Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist von Ihnen! Das ist altruistische Wahrheit!)

Es wird ferner berichtet, dass Sie sogar einen demografischen Faktor verankern wollten, werfen uns aber heute scheinheilig vor, wir wollten ein Spargesetz verabschieden.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Ja, tun Sie ja auch!)

Angekündigt wurde damals, dass die damalige Landesregierung die Elternbeiträge analog zur offenen Ganztagsschule, also kommunalisiert, ausgestalten wollte,

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

um sich aus dem Defizitausgleichsverfahren zurückzuziehen. Und dann können Sie sich heute einen schlanken Fuß machen, indem Sie gegen nach 13 Jahren erforderliche Beitragsanpassungen polemisieren?

(Britta Altenkamp [SPD]: Damals warst Du noch im Kindergarten, Christian!)

Nicht zuletzt: Schon vorher haben Sie die Regelungen für die Überschreitung der Gruppengrößen geschliffen. In über 12.000 Fällen wurde davon Gebrauch gemacht.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Sag doch mal was zum KiBiz! – Britta Altenkamp [SPD]: Hat das dieses Haus jetzt erreicht?)

In der Praxis, Britta Altenkamp, gab es 12.000 Gruppenüberschreitungen über 25 Kinder hinaus dank rot-grüner Entscheidungen. Sie haben sogar ermöglicht, dass ausgebildete Ergänzungskräfte durch Berufspraktikanten ersetzt werden konnten

(Wolfgang Jörg [SPD]: Kein Satz zum KiBiz!)

und werfen uns in kaum zu überbietender Schizophrenie vor, wir würden Qualitätsstandards infrage stellen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Deswegen sind die Berufspraktikanten jetzt im Gesetz?)

Das ist Ihre Politik: scheinheilig, plump, dreist – SPD.

Die Koalition dagegen ist entscheidungsfähig und entscheidungsbereit wie am ersten Tag. Es gibt noch Überzeugungs- und Gesetzgebungsarbeit zu leisten. Dieser Mühe unterziehen wir uns. Ende Oktober werden wir mit dem Kinderbildungsgesetz dann aber die längst überfällige Rechtsgrundlage für unsere Kindertageseinrichtungen verabschieden. Sie werden dagegen mit Ihrem Oppositionsgeschnatter am Wegesrand zurückbleiben – ohne Konzept, ohne Thema und ohne Verantwortung, so wie heute. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Unverschämtheit! – Wolf- gang Jörg [SPD]: Paralleluniversum!)

Danke schön, Herr Lindner. – Meine Damen und Herren, jetzt spricht für die Landesregierung Herr Minister Laschet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Abgeordnete der SPD und der Grünen, ich verstehe ja Ihr Anliegen: Wir sind heute nicht in der Beratung über das KiBiz, sondern Sie wollen in einer Aktuellen Stunde einen Keil in die Koalition treiben. Das ist Ihre Absicht. So ist der Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema auch begründet worden.

(Zuruf von der SPD: Das machen Sie doch ganz alleine!)

Ich erinnere daran, wie leicht es in der rot-grünen Zeit war, einen Keil in die Reihen der Regierungspartner zu treiben, weil es überall Risse gab. Manchmal bröselte es auch, ohne dass überhaupt ein Anstoß von außen erforderlich war. Wenn man das mit der heutigen Situation vergleicht, dann stellt man fest, dass diese Koalition geradezu ein Monolith an Stabilität ist. Danach hätten Sie sich gesehnt.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb rutscht dieser Keil auch immer ab. Das KiBiz ist besser gefugt, als Sie annehmen. Da gibt es keine handwerklichen Fehler. KiBiz ist pure

Absicht, weil wir auf die Kinder abstellen. Das ist der Unterschied zu dem, was Sie mit Ihren Gesetzen gemacht haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Löhrmann, Sie sagen: Zurück auf Los, wieder neu beginnen. Sie wollen alles das, was mit KiBiz kommt, nicht: nämlich mehr Geld im nächsten Jahr für Kinder, mehr Geld für Bildung, mehr Flexibilität, mehr U3-Plätze. Wenn wir jetzt bei Null beginnen, dann wird das alles nicht eintreten.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wir wollen es besser machen!)

Das ist entlarvend. Herr Groschek hat ja an die SPD-Unterbezirke geschrieben, man solle das als Mittel zum Zweck nehmen, um die Kampagnefähigkeit der SPD zu testen. Das ist ungefähr das Gleiche wie das emotionale Eskalieren bei ver.di. Sie haben die Kampagnefähigkeit der SPD auf dem Rücken der Kinder getestet. Das Ergebnis ist leider, dass Sie inzwischen in den Wahlprognosen in diesem Lande bei unter 30 % liegen. Weniger als 30 % der Menschen wollen, dass Sie Regierungsverantwortung in diesem Lande tragen.

(Beifall von CDU und FDP – Wolfgang Jörg [SPD]: Hören Sie auf die Umfragen, wir hö- ren auf die Menschen!)

Deshalb werden wir, unabhängig von Ihren parteipolitischen Spielchen, die Ihnen nichts nutzen, die entscheidenden Aufgaben anpacken, nämlich den Ausbau des Betreuungsangebotes für unter Dreijährige voranbringen, die frühe Bildung und Förderung von Kindern verbessern und die Angebote passgenauer und flexibler gestalten, damit für Eltern die Nutzung der Einrichtungen leichter wird und sich Beruf und Familie besser unter einen Hut bringen lassen. Eltern bei der Erziehungsaufgabe durch die neuen Familienzentren zu unterstützen, wird ebenfalls eine der wichtigen Aufgaben sein.

Hinzu kommen weitere Ziele. So soll das neue Gesetz die Qualifizierung und Vermittlung von Tagesmüttern und Tagesvätern erstmals landesgesetzlich unterstützen. Das ist in der Anhörung ausdrücklich gewürdigt worden. Ferner wollen wir den Paradigmenwechsel – den haben Sie nicht verstanden; diesen Wechsel haben Sie ein paar Mal versucht, aber in Ihrer Regierungszeit nie zustande gebracht –, nämlich weg von der bürokratischen Spitzabrechnung und hin zu einer Abrechnung, die jedem einzelnen Kind gerecht wird.

All die Bugwellen, die es in den letzten Jahren gab, die auch uns in unserer Regierungszeit noch ereilt haben, waren Millionen vergeudeter Euro,

die nicht bei den Kindern angekommen, sondern in bürokratischen Strukturen hängengeblieben sind. Deshalb brauchen wir ein neues Gesetz, und dafür werden wir kämpfen.

(Beifall von der CDU – Wolfgang Jörg [SPD]: Das verschärfen Sie doch!)

Das frühere Gesetz war übrigens nicht nur bürokratisch, sondern auch ungerecht.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Komisch, dass die das zurückhaben wollen!)

Wenn Sie einmal durch die Kindertagesstätten gehen, dann stellen Sie fest, dass viele für sich selbst viele Sonderregelungen verabredet haben. Es gibt Einrichtungen, die mischen sich aus freigestellten Leitungen, freigestellten Fachkräften, Ergänzungskräften, Berufspraktikanten, Aktiven des freiwilligen sozialen Jahres und Zivildienstleistenden. Die haben sich einen umfassenden Personalschlüssel aufgebaut, immer auf Gutdünken dessen, der diese Anträge bewilligt hat. Das war alles legal.

Dies fand aber ganz selten in Einrichtungen in sozialen Brennpunkten statt. Viele dieser Einrichtungen, die diese Personalschlüssel haben, haben so gut wie keine Migrantenkinder, weil es nämlich ganz spezielle, gut geschulte, intellektuell hochstehende Menschen waren, die wussten, wie man mit diesem System umgeht. Das wird mit uns beendet. Sozialschwache Einrichtungen, Migrantenkinder, die besonderer Förderung bedürfen, werden die Gewinner unseres Gesetzes sein und nicht die, die sich unter dem alten Gesetz zum Teil auch bedient haben.

(Beifall von CDU und FDP – Wolfgang Jörg [SPD]: Das stimmt doch nicht! Das glaubt Ih- nen doch kein Mensch!)

Das ändern wir dadurch, dass wir Freistellungsanteile auf jede Gruppe eingerechnet haben. Das ist eines der Ergebnisse der Gespräche mit den Wohlfahrtsverbänden, nämlich Freistellungsanteile in jeder Gruppe einzubeziehen.

Auf der Kundgebung am letzten Samstag – Sie haben ja eine selektive Wahrnehmung – haben manche Redner Ihnen vorgehalten, dass seit 1993 bei den Kindertagesstätten systematisch gekürzt worden ist. Viele, die an dieser Kundgebung teilgenommen haben, haben genau dieses berichtet. Sie haben gesagt: Ihr habt uns 1998 440 Millionen DM abgenommen. Ihr habt damals den kirchlichen Trägeranteil von 25 auf 20 % gesenkt und die Zusage gemacht: Wenn weiter gekürzt wird, sind wir sogar bereit, den kirchlichen

Trägeranteil weiter zu senken, wenn Ihr zu weiteren Kürzungen in einem neuen Konsens Ja sagt.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das haben die falsch verstanden!)

Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Wir senken den kirchlichen Anteil, auch ohne dass von denen zugesagt wird, dass erneut Geld aus dem System genommen wird. Das damalige System – auch das ist Ihnen vorgetragen worden – hat zu 4.000 Entlassungen von Erzieherinnen und Erziehern geführt. Das war Ihre Politik. Die ist Ihnen am letzten Samstag auf der Wiese vor dem Landtag vorgetragen worden. Auch das sollten Sie ehrlicherweise sagen, wenn Sie sich plötzlich auf die Seite von Eltern und Erzieherinnen, von ver.di und von all denen, die demonstriert haben, stellen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir machen das anders. Wir machen einen Systemwechsel,

(Zuruf von der SPD: In die falsche Richtung!)

der dringend erforderlich ist, und bringen die jetzigen 819 Millionen € auf 869 Millionen €. Das sind nur 150 Millionen €, weil KiBiz nur fünf Monate wirkt. Wenn KiBiz erst einmal ein ganzes Jahr wirkt, im Jahr 2009, dann sind es schon 250 Millionen €, eine Viertelmilliarde Euro mehr. Das ist etwas völlig anderes, als Sie es früher bei Ihren Reformen gemacht haben.

(Beifall von der CDU)

Wir werden davon wegkommen, dass wir Schlusslicht sind. Ihnen ist das inzwischen nicht mehr peinlich, weil Sie das in Ihrer Regierungszeit gewohnt waren.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Wer hat denn das be- kämpft? Sie haben das doch gemacht! Sie waren das doch, nicht wir!)

Aber mir ist es jedes Mal peinlich, Herr Jörg. Das ist so wie Energie Cottbus: Wenn man immer Letzter ist, dann gewöhnt man sich plötzlich daran, dass man Letzter ist. Aber wir wollen das nicht. Wir wollen nicht dauernd bundesweit erfahren, dass man lächelnd auf uns schaut und fragt: Warum habt ihr so wenig U3-Plätze? – Wir wollen ins Mittelfeld, wir wollen Anschluss finden an die anderen deutschen Bundesländer.