Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Bitte.

Schönen Dank. - Herr Minister, Ihnen wird im Zusammenhang mit der Windkraft in der „Zeit“ folgendes Zitat zugeschrieben:

„Das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden.“

Haben Sie das gesagt?

Dies habe ich bezogen auf eine ganz konkrete Windkraftanlage geäußert, die an einer unmöglichen Stelle stand. Und von diesen unmöglich platzierten Anlagen gibt es viele im Lande. Herr

Priggen, Sie müssen nur mit offenen Augen durch Nordrhein-Westfalen fahren.

(Beifall von CDU und FDP - Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Was wollen Sie als Zweites ka- puttmachen?)

Im Übrigen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Wenn wir über Arbeitsplätze im Zusammenhang mit Windenergie sprechen, müssen wir auch über die Arbeitsplätze sprechen, die in der chemischen Industrie, bei der Aluminiumverarbeitung und anderswo verloren gegangen sind, weil wir überteuerte Energiepreise, überteuerte Stromkosten in unserem Land haben, die höher als die in den allermeisten anderen europäischen Mitgliedstaaten sind.

Darum hat die Übersubventionierung der Windenergie, die Befrachtung der Energiepreise in Deutschland dazu geführt, dass nicht mehr Beschäftigung entstanden ist, sondern - ganz im Gegenteil - Arbeitsplätze abgebaut wurden. Insofern kam es nicht in Nordrhein-Westfalen und nicht in Deutschland, sondern in Belgien, in den Niederlanden und anderswo zu neuen Investitionen in der chemischen Industrie und in anderen Industriebereichen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im Landschaftsgesetz schließlich wird die Begünstigung von Windkraftanlagen bei der Eingriffsregelung beseitigt. Bei der Frage, ob der Bau einer Windenergieanlage einen Eingriff darstellt, sind sie wie andere bauliche Anlagen zu behandeln. Deswegen soll gestrichen werden, dass zwei nah beieinander liegende Anlagen keinen Eingriff darstellen. Deswegen soll die Begrenzung des Eingriffs auf raumbedeutsame Anlagen aufgehoben werden.

Rückgängig gemacht haben wir de Möglichkeit, Windenergieanlagen im Wald zu planen. Gerade die Wälder wollen wir im Interesse der Bevölkerung, die dort Erholung sucht, und übrigens auch im Interesse der Ökologie - und was Ökologie ist, bestimmen nicht Sie allein, sondern das können wir genauso gut mitbestimmen -

(Beifall von der FDP)

von Windenergieanlagen freihalten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammengefasst: Windenergienutzung wird in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin möglich sein, aber nicht mehr nahezu unbegrenzt, nicht mehr nahezu an jeder Stelle, sondern nur noch da, wo sie dem Menschen tatsächlich nützt. Wir haben ökologische Belange, Belange des Landschaftsschutzes und Belange der Bevölkerung wieder auf die Beine und in ein vernünftiges

Verhältnis zueinander gestellt. Das war Ziel der Koalition, und darum sind wir froh, dass wir den Koalitionsvertrag in diesem Punkt so schnell abarbeiten konnten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Wittke. - Zu seiner ersten Rede hier im Landtag erteile ich Herrn Stinka von der SPDFraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Schönen Dank für den Hinweis. - Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der neue Windkrafterlass ist rechtlich fragwürdig, geht von falschen Vorgaben aus und führt zu mehr Bürokratie,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

also genau zu dem, was Sie oft bekämpfen wollen.

Dazu wälzt die Landesregierung mit ihm nur die Verantwortung auf Städte und Gemeinden ab. Einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis im Land wird Tür und Tor geöffnet und so allgemein Unsicherheit geschaffen. Warum die Landesregierung so handelt, hat einen ganz wesentlichen Grund: Die Windkraft wird von ihr nicht mit nüchternem und neutralem Blick,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Hausverbot haben die!)

sondern durch die ideologische Brille betrachtet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und genau dafür ist insbesondere die FDPFraktion zuständig, die sich den Kampf gegen die Windmühlen ja schon seit langer Zeit auf ihre Fahnen geschrieben hat.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Leider ist die CDU auf diesen Zug aufgesprungen - oder sollten wir besser „Rosinante“ sagen, da wir vom Kampf gegen Windmühlen sprechen? -

(Heiterkeit von der SPD)

und hat in das Lager der Ideologisierer gewechselt.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Wir haben ge- wonnen! Das ist der Unterschied!)

Nicht anders ist es zu verstehen, dass Herr Minister Wittke - wir haben ja gerade von diesem Zitat

gehört - am 1. September mit verklärtem Blick auf eine Windkraftanlage verkündet: „Das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden.“

Nun, ich komme aus dem Münsterland, und bei mir zu Hause sehe ich jeden Tag eine Menge Windräder. Ich warte im Grunde nur darauf, Herr Wittke, dass eines Tages eine feierliche Sprengung vorgenommen wird, bei der Sie den Zünder drücken.

(Beifall von der SPD)

Die erwähnte Ideologie wird hier trotzdem und deutlich klar: Es geht längst nicht mehr um energiepolitische, rechtliche oder bauliche Gesichtspunkte. „Ideologie war früher“, behaupten Sie im gleichen Artikel. Das Gegenteil ist richtig. Die SPD hat die Windkraft immer nüchtern und wenig ideologiereich betrachtet. Wir sehen sie aber als zukunftsfähige regenerative Energieform und als ein Element in einem schlüssigen Energiegesamtkonzept zur zukünftigen Energieversorgung, ohne hierbei die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner von Windkraftanlagen zu vernachlässigen.

Gerade sprechen wir über energiepolitische Zukunftsvisionen. Heute Morgen haben wir gemerkt, dass davon auf der rechten Seite des Hauses relativ wenig zu sehen ist.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen möchte ich für die Fraktion darauf hinweisen, dass die Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch durch Ministerin Merkel und Minister Töpfer eingearbeitet wurde.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Mit Zustimmung der FDP!)

Beide stehen - das ist aktuell noch deutlicher geworden - nicht im Verdacht, den Sozialdemokraten sehr nahe zu stehen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Die beiden ha- ben sich in Umweltfragen unterschiedlich weiterentwickelt!)

Ideologisiert wurde bisher nur seitens der FDP. Deshalb ist es besonders schade, dass die CDU auf diesen Zug oder Rosinante aufgesprungen ist. Die Haltung der Landesregierung durch den neuen Windkrafterlass gefährdet 10.000 Arbeitsplätze. Von daher finde ich es geradezu tragisch, wenn heute Morgen von Sozialverantwortung in der Energiepolitik in unserem Land gesprochen wird. Und sie schwächt einen wichtigen Baustein einer zukünftigen Energieversorgung in NRW.

Wenn wir uns die Folgen von Stürmen in der letzten Zeit angucken, dann kann ich als Münsterländer davon berichten, dass unser Ort in fünf Jahren dreimal mit „Jahrhunderthochwasser“ zugelaufen war. Das muss einem doch zu denken geben. Man kann nicht darüber hinwegsehen und im Münsterland mit Millionen Euro teuren Deichbauten, die genauso unmöglich sind, darauf reagieren. Das muss länger und tiefer angefasst werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich möchte die rechtlichen Bedenken der SPDFraktion kurz darstellen.

Erstens. Windräder ab 50 m Höhe sind schon immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Bundesrecht!)

Es ist nichts Neues, was erst mit dem Inkrafttreten des Erlasses kommen würde. Richtig ist dagegen, dass bereits seit Juni mit der neu gefassten 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung alle Windräder ab 50 m Höhe genehmigungsbedürftig sind. Hier wird ein längst bekanntes Faktum als Neuerung verkauft.

(Beifall von den GRÜNEN - Dr. Axel Horst- mann [SPD]: So ist es!)

Zweitens. Die Vorgabe eines im Regelfall einzuhaltenden pauschalen Mindestabstands von 1.500 m ist rechtlich zweifelhaft. Der Erlass erlaubt es, bei der Regional- und Bauleitplanung pauschale Abstände von 1.500 m zu Wohngebieten vorzusehen. Da bleibt man erneut hinter den Koalitionsverhandlungen zurück. Das, was Sie nach Ihren Ausführungen alles umsetzen wollten, war in den Koalitionsverhandlungen versprochen und in Stein gemeißelt. Hier wird mächtig davon abgewichen.

Die juristischen Bedenken hierzu sind wohl mittlerweile bis zur Regierung durchgedrungen. Zur Rechtfertigung der Mindestabstandsvorgabe hatte Minister Linssen im letzten Plenum auf ein Urteil des OVG NRW vom 30. November des Jahres 2001 verwiesen. In der Tat wird dort angedeutet, dass pauschale Abstände zur schützenswerten Wohnbebauung angesetzt werden können. Das Urteil ist aber dabei von Abständen zwischen 350 m und 750 m ausgegangen. Selbst als kein großes Mathetalent sehe ich zwischen 350 m und 1.500 m einen großen Unterschied, meine Damen und Herren.