, Frau Steffens.

(Beifall von der SPD)

Für eine Diskussion im Fachausschuss, wie es Herr Kollege Killewald gesagt hat, stehen wir jederzeit bereit. Noch einmal: Wenn Sie wirklich gewollt hätten, dass die Sozialdemokraten dabei mitwirken, dann hätten Sie eine sofortige Überprüfung der Regelsatzverordnung gefordert. Das haben Sie aber nicht. Sie wollen diese Gesetzbücher ändern. Dazu sind wir nicht bereit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Altenkamp. – Es spricht nun der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

(Unruhe)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr werdet und Sie werden sich hier schon noch anhören müssen, was ich zu sagen habe, denn ich bin auch noch Mitglied dieses Parlaments.

Wenn man den Kollegen Romberg von der FDP so reden hört, dann kann man den Eindruck gewinnen, man wollte die Regelsätze jetzt sogar noch weiter nach unten korrigieren.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das hat er doch gar nicht gesagt!)

Ich habe es aber so gehört, wie er es gesagt hat.

Welchen Eindruck soll man denn nach Ihrer Rede haben? Sind Sie jetzt für einen Mindestlohn in der Höhe von mindestens 9 €, damit das Lohnabstandsgebot tatsächlich gewährleistet ist, oder was heißt das? Wollen Sie die Renten erhöhen, oder wollen Sie auch Hartz IV weiter kürzen, damit der entsprechende Abstand gegeben ist? – Genau das war die Rede, die Sie hier gehalten haben.

(Widerspruch von der CDU)

Ich stelle noch einmal fest: Das, was Sie Frau Altenkamp für die SPD hier gesagt haben, nämlich die Regelsätze zu überprüfen, ist sicherlich ein vernünftiger Vorschlag.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Regelsatz- verordnung!)

Ich muss leider aber auch sagen: Das, was die Grünen hier vorgestellt haben, ist leider so kurz, wie es unkonkret ist. Denn auch ihr sagt nicht konkret, wie viel es sein soll und auf welche Höhe die Regelsätze denn angehoben werden sollen.

Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband spricht davon, dass der Satz um 19 % zu niedrig ist. Es wäre also ein erster Schritt, die Regelsätze auf 420 € zu erhöhen. Das ist eine ganz konkrete Forderung. Das steht aber in diesem Antrag der Grünen leider nicht drin. Deswegen kann ich diesen Antrag so leider auch nicht unterstützen. Ich werde mich enthalten, weil er tendenziell zwar in die richtige Richtung geht, aber leider völlig unkonkret ist.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Aus meiner Sicht ist es so: Wir brauchen eine soziale Grundsicherung, die bedarfsorientiert sein muss und die Verarmung und Entwürdigung von allen Erwerbslosen und auch Menschen mit geringem Einkommen beendet. Wie gesagt: Die Erhöhung des Regelsatzes auf 420 € wäre sicherlich ein erster Schritt. Auch in NRW gibt es viele Menschen, die unter ärmsten Bedingungen leben. Ein besonderer Skandal ist, dass 540.000 Kinder und Jugendliche in NRW unter der Armutsgrenze leben.

Das Fazit dieser Politik, die von CDU und FDP gemacht wird, ist: Es gibt keine Chancengleichheit. Wenn bei 207 € – das ist der Satz für Kinder unter 15 Jahren – täglich 2,42 € für Essen zur Verfügung stehen, dann macht es deutlich, wie wenig Geld diese Kinder für ein vernünftiges Essen zur Verfügung haben.

Aus meiner Sicht ist es so, dass die Bestimmung des sozioökonomischen Existenzminimums sich auch an den in der EU anerkannten Standards zur Bestimmung der Armutsrisikogrenze und weiterer Referenzgrößen, wie zum Beispiel einem Warenkorb, zu orientieren hat. Das alles findet im Moment aber nicht statt. Wir haben die Situation, dass Kinder in Armut leben, keine Chancengleichheit haben und sich noch nicht einmal vernünftig ernähren können.

Deswegen kann ich nur sagen: Wir müssen ganz andere Schritte gehen. Wir müssen endlich eine soziale, existenzsichernde Grundsicherung einführen. Das wäre eine vernünftige Maßnahme. Das, was ich hier heute gehört habe – gerade von den Koalitionsfraktionen – geht in die völlig falsche Richtung. Leider ist das, was die Grünen vorschlagen viel zu unkonkret.

Danke schön, Herr Sagel. – Frau Steffens für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An die Reihen der SPD: Wenn Sie etwas anderes hätten tragen wollen, hätten Sie einen Entschließungsantrag machen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wundert mich, dass Sie dazu nicht in der Lage waren. Wahrscheinlich gab es hierzu auch nicht das Ja von Müntefering.

Herr Laumann, wenn Sie sich fragen, wo denn die Anträge der Grünen im Bundestag sind: Ich wüsste nicht, dass unsere Fraktion im Bundestag einen Antrag Ihrer Fraktion zu anderen Anrechnungen für ältere Arbeitnehmer abgelehnt hat.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Mit Verlaub: Das war Quatsch!)

Ihre Fraktion hat dazu nämlich gar keinen Antrag gestellt. Aber wir würden dem bestimmt gerne zustimmen.