Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für schon ein ganzes Stück verantwortungslos halte ich vor allen Dingen das Krisengerede über die WestLB.

(Martin Börschel [SPD]: Das habe ich mir gedacht! Das sagen Sie immer!)

Hier geht es nicht um eine Rettungsaktion oder eine Notlage, auf die jetzt in aller Eile reagiert werden müsste. Das tut der Bank nicht gut.

Ihr tut es schon nicht gut, ständig in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Gerade nach den Milliardenverlusten aus früheren Zeiten hätte sie ein ruhiges Fahrwasser nötig; denn die WestLB ist heute trotz aller aktuellen Probleme – die Hintergründe der Spekulationsverluste werden gerade schonungslos offengelegt; mit Blick darauf ist schon gehandelt worden – eine starke Bank. Sie hat ein gutes operatives Ergebnis. Die gerade genannten Einzelverluste haben zugegebenermaßen den Gewinn des ersten Halbjahres aufgefressen, stellen aber die Ertragskraft der Bank nicht infrage. Hier mit Krisengerede zu argumentieren, schadet der Bank.

(Horst Becker [GRÜNE]: Vorsichtig!)

Wir alle gemeinsam – nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen als Anteilseigner – haben nicht nur eine Verantwortung für die WestLB, sondern auch für den Finanzplatz Nordrhein-Westfalen insgesamt, der in den letzten 30 Jahren auf die schiefe Ebene nach unten geraten ist. Das lag sicherlich in der Verantwortung früherer Landesregierungen, die hier noch einmal zur Rechenschaft gezogen werden müssten.

Trotzdem ist der Bereich, in dem 216.000 Beschäftigte – davon 136.000 in Banken und Sparkassen – arbeiten und 4 % zum Bruttoinlandsprodukt Nordrhein-Westfalens beitragen, nach wie vor wichtig. Das ist ein namhafter Beitrag für unser Land, ungefähr vergleichbar mit dem der Maschinenbauindustrie.

Wir alle wissen, dass die Finanzwirtschaft darüber hinaus eine erhebliche Auswirkung auf die Realwirtschaft hat. Deswegen ist es wichtig, dass die Koalition von Anfang an klare Leitlinien für die Abgabe des Landesanteils an der WestLB vorgegeben hat:

(Martin Börschel [SPD]: Wo sind die denn?)

Erstens. Wir brauchen eine Stärkung des Finanzplatzes Nordrhein-Westfalen.

Zweitens. Wir brauchen einen vernünftigen Preis, wenn wir den Anteil abgeben.

Drittens. Wir brauchen Einvernehmen mit den Mehrheitseigentümern.

(Martin Börschel [SPD]: Dann machen Sie doch endlich mal! Sie blockieren doch!)

Eine europäische Dimension wäre gerade im Interesse der nordrhein-westfälischen Sparkassen sicherlich sehr wünschenswert.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Dann ma- chen Sie doch auch mal und reden nicht nur!)

Voreiliges Handeln wäre absolut falsch, lieber Kollege, denn vorschnelle Entscheidungen zerstören Chancen. Ich habe eben gesagt: Wir haben keinen unmittelbaren Zeitdruck, sondern die Pflicht, Optionen zu prüfen. Deswegen erstaunen mich die Anträge der Opposition. Der Antrag der SPD ist ohnehin ein bisschen unausgegoren und oberflächlich, der der Grünen schon etwas substanzieller.

(Gisela Walsken [SPD]: Wo ist Ihr Antrag, Herr Kollege? Wo ist denn Ihre Position?)

Beides ist aber das Gegenteil von einer Prüfung der Optionen.

Die SPD – wir haben es eben noch einmal vom Kollegen Börschel gehört – sagt: Der Zusammenschluss mit der LBBW ist der geeignete Weg. Der Kollege Remmel hat gerade betont – das hat er auch beim Pressefrühstück vor drei Wochen gesagt –, die Fraktion der Grünen habe eine klare Position. Der Kollege Groth ist da schon ein bisschen weiter. Er hat im letzten Haushalts- und Finanzausschuss erklärt, dass sich die Grünen nie für einen schnellen Zusammenschluss mit der LBBW ausgesprochen hätten; eine Haltung, die sicherlich vernünftig war und auf einem gewissen Lerneffekt aus der Diskussionslage heraus basierte. Auch der Betriebsrat der WestLB schreibt: Welche Gründe zwingen uns, die Optionen schon jetzt auf eine zu begrenzen?

Diese Frage stelle auch ich. Die Welt ist nämlich, meine Damen und Herren, komplizierter, als manche denken wollen.

Wir wollen selbstständig vor Ort agierende und entscheidungsfähige Sparkassen. Sie sollen durch das neue Sparkassenrecht gestärkt wer

den. Die Sparkassen machen sich zu Recht Gedanken, wie sie ihre Stärke in der Mittelstandsfinanzierung vom Geschäftsfeld der Landesbank abgrenzen können.

Deswegen scheint es mir bei dem Gedanken, sich völlig unbesehen und schnell unter die Fittiche anderer Landesbanken, so der LBBW, zu flüchten, notwendig zu sein, die Dinge etwas genauer zu betrachten. Denn wenn wir den Blick darauf richten, wo die anderen Landesbanken andere Geschäfte als die WestLB machen, dann ist das genau im Mittelstandsbereich, den die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen lieber vor den Türen der Landesbanken sehen. Die NORD/LB macht zu 36 % Mittelstands- und Privatkundengeschäft, die BayernLB auch zu einem Teil. Die Helaba macht es zu 23 %, die LBB zu 28 % und die LBBW zu 21 %.

Sie können doch nicht davon ausgehen, dass die LBBW die Erkenntnis über das, was sie zu Hause starkmacht, dann, wenn sie in andere Regionen eingeladen wird, nicht mitnimmt. Deswegen war meine Frage in der vorletzten Woche: Ist das nicht ein möglicher Fall von „Fuchs im Hühnerstall“? Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass in der Zwischenzeit auch die Sparkassen zum Nachdenken angeregt worden sind.

Die „WAZ“ hat mit Berufung auf den badenwürttembergischen Wirtschaftsminister am 4. September berichtet, die LBBW habe es insbesondere auf das Mittelstandsgeschäft in NordrheinWestfalen abgesehen. Die LBBW selbst hat in einer Pressemitteilung vom 26. August zur Entwicklung in Sachsen geschrieben – ich zitiere –: „Bei der Sachsen LB sollen der Standort Leipzig und der Umfang der Beschäftigung erhalten bleiben. Im operativen Geschäft wird die Bank den Fokus analog dem bewährten Geschäftsmodell der LBBW stärker auf den Mittelstand und das gehobene Privatkundengeschäft richten.“

Das muss Sie doch nachdenklich machen, ob es nicht doch richtig ist, sich zumindest nicht vorschnell auf eine Lösung zu kaprizieren, sondern Optionen zu prüfen.

(Martin Börschel [SPD]: Wie lange wollen Sie denn noch warten? – Gisela Walsken [SPD]: Wie lange noch?)

In der „WAZ“ hat der Kommentar von Herrn Pott einen guten Abschluss – vielleicht auch für meinen Beitrag – geliefert. Er hat geschrieben: NRWFinanzminister Linssen hat es klüger angestellt als die Verbandsvertreter. Er hält sich alle Optionen für die Abgabe des Landesanteils an der WestLB offen.

Das ist die Grundlage dafür, meine Damen und Herren, dass wir wirklich viel erreichen können; viel erreichen können im Interesse des Landes, im Interesse der Sparkassen und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens!

Deswegen müssen wir konsequenterweise diese beiden hier vorliegenden Anträge ablehnen. Ich lade Sie herzlich ein, die Begutachtung möglicher Optionen konstruktiv mit zu begleiten. Sie sollten weniger darüber reden, sondern an einer vernünftigen Lösung mitarbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Für die FDP spricht jetzt Frau Freimuth.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Remmel, ich möchte mit Ihnen nicht über das Eheverständnis diskutieren. Ich finde, in der heutigen Zeit sollten Ehen Liebesehen und nicht Vernunftehen sein. Ich halte die Verwendung der Worte „Heirat“ und „Ehe“ deshalb im Bereich Fusionen und Unternehmenszusammenschlüssen für unpassend.

Das Thema WestLB beschäftigt uns ja schon etwas länger und wurde – Herr Kollege Börschel hat bereits darauf hingewiesen – in den letzten beiden Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses ausführlich behandelt. Dort hat der Finanzminister in einer, wie ich finde, sehr sachlichen Weise und soweit ihm das als Aufsichtsratsmitglied der WestLB

(Martin Börschel [SPD]: Reden wir von der- selben Veranstaltung?)

möglich ist, nämlich ohne das Aktiengesetz zu verletzen, über die Ereignisse berichtet, die zur Ablösung des früheren Vorstandsvorsitzenden und zur Berufung des neuen Vorstandsvorsitzenden geführt haben. Er hat außerdem vorgetragen, dass mit der Einschaltung einer Investmentbank erste Schritte eingeleitet werden, um über die Zukunft des Landesanteils der WestLB in Besonnenheit und für das Land Nordrhein-Westfalen verantwortungsvoll zu entscheiden. Dafür, Herr Minister, herzlichen Dank!

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Es kommt doch der Dank!)

Meine Damen und Herren, die bestmögliche Nutzung des Landesanteils an der WestLB wurde bereits in den Koalitionsvereinbarungen festgehalten. Diese Koalitionsvereinbarungen arbeiten wir

Punkt für Punkt ab. Sie begleiten das ja. Dabei werden wir uns auch von Ihnen nicht von der Besonnenheit abbringen lassen. Deswegen möchte ich zu den Anträgen einige Anmerkungen machen:

In beiden Anträgen werfen Sie zu Unrecht der Landesregierung vor, sie handele konzeptionslos und mit der Diskussion um Verkaufsoptionen in aller Öffentlichkeit zu Lasten der Bank. – Das, was ich als konzeptionslos und als schädigend für die WestLB und die Interessen des Landes NordrheinWestfalen empfunden habe, ist die Debatte, die Sie angefangen haben, nämlich: So schnell wie möglich weg mit diesem Landesanteil, so schnell wie möglich weg mit dem Schatzkästchen NordrheinWestfalens nach Baden-Württemberg! – Das hat geschadet und Unsicherheit in die Landschaft gebracht.

(Harald Schartau [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Kollege Schartau, ich möchte jetzt keine Zwischenfragen beantworten. – Ich finde es bemerkenswert, dass Sie auf der einen Seite von Konzeptionen sprechen und auf der anderen Seite einzig und allein aufgrund von Zeitungsberichterstattungen so grundsätzliche Entscheidungen über die Verwendung des Landesanteils treffen wollen.

Meine Damen und Herren, in der Eigentümerstruktur und aus der Eigentümerstruktur ergibt sich eine komplexe Interessenlage. Das wissen wir und das haben wir an verschiedenen Stellen bereits diskutieren können. Das Land möchte seinen Anteil bestmöglich für das Land NordrheinWestfalen nutzen. Da liegt es doch nahe, dass wir keine überstürzten Entscheidungen treffen, sondern kompetente Berater, die es gewohnt sind, mit solchen komplexen Sachverhalten umzugehen, hinzuziehen. Die Citigroup als Berater ist aus einem Ausschreibungsverfahren, an dem viele renommierte Banken und Investmentberater teilgenommen haben, als Sieger hervorgegangen. Deswegen halte ich diese Vorgehensweise für höchst rational und keineswegs für konzeptionslos. Konzeptionslos ist es höchstens, sich voreilig auf eine Option festzulegen, ohne die Alternativen gründlich untersucht und geprüft zu haben.

Vollkommen abwegig finde ich, dass sich die Kollegin Walsken darüber beschwert, die Landesregierung würde mit der Beauftragung der Citigroup – ich glaube, sie hat folgende Formulierung verwendet – den Bock zum Gärtner machen. Der Minister solle besser die Sparkassenverbände um Rat fragen.

(Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Es gibt ja gleich die Gelegenheit, das zu differenzieren. – Die Sparkassenverbände – das liegt vollkommen in der Natur der Sache – haben natürlich ihre Interessen, wie sie mit ihrem Anteil an der WestLB verfahren wollen. Das ist auch legitim. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Anteilseigner zunächst auf eine gemeinsame Strategie, auf ein gemeinsames Geschäftsmodell für die WestLB verständigen. Auch da ist es nicht hilfreich, solche Diskussion in großer Öffentlichkeit zu führen. Jedenfalls ist das meine Erfahrung, die ich bisher gemacht habe.

(Martin Börschel [SPD]: Das machen Sie doch die ganze Zeit! Das führt doch die Koa- lition vor! – Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Herr Kollege Remmel, es gibt keine Denkverbote.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist doch ein Chaoshaufen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Zum Thema Chaoshaufen brauchen wir keine Ratschläge von den Experten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich glaube, Sie haben genügend Baustellen, die Sie abräumen müssen.

Meine Damen und Herren, wir wollen eine sachgerechte Lösung für das Land NordrheinWestfalen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WestLB, für den Finanzplatz NordrheinWestfalen, weil wir den starken Finanzplatz Nordrhein-Westfalen erhalten wollen. Wenn Sie einseitig nach Baden-Württemberg gucken und die ganze WestLB gar nicht schnell genug dorthin verschleudern wollen, dann muss man sich die Frage stellen – ich bin dankbar, dass auch die Beschäftigten der WestLB diese Frage mittlerweile laut gestellt haben, weil auch sie kein Denkverbot gegen sich verhängen lassen –, welche Auswirkungen das für den Finanzplatz Nordrhein-Westfalen und für die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen mit sich bringt.