Es ist nicht das erste Zitat in dieser Richtung gewesen. Schon am 2. Februar 2007 hatte Klaus Töpfer, der frühere Bundesumweltminister, in der „Westdeutschen Zeitung“ gesagt:
„Eigentlich müssten wir das Recht, Treibhausgase zu emittieren, auf der ganzen Welt pro Kopf gleichmäßig verteilen. Warum soll ein USAmerikaner oder ein Deutscher mehr Recht haben, die Atmosphäre zu belasten, als ein Inder oder Chinese?“
Diese Kernaussage haben zwei konservative Politiker gemacht. Ich halte sie in der Debatte für grundsätzlich weichenstellend. Denn das Anerkennen der Tatsache, dass wir im Prinzip alle das gleiche Recht haben, Emissionen zu erzeugen, ist der Schlüssel dafür, dass wir zu einem vernünftigen und angemessenen Handeln kommen.
Ich möchte gerne noch ein Zitat von Frau Merkel bringen, das sich in „Die Zeit“ findet, weil es die Grundlage für die Konferenz in Potsdam war, die darauf folgte.
„Kein Mensch hat per se das Recht, dem Klima mehr Schaden zuzufügen als andere. Und wir werden nicht zu internationalen Vereinbarungen kommen, wenn wir auf mittlere und längere Frist manchen gestatten, mehr CO2 zu emittieren als anderen. Ein Prinzip nach dem Motto ‚Alle sind gleich und manche sind gleicher’ wird für den UN-Klimaprozess nicht funktionieren. Wir müssen China oder Indien die Perspektive geben, dass wir uns in der Zukunft auf gleiche CO2-Werte zubewegen. Nur so werden sie bereit sein, auch heute schon zu handeln. Nur so werden sie uns glauben, dass wir ihnen zugestehen, ihren Bürgern denselben Wohlstand zu ermöglichen, wie wir ihn haben.“
Das ist aus meiner Sicht der grundlegende Kernsatz, und ich finde die Zitate von Frau Merkel und Herrn Dr. Töpfer absolut zutreffend.
Denn wenn wir diesen Grundsatz nicht anerkennen, haben wir überhaupt keine Chance, andere Nationen und vor allen Dingen große Entwicklungsnationen dazu zu bewegen – das wird nicht morgen oder übermorgen sein –, mit uns zusammen ernsthaft in den Klimaschutzprozess einzusteigen.
Hier sehen wir eine Differenz zur Haltung der Landesregierung. Ich habe das Problem in einer Kleinen Anfrage im April 2007 aufgegriffen, welche in Drucksache 14/4188 beantwortet wurde.
Ich habe erstens gefragt, wie die Landesregierung die Auffassung von Prof. Töpfer bewertet. Die Landesregierung beantwortet meine erste Frage mir wie folgt – ich zitiere –:
„Eine quantitativ gleichmäßige Verteilung von Emissionsrechten ist in Anbetracht der völlig unterschiedlichen Entwicklungsstände der Volkswirtschaften ebenso unrealistisch wie eine gleichmäßige Verteilung von Rohstoffen, Wasser oder geographischen Gegebenheiten.“
Das heißt, diese Landesregierung befand sich drei oder vier Monate vor der Potsdamer Konferenz und vor den Aussagen von Frau Bundeskanzlerin Merkel auf einem ganz anderen inhaltlichen Niveau.
Das ist ein Niveau, welches unserem Land Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle leider nicht weiterhilft.
Ich habe eine zweite Frage, welche die Schlüsselfrage ist, gestellt: Wie viel CO2 darf denn jeder Mensch in der Welt emittieren, wenn wir zu einem vernünftigen und gerechten Ausgleich kommen wollen? – Das ist eine Frage, die eigentlich den wissenschaftlichen Bereich tangiert. Meine Erwartung war, dass die Landesregierung – ihr stehen dafür ja geeignete Institute zur Verfügung – eine Antwort gegeben hätte, mit der wir hätten arbeiten können. Die Antwort lautet jedoch:
„Die Landesregierung NRW sieht gegenwärtig keinen Anlass, die CO2-Emissionen pro Kopf zu begrenzen, da es bereits prozentuale und daraus abgeleitete absolute Minderungsverpflichtungen gibt.“
Eine Begrenzung war überhaupt nicht die Frage. Dass die Landesregierung die Emissionen pro Kopf überhaupt nicht begrenzen kann, ist doch klar. Was wir brauchen, ist eine Orientierung. Denn wir liegen in Nordrhein-Westfalen deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt an Emissionen.
Diese Orientierung kommt. Sie kommt allerdings wieder von der Bundeskanzlerin und von Prof. Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dort ist gesagt worden: Der Wert,
Vor dem Hintergrund, dass Nordrhein-Westfalen 16 Tonnen CO2 pro Kopf und pro Jahr emittiert, die Amerikaner 20, die Chinesen im Moment vier und die Inder eine Tonne CO2 pro Person und Jahr, wird die Dimension der Herausforderung, vor der wir in allen industriellen Anwendungsprozessen, im Verkehr und auch sonst überall stehen, deutlich.
Man wird zu den notwendigen Lösungen und zu den richtigen Wegen nur gelangen, wenn man das Grundproblem und die Grundzielordnung auch richtig definiert. Denn wenn wir das Ziel nicht anerkennen – es kann ruhig ein wenig Toleranz enthalten sein; es ist schließlich nicht gottgegeben, dass es exakt zwei Tonnen CO2 sein müssen –, sondern meinen, in Nordrhein-Westfalen weiterhin auf dem hohen Emissionsniveau arbeiten und leben zu können, dann werden wir auch nicht richtig analysieren, was getan werden muss.
Insofern ist es bedauerlich dass unsere Landesregierung an der Stelle weit hinter dem hinterherhinkt, was andere konservative Politiker wie beispielsweise die Bundeskanzlerin hier vorgeben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Priggen, ich muss ehrlich gestehen: Dieser Antrag ärgert mich. Das ist kein seriöser Umgang mit dem wichtigen Thema Klimaschutz.
Das ist Schaumschlägerei. Das ist der instinkt- und sinnlose Versuch, die Koalitionsfraktionen und den Landtag auf ein Zitat der Bundeskanzlerin festzulegen, von dem jeder weiß, dass es moralisch richtig und selbstverständlich ist, mit dem man aber gerade deshalb keine politischen Spielchen treibt.
(Svenja Schulze [SPD]: Sie sind ja empfind- lich! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Merkel ist doch nicht der Papst!)
Es wäre das Gleiche, wie wenn wir als CDUFraktion in einer Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens vom Landtag die Zustimmung zu dem Satz: „Du sollst nicht töten“, verlangen würden. Zwar ist auch dieser Satz moralisch richtig und selbstverständlich, aber mit Moralkategorien spielt man nicht – auch nicht, um eine Koalitionsfraktion vorzuführen und auf ein bestimmtes Zitat festzulegen. Das macht man einfach nicht.
Kollege Priggen, was hat denn die Kanzlerin zu dieser von Ihnen zitierten Aussage bewogen? – Sie hat nach einem Schlüssel gesucht, um Entwicklungs- und Schwellenländer ebenso in das Boot des globalen Klimaschutzes zu holen wie andere große Industrienationen. Es nutzt uns ja nichts, wenn wir nicht alle in einem Boot haben. Schließlich kennt die Luft keine Grenzen. Insofern müssen alle ins Boot. Sie hat also nach einem Schlüssel gesucht.
Bei ihrem Besuch in Tokio hat sie genau erklärt, worum es ihr dabei geht. In den KiotoNachfolgeverhandlungen soll auf der Zeitachse ein bestimmter Punkt definiert werden, an dem man den gleichen Pro-Kopf-Ausstoß erreicht haben will, weil bis dahin die Industrieländer ihren Pro-Kopf-Ausstoß reduziert haben sollen und die Schwellenländer ihren Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 im Rahmen eines angemessenen Wirtschaftswachstums langsam gesteigert haben werden.
Sie hat dann weiter gesagt: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir unseren CO2-Ausstoß im Rahmen des uns technisch Möglichen reduzieren, und die Schwellenländer müssen dafür Sorge tragen, dass sie sich im Rahmen einer vernünftigen Wachstumsstrategie an unsere reduzierten Werte heranbewegen.
Das halte ich für eine ganz vernünftige Sache. Beides geht nur mit dem Einsatz intelligenter Technologien und bietet gerade Deutschland riesige Kooperationschancen. Das hat die Kanzlerin gemeint. Einer solchen Strategie stimmen wir ausdrücklich zu, nicht jedoch solchen unseriösen Mätzchen. Wir werden uns nicht darauf einlassen, uns auf ein einzelnes Zitat festzulegen, das wild im Raum steht und aus dem Zusammenhang gerissen ist.
Schönen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Kollege Weisbrich, sind Sie denn bereit, zuzugeben, dass Sie die Kanzlerin jetzt interpretieren, dass ich sie allerdings nicht nur einmal, sondern umfassend – das ist auch in anderen Teilen ein lesenswertes Interview – zitiert habe? – Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.