Ich habe nur die „WAZ“ gelesen. Ob sie realitätsnah ist, weiß ich nicht. Es geht aber um etwas anderes. Es geht darum, dass klar ist, welche Standorte bis 2012 dran glauben müssen, und darum, dass für keinen dieser Standorte bislang Vorsorge durch praktische Projektvorbereitung getroffen wurde. Die Menschen warten auf Antworten. Es gibt keinen Hinweis, Flächenmanagement kollektiv mit den Verantwortlichen vor Ort, mit der Unternehmensleitung voranzutreiben. Es gibt nichts. Sie stehen mit leeren Händen da und können nur Ihre Parteifreunde vor Ort auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Trost sollten wir uns gegenseitig in Landtagsandachten spenden, aber nicht hier mit Bezug auf das Ruhrgebiet.
Deshalb noch einmal: Bis jetzt ist Ihre Bilanz in der Struktur- und Wirtschaftspolitik nicht nur an der Ruhr, sondern insgesamt null, was originäre eigene Beiträge angeht; außer dem Entzug von Fördergeldern für das Ruhrgebiet, denn der sogenannte Wettbewerb ist eine krasse Benachteiligung der real strukturschwachen Städte und Gemeinden.
Vielen Dank, Herr Kollege Groschek. – Ich habe den Eindruck, dass Frau Thoben noch einmal reden möchte.
Ist Ihnen wirklich entfallen, dass die Stilllegungen bis 2012 Ergebnis der Verabredungen der Kohlerunde von 1994 sind? Warum haben Sie nicht die Vorkehrung getroffen, die Sie jetzt einfordern?
Was ist neu? – Man muss frühzeitig darüber reden: Wo haben wir Ideen, gerade im Hinblick auf die Infrastruktur? Was können wir im Wohnungsbau machen? Was geht bei der Ansiedlung? Was geht bei Fachhochschulen?
Warum tun Sie jetzt so, als ob Ihnen während Ihrer Regierungszeit völlig unbekannt gewesen sei, dass verabredet war, bis 2012 noch mehrere Zechen zu schließen?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will nur auf den letzten Punkt eingehen. Es ist eine absolut richtige Forderung, die zur Schließung vorgesehenen Standorte der einzelnen Zechen jetzt so schnell wie möglich,
und zwar abschließend bis 2018, öffentlich zu machen, damit jeder einzelne Standort genau weiß, woran er ist. Ich bedaure, dass das nicht schon geschehen ist, als wir hier über die 4 Milliarden € für die Kohle abgestimmt haben. In diesen Zusammenhang hätte das für mich gehört. Wenn man für 4 Milliarden € in der Abstimmung die Hand hebt, sollte einem die Abschlussplanung vorliegen. Jetzt wird man hinterher gehen müssen. Ich meine – das kann ich an der Regierung kritisieren –, es wäre besser gewesen, wir hätten Konsens erzielt, dass jeder einzelne Standort und damit die Unternehmen drum herum sowie die Beschäftigten hätten wissen sollen, wann bis 2018 er dran ist.
Uns ist sehr genau bekannt, Herr Groschek, wer in der Debatte trotzdem immer wieder die Illusion weckt, dass es auch nach 2012 weitergehen könnte. Diese Illusion kostet auch Zeit, denn sie lockt Leute auf einen gefährlichen Irrweg. Das muss man ganz klar sagen.
Insofern bedaure ich es, dass wir ein solches Konzept nicht eher bekommen. Ich meine, Werner Müller und die RAG sollten es schneller vorlegen und nicht bis April warten. Jeder Monat, der da verloren geht, ist für vernünftige Anschlussplanungen und für eine Entwicklung an den Standorten hinderlich. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Debatte zur Regierungserklärung.
Ob Sie es glauben oder nicht, meine Damen und Herren, wir kommen damit um 15:24 Uhr zum Tagesordnungspunkt 2 unserer heute noch sehr langen Tagesordnung:
2 Ganztag an allen Schulformen der Sekundarstufe I ermöglichen und ein Landesprogramm „Zukunftsinvestition Ganztag NRW“ einrichten
Ich eröffne die Beratung und erteile als Sprecher für die antragstellende Fraktion Herrn Prof. Dr. Bovermann das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ganztag zählt zu den wenigen bildungspolitischen Programmen, bei denen zumindest eine gewisse Kontinuität von der rot-grünen zur schwarz-gelben Landesregierung festzustellen ist.
Das Erfolgsmodell der offenen Ganztagsgrundschule ist von der SPD und den Grünen in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht worden – zu einem Zeitpunkt, als der Ganztag von der CDU noch aus ideologischen Gründen auf das Heftigste bekämpft wurde.
Ich zitiere aus der Regierungserklärung der damaligen Ministerin Ute Schäfer vom 22. September 2004. Dort heißt es:
„Darüber hinaus werden wir die Ganztagsangebote für die Sekundarstufe I in der nächsten Legislaturperiode Schritt für Schritt ausweiten und dabei vorrangig die Klassen 5 bis 7 in den Blick nehmen.“
Meine Damen und Herren, die SPD setzt mit dem zwischenzeitlich verabschiedeten Bildungsprogramm und diesem Antrag ihre Politik für ein Mehr an Zeit in den Schulen konsequent fort. Dabei sind die Vorteile des Ganztags inzwischen unbestritten: Chancen für die individuelle Förderung, Verzahnung von Unterricht mit außerschulischen Bildungs- und Freizeitangeboten und schließlich Verbesserung des Betreuungsangebots.
Die derzeitige Regierungskoalition, die ja heute ihre Halbzeit feiert und damit in ihre Endphase eintritt, hat jedoch die Möglichkeit zum Ganztag nur auf die Hauptschulen ausgeweitet. Das ist ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt, wie ich anhand von drei Aspekten nachweisen werde.
Erstens. Nur ein Teil der Hauptschulen, ein Drittel, kann überhaupt vom Ganztagsangebot Gebrauch machen. Realschulen und Gymnasien werden im Regen stehen gelassen, obwohl auch hier der Bedarf ganz offensichtlich ist.
Wir hatten das für diese Legislaturperiode bereits angekündigt, Herr Recker. – Denn die von Ihnen allen gewollte Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur, die von CDU und FDP einseitig vorgenommene Verdichtung des Unterrichts in der Sek. I des Gymnasiums und die Erweiterung der Stundentafel verlangen geradezu nach einem neuen Tagesrhythmus in der Sekundarstufe I.
Zweitens. Der Ganztag kann seine pädagogischen Vorzüge unter den derzeitigen Bedingungen der Hauptschule kaum entfalten. Die Selektionsmechanismen des Schulsystems und der Rückgang der Schülerzahlen führen immer stärker zu homogenen Lerngruppen, in denen sich die Probleme bündeln.
Die Schaffung eines anregenden Lernmilieus und die Möglichkeit zum sozialen Lernen sind allein durch die Ausdehnung des Unterrichts in den Nachmittag hinein hier überhaupt nicht mehr möglich. Vielmehr wird die Isolation noch verstärkt.
Drittens. Schließlich ist der Ausbau des Ganztags unterfinanziert. Durch die Einbeziehung der Hauptschulen in das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ wird das Geld knapp, weil es an zusätzlichen Mitteln fehlt. Die Deckungslücke liegt bei 103 Millionen €. Die Folge ist: Zuteilungen für geplante offene Ganztagsgrundschulen wurden gekürzt. Je später die An
tragstellung erfolgte, desto höher fiel die Reduzierung der zuvor in Aussicht gestellten Fördersumme aus. Einige Kommunen gingen sogar gänzlich leer aus.
Meine Damen und Herren, das Scheitern der schwarz-gelben Landesregierung auch in dieser Frage des Ganztags wird noch an zwei weiteren Punkten deutlich.