Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Die Landesregierung hat mit Schreiben vom 7. September mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, heute eine Unterrichtung zu dem genannten Thema abzugeben.

Ich eröffne die Beratung und erteile vonseiten der Landesregierung Herrn Minister Wittke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 27. November 2004 hat der Landesparteitag der FDP Folgendes beschlossen: Die FDP will für Nordrhein-Westfalen den Bau subventionierter Windkraftanlagen stoppen.

Wenige Monate später - am 5. März 2005 - hat der Landesparteitag der CDU in NordrheinWestfalen beschlossen: Wir wollen die Überförderung der Windkraft beenden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich dachte, er unterrichtet über das, was die Landesregie- rung tut!)

Am 20. Juni 2005 haben die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt: Die Koalitionspartner werden den Windenergieerlass des Landes NRW mit dem Ziel einer möglichst restriktiven Steuerung des Baus von Windkraftanlagen grundlegend überarbeiten.

Wenige Wochen später - am 13. Juli 2005 - hat der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung ausgeführt: Wir werden im Bundesrat initiativ, um die Überförderung der Windkraftnutzung im Energieeinspeisegesetz zu stoppen.

Am 9. August 2005 habe ich im Rahmen eines Pressefrühstücks angekündigt, dass ich noch Anfang September einen überarbeiteten neuen Windenergieerlass in Nordrhein-Westfalen vorlegen werde.

Meine Damen und Herren, ich verstehe die Aufregung der letzten Tage nicht; denn diese Koalition tut genau das, was sie über Monate hinweg angekündigt hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich füge an, meine Damen und Herren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen: So werden wir es auch weiter handhaben. Wir werden Stück für Stück umsetzen, was wir vor der Wahl angekündigt haben - bei den Studiengebühren, bei der Windenergie, bei der Steinkohle und bei vielen anderen Angelegenheiten. Auf diese Koalition ist nämlich Verlass. Wir tun nach der Wahl das, was wir vor der Wahl angekündigt haben.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Windenergieerlass vom 3. Mai 2005 ist grundlegend überarbeitet worden. Bei dieser Gelegenheit konnten auch die zwischenzeitlichen Änderungen beim Bundesrecht eingearbeitet werden, nämlich die Änderungen im Baugesetzbuch, im Bundesimmissionsschutzgesetz und in der vierten BImSch-Verordnung.

Gegenüber dem Windenergieerlass von 2002 haben sich im neuen Windkraftanlagenerlass insbesondere folgende Änderungen ergeben: Im Hinblick auf den Immissionsschutz wird auf die Möglichkeit hingewiesen, bei der Regional- und Bau

leitplanung pauschale Abstände von 1.500 m zu Wohngebieten vorzusehen.

Die Raumbedeutsamkeit von Windkraftanlagen ist völlig neu definiert worden. Jetzt gilt jede Anlage über 50 m Gesamthöhe als raumbedeutsam.

Die Ausgleichs- und Naherholungsfunktionen von rekultivierten Halden sind jetzt verstärkt zu berücksichtigen; in regionalen Grünzügen ist Windenergienutzung im Regelfall nicht mehr möglich. Wald ist künftig Tabubereich für jegliche Windkraftanlagen.

Darüber hinaus haben wir auch auf die gerichtlich festgestellte höhere Bedeutung des Landschaftsschutzes hingewiesen. Das war uns ganz besonders wichtig. Denn das, was die VorgängerLandesregierung getan hat, war eine Versündigung am Landschaftsbild Nordrhein-Westfalens. Sie haben die Landschaft in Nordrhein-Westfalen „verspargelt“.

(Beifall von der CDU)

In Nordrhein-Westfalen gibt es mehr Windkraftanlagen als in Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Baden-Württemberg und Bayern zusammen, obwohl die Grundfläche unseres Bundeslandes, auch wenn wir ein großes Bundesland sind, deutlich kleiner ist als die der genannten sechs Bundesländer zusammen. Darum war es notwendig, damit Schluss zu machen. Es liegt nämlich auch im ökologischen Interesse, dass dem Landschaftsschutz endlich ein vernünftiger Stellenwert eingeräumt wird.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

In anderen Bundesländern im Süden oder auch im Osten Deutschlands können Sie sehen, dass man sich dort nicht am Landschaftsbild, das selbstverständlich auch künftigen Generationen erhalten bleiben muss, versündigt hat. Wir lieben nicht nur unser Land Nordrhein-Westfalen, sondern wir wollen es auch im optischen Erscheinungsbild schützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für jede Anlage über 50 m Gesamthöhe, also für fast alle Anlagen, ist jetzt ein immissionsschutzrechtliches Verfahren durchzuführen. Wenn die Änderung einer Anlage immissionsschutzrechtlich nicht relevant ist, ist auf jeden Fall ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. Nur für Anlagen bis 50 m Gesamthöhe wird anerkannt, dass sie sich einem in einem Außenbereich zulässigen Betrieb unterordnen können.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist Bundes- recht!)

Bei der vom Baugesetzbuch neu eingeführten Rückbauverpflichtung wird deutlich gemacht, dass die Kosten für den Rückbau nach der Lebensdauer schon beim Bauantrag gesichert sein müssen. Dazu ist eine Bankbürgschaft über 6,5 % der Investitionssumme nachzuweisen.

Der vorbeugende Immissionsschutz ermöglicht es, dass bereits bei einem Feld mit nur sieben Anlagen wegen Prognose-Unsicherheiten ein Abstand von 1.500 m zu hoch geschützten Wohngebieten eingehalten werden kann. Die Schutzzone III A von Abwassergewinnungsanlagen ist jetzt neben denen von I und II für Windkraftanlagen nicht mehr geeignet.

Der Denkmalschutz wird verstärkt. Die engere Umgebung eines Denkmals wird gegenüber Windkraftanlagen mit 1.000 m angenommen.

Darüber hinaus wird die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Baugesetzbuches einleiten. Windkraftanlagen sollen künftig im unbeplanten Außenbereich nicht mehr errichtet werden können. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es ausreicht, wenn neue Windkraftanlagen nur noch in Industriegebieten mit den dort geltenden höheren Immissionsrichtwerten errichtet werden können oder in von den Gemeinden bewusst für Windenergienutzung ausgewiesenen Sondergebieten.

Meine Damen und Herren, neue Anlagen im Außenbereich können auch künftig errichtet werden, wenn die Gemeinde es zugunsten ihrer Bürgerinnen und Bürger für sinnvoll erachtet. Darin unterscheiden wir uns in unserem Politikansatz ganz wesentlich von Ihnen: Wir wollen, dass die Kommunen vor Ort entscheiden, wie es in ihrer Gemeinde aussieht und zugeht. Wir wollen nicht von Düsseldorf aus jede Gemeinde mit Windenergie beglücken, wie Sie das in der Vergangenheit getan haben, weil es dabei eine örtliche Problematik zu lösen gilt.

(Beifall von der CDU)

Ich bin dankbar dafür, dass wir in vielen Briefen in den vergangenen Wochen eine kräftige Unterstützung aus der kommunalen Familie NordrheinWestfalens erfahren haben. Vor Ort wissen nämlich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister ganz genau, wie die Menschen fühlen und denken. Denen sind wir verpflichtet und nicht irgendeiner Ideologie.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Erlass trifft keine Aussagen zum Repowering. Den

noch ist der Ersatz alter bestandsgeschützter Anlagen durch effektivere und leisere Anlagen selbstverständlich auch künftig möglich.

Die Landesregierung wird eine Bundesratsinitiative zur Beendigung der Überförderung der Windenergie durch das Energie-Einspeisegesetz ergreifen. Ziel ist eine Absenkung der Vergütungssätze, die das Gesetz vorsieht.

Korrigiert werden soll auch die sachwidrig hohe Förderung von Anlagen an windschwachen Standorten; denn selbstverständlich ist die Höhe der Subventionen kein Mittel dafür, mehr Wind wehen zu lassen. Welche Logik dem zugrunde liegt, an windschwachen Standorten eine höhere Subventionierung vorzunehmen als an windstarken Standorten, hat mir bisher noch niemand erklären können.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist so ähnlich, als würde man künftig höhere Subventionen in Nordrhein-Westfalen für die Hochseefischerei fordern, weil die Hochseefischerei einen ganz besonderen Standortnachteil in unserem Bundesland hat. Es ist eine abstruse Vorstellung von Politik, die Sie dazu in den vergangenen Jahren entwickelt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Staatsminister a. D., wenn man den sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau ernst nimmt, müssen auch Subventionen für erneuerbare Energien infrage gestellt werden können. Die Förderung der Windenergie hat nämlich mittlerweile beachtliche Ausmaße angenommen. Bereinigt beträgt der Subventionsanteil, den die Stromkunden zugunsten der Windenergie bundesweit zahlen müssen, 1,4 Milliarden €. Sie ziehen den Haushalten 1,4 Milliarden € aus der Tasche, um in Deutschland eine Ideologie zu fördern.

Meine Damen und Herren, im Übrigen können Sie durch die Förderung der Windenergie auf kein einziges Kraftwerk konventioneller Art in Deutschland verzichten. Denn Sie können eben nicht garantieren, dass der Wind dann weht, wenn Energie benötigt wird. Und darum noch einmal: Wir sind für die Förderung regenerativer Energien und auch für die Förderung der Windkraft,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ein Heuchler bist du!)

aber - Herr Remmel - sie soll an den Standorten erfolgen, wo es Sinn macht.

Geht man von 50.000 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet in der Windenergiebranche aus, so bedeu

tet das, dass jeder Arbeitsplatz Jahr für Jahr - also nicht einmalig - mit über 28.000 € subventioniert wird.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Auch die geschätzten 4.000 direkten Windenergiearbeitsplätze in unserem Bundesland können durch die Maßnahmen der Landesregierung nicht gefährdet sein. Denn das Geld wird überwiegend im Ausland verdient.

Der Weltmarktanteil der deutschen Windenergiebranche liegt bei 50 %, die Exportquote bei 60 %. Eine so leistungsfähige Branche wird auch ohne Überförderung im eigenen Land künftig Überlebenschancen haben, und wir werden selbstverständlich weiterhin jegliche Exportbemühungen der Windenergie unterstützen. Denn es gibt Staaten, es gibt Länder, es gibt Regionen der Erde, wo es Sinn macht, Windenergie einzusetzen dort, wo es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.

Im Übrigen ist die Zahl von 10.000 Jobs, die Sie, Herr Priggen, wahrscheinlich gleich wieder in der Debatte anführen werden, ein reines Fantasieprodukt. Mir wäre sehr daran gelegen, dass Sie hier einmal darlegen, woher diese Zahl stammt. Ich weiß nicht, ob Sie auch noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Genehmigungsbehörden bei diesen 10.000 Arbeitsplätzen mit eingerechnet haben.

Meine Damen und Herren, da wir schon über Arbeitsplätze sprechen, lassen Sie uns auch über die Arbeitsplätze …

Herr Minister Wittke, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Priggen?

Bitte.