Ihr Verhalten in Sachen WestLB halten wir für hochgradig gefährlich und bedenklich. Dieses Zuwarten, dieses Zaudern und dieses Aussitzen schaden den Interessen Nordrhein-Westfalens.
Es geht hier nicht um die Gesichtswahrung eines Ministerpräsidenten – so sieht das nämlich aus –, sondern darum, zügig ein vernünftiges Konzept zu entwickeln, ehe es zu spät dafür ist.
Herr Ministerpräsident, das ist die Bilanz Ihres Scheiterns nach zweieinhalb Jahren schwarzgelber Regierung in unserem Land. Ich könnte die Liste noch fortsetzen. In unserer ausführlichen Bilanz
können Sie alles im Detail nachlesen. Vorne drauf stehen noch mal die Überschriften – im Original, ohne dass die Pfeile verdreht wurden –, die Sie nicht so gerne hören und lesen. Sie können es gerne nachlesen.
Neben den Punkten, die ich gerade aufgezählt habe, gibt es noch eine ganze Reihe von haltlosen Versprechungen, die von Ihnen im Wahlkampf gemacht worden sind und die Sie samt und sonders gebrochen haben.
Nein, einen Punkt will ich ausnehmen; Frau Thoben guckt schon ganz aufmerksam. Ich will es nicht unerwähnt lassen, dass Sie das Ende der Steinkohlesubventionen eingeläutet haben. Bei allem Streit, den wir sonst haben, bleibt es dabei: Dafür haben Sie weiterhin die volle Rückendeckung der grünen Fraktion.
Aber auch darin findet sich ein Wermutstropfen: Es freut uns ja, dass Sie die Aktivitäten des Kollegen Priggen eben lobend hervorgehoben haben, Herr Stahl. Aber die Transparenz, die der Kollege Priggen in dieser Frage gerne hätte, hat diese Landesregierung immer noch nicht hergestellt.
Deswegen ist es auch richtig, dass Herr Priggen mit Unterstützung unserer Fraktion vor dem Landesverfassungsgericht klagt. Das müssen wir wissen, ehe wir hier die Hand für weitere Milliarden öffentlicher Mittel heben, die trotz des Ausstiegs weiter in diese Subventionen fließen.
Herr Ministerpräsident, die Liste Ihrer gehaltenen Versprechen ist kurz, die der gebrochenen umso länger. Den Landesjugendplan wollten Sie mit 96 Millionen € ausstatten: versprochen, gebrochen. In der Weiterbildung wollten Sie aufstocken: versprochen, gebrochen. Kleine Klassen in den Schulen: versprochen, gebrochen. Unterrichtsgarantie: versprochen, gebrochen. Das Wasserentnahmeentgelt sollte abgeschafft werden: versprochen, gebrochen.
Und noch mehr haben Sie gebrochen: das Versprechen, dem Land bescheiden zu dienen. Was Sie inzwischen an Mitteln in der Staatskanzlei ansammeln und den anderen Ressorts entziehen, nur um ihr eigenes Image zu fördern und die Werbung für sich selbst schön voranzutreiben, hat mit Bescheidenheit in der Sache und Dienen nichts zu tun.
Das will ich hier noch einmal ganz klar festhalten. Davon könnten viele, viele Kinder mehr ein Mittagessen finanziert bekommen.
Mit noch etwas haben Sie, die Regierungsfraktionen, gebrochen, und zwar mit den demokratischen Spielregeln hier in diesem Haus. Beim letzten Plenum haben wir es erlebt. Leider hat es sich auch beispielsweise in der Hauptausschusssitzung am 8. November 2007 fortgesetzt. Sehr leichtfertig wird einfach mit Mehrheit durchgestimmt. Die Rechte und Ansprüche der Opposition werden nicht berücksichtigt.
Herr Hegemann ist leider gerade nicht hier; was ich jetzt sage, kann man aber im Protokoll nachlesen. Herr Hegemann und ich sind politisch nicht oft einer Meinung. Ich rechne ihm aber hoch an, dass er sich bei dieser Abstimmung im Hauptausschuss enthalten hat, weil auch er es undemokratisch fand, wie Sie etwas – wieder nur, weil die FDP es wollte – mit Mehrheit durchgezogen haben.
Herr Ministerpräsident, neben der Schulpolitik waren die Arbeitslosenzahlen ein weiterer zentraler Baustein Ihres Wahlkampfs. Mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen haben Sie sich eben zu schmücken versucht. Das ist ja auch zu verführerisch. Auch wir freuen uns darüber, dass wieder mehr Menschen in NordrheinWestfalen erwerbstätig sind. Aber was hat das eigentlich mit Ihnen zu tun, Herr Ministerpräsident? Glauben Sie wirklich, das sei Ihr Werk?
Nein. Sie haben gesagt: die Menschen. Aber Sie haben nicht auf die Vorgängerregierung abgehoben. Das ist doch der zentrale Punkt. Sie ha
ben so getan, als habe dieser Rückgang mit Ihrer Regierung zu tun, und haben ihn überhaupt nicht in den politischen Kontext gestellt.
Die fünf Wirtschaftsweisen haben in der vergangenen Woche ausdrücklich betont: Der Teil des Aufschwungs, der Teil der Steuereinnahmen, der Teil des Rückgangs der Arbeitslosigkeit, der auf politische Entscheidungen zurückgeht, ist vor allem ein Ergebnis der Politik von Rot-Grün. – Nicht von Schwarz-Rot, sondern von Rot-Grün,
der Regierung Schröder/Fischer! Wir, SPD und Grüne, haben zum Wohl des Landes und gegen erhebliche Widerstände den Reformstau der Ära Kohl aufgelöst.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie doch zugeben, dass Sie im Grunde nur an die Macht gekommen sind, weil SPD und Grüne so mutig regiert und diese Reformen einschließlich der damit verbundenen Zumutungen angepackt haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Jürgen Rütt- gers [CDU]: Die Bürger haben mich gewählt, weil sie Sie wiederwählen wollten?)
Außerdem – Frau Kraft hat eben auch schon darauf hingewiesen –: Haben Sie sich die Arbeitslosenzahlen eigentlich einmal genauer angesehen, zum Beispiel im Vergleich der Bundesländer? Ich habe das getan und dabei wirklich Erstaunliches entdeckt. Herr Rüttgers, die Arbeitslosigkeit hat laut offizieller Statistik der Bundesagentur für Arbeit in NRW im Oktober 2007 gegenüber dem Vorjahresmonat um genau 15,9 % abgenommen. Das ist ein schöner Erfolg. Damit liegt NordrheinWestfalen aber mitnichten an der Spitze in Deutschland.
Ich will es doch nur sagen. Wenn Sie dem zustimmen, wäre es gut gewesen, Sie hätten das eben auch in aller Offenheit hier dargelegt.
NRW liegt damit hinter einer ganzen Reihe anderer Bundesländer, in denen die Arbeitslosigkeit – gut für die Menschen! – noch stärker abgenommen hat, zum Beispiel hinter Bayern, hinter Baden-Württemberg und hinter Hessen – und hinter Rheinland-Pfalz und sogar hinter MecklenburgVorpommern. NRW hinter Mecklenburg-Vorpommern! Im September war das auch schon so. Herr Ministerpräsident, wie erklären Sie sich das denn? Dass NRW hinter Bayern und BadenWürttemberg liegt, wäre aus Ihrer Sicht ja vielleicht gerade noch zu akzeptieren. Aber hinter Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern? Wie konnte das passieren?
Ich laste Ihnen das gar nicht an, sondern will nur darauf hinweisen, dass Sie mit Ihrer Selbstbeweihräucherung ein bisschen vorsichtiger sein sollten. Sie sollten nicht meinen, Sie müssten hier so dick auftragen.
Es wäre besser, sich in Ihrer Zwischenbilanz hier und heute tatsächlich mit den Ergebnissen Ihrer eigenen Politik zu beschäftigen, statt sich immer wieder Kränze aus fremden Lorbeeren zu flechten.
Sie wissen doch so gut wie ich – Sie müssen es zumindest wissen, auch wenn Sie jetzt so heftig widersprechen –, dass die kurzfristigen Entwicklungen auch auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt zuallererst durch die Entwicklung der globalen Märkte bestimmt sind. Darauf haben Sie oder Frau Kraft oder wer auch immer hier im Land null Einfluss.
An zweiter Stelle sind sie durch die Verfasstheit des deutschen Arbeitsmarktes bestimmt. Auch damit hat die Landesregierung im Grunde wenig zu tun. Aber immerhin arbeiten Sie mit Ihren Darstellungen schon länger mit Nachdruck daran, dass sie sich nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Ja, Herr Rüttgers, in allem Ernst: Neben Oskar Lafontaine sind Sie in der deutschen Politik der Politiker, der den Menschen immer wieder vorgaukelt, unsere Sozialsysteme könnten im Prinzip so bleiben, wie sie sind. Herr Rüttgers, das ist sozialpolitischer Rheumatismus. Das war in Ihrer heutigen Regierungserklärung auch wieder zu hören.
Rüttgers und Lafontaine gemeinsam voran, mit Bismarck auf der Fahne in den demografisch bedingten Zusammenbruch der Sozialversicherung – das ist Ihr Beitrag zu mehr Sicherheit für Menschen in Notlagen.