Sie stellen private Interessen und den Markt auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt. Das werden Sie mit uns nicht machen können. Das werden wir nicht mitmachen. Wir wissen: Fairer Wettbewerb braucht staatliche Leitplanken. Dieser Erkenntnis sollten Sie sich endlich einmal annähern.
Ich komme zum zweiten Punkt, warum wir das ablehnen. Sie tun so, als ob es die Privatisierung der Lebensmittelkontrolle zum absoluten Nulltarif gäbe. Das ist aber nicht so. Wenn Aufgaben, die bisher der Staat wahrgenommen hat, zukünftig von privaten Labors wahrgenommen werden, muss der Staat das finanzieren. Das ist doch klar.
Sie haben bis jetzt nicht ein einziges Mal nachgewiesen, dass das vorgeschlagene Vorgehen günstiger ist. Aber Sie sind sich sicher, dass Sie privatisieren wollen. Dafür habe ich eine ganz einfache Bezeichnung: Das ist pure Ideologie.
Sie sagen kein einziges Wort dazu, wie diese Trennung zwischen staatlichen und privaten Aufgaben überhaupt funktionieren soll. Haben Sie eigentlich einmal mit dem Verband der Lebensmittelchemiker im öffentlichen Dienst darüber gesprochen, was ihre Aufgaben konkret sind? Wie sollen bei einer Privatisierung Umfang und Tiefe der Analyse überhaupt festgelegt werden?
Wir alle wissen doch: Für jedes Lebensmittel gibt es völlig unterschiedliche Analysen und eine Vielzahl verschiedener Bedarfe. Man braucht eine sehr gute Ausbildung, um überhaupt feststellen zu können, welche Analyse in einer bestimmten Situation für ein bestimmtes Lebensmittel richtig ist.
Ich kann also nur zu einer Schlussfolgerung kommen: Ihr Antrag zeigt einfach nur Unkenntnis über die Abläufe der Lebensmittelkontrolle und der Lebensmitteluntersuchung. Unterhalten Sie sich lieber einmal mit den hervorragend ausgebildeten Lebensmittelkontrolleuren und Lebensmittelchemikern in NRW. Sie leisten täglich eine wirklich gute Arbeit. Fragen Sie sie doch, was sie von diesem Antrag halten.
Mein drittes Argument, warum wir diesen Antrag ablehnen, lautet: Sie verbessern mit diesem Ansatz die Lebensmittelsicherheit nicht. Wir sind uns alle einig – wir haben in vielen Runden über Gammelfleisch diskutiert –, dass wir den Überwachungsdruck in der Lebensmittelbranche erhöhen müssen. Wir brauchen dort einen fairen Wettbewerb. Wir sind überzeugt, dafür staatliche Leitplanken zu brauchen. Wir setzen auf Eigenkon
trolle der Unternehmen. Wir setzen auf ein staatliches Überwachungssystem und auf das Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ergibt ein gutes System. Sie tun so, als seien diese drei Säulen von Ihnen neu erfunden worden. Das ist seit Jahren Praxis in der EU, und das ist seit Jahren das, was hier durchgeführt wird.
Wir brauchen aber einen Überwachungsdruck. Wir wissen das seit dem Gammelfleisch. Denen, die da nicht mit sauberen Karten spielen, die hinten herum schieben und die einfach nur schnell Geld machen wollen, muss klar sein, dass Sie in Nordrhein-Westfalen erwischt werden.
Es ist Ihre Verantwortung als Landesregierung, dafür zu sorgen. Ihr Ministerpräsident, der jetzt leider nicht da ist, hat am 16. September letzten Jahres etwas versprochen, woran ich mich noch sehr genau erinnere. Er hat versprochen, die Anzahl der Lebensmittelkontrolleure von 300 auf 600 zu verdoppeln. Was ist inzwischen passiert? – Es gibt nicht einen einzigen Lebensmittelkontrolleur mehr. Von diesem Versprechen ist nichts übrig geblieben. Stattdessen kündigt hier Minister Uhlenberg an, dass Sie zukünftig Beamte als Hilfskräfte anlernen wollen. Ich sage Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal ganz deutlich: Halten Sie endlich Ihre Versprechen ein, und sorgen Sie dafür, dass es mehr Lebensmittelkontrolleure gibt.
Frau Kollegin Schulze, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass erstens Lebensmittelkontrolleure einer qualifizierten Ausbildung bedürfen, dass das also nicht von jetzt auf sofort zu machen ist, dass die notwendigen Maßnahmen aber eingeleitet sind? Zweitens habe ich eben darauf hingewiesen, dass der Ministerpräsident heute noch einmal betont hat, eine zusätzliche Personalverstärkung in der Lebensmittelkontrolle durchzuführen.
Herr Ellerbrock, das ist eine sehr interessante Frage. Ich bin mir bewusst, dass Lebensmittelkontrolleure eine sehr gute
Ausbildung brauchen. Das sieht man daran, wer heute diesen Job ausübt. Das sind alles Leute entweder mit Fachabitur, einer Meisterausbildung oder zum Teil mit einem Studium, und sie verfügen über eine jahrelange Berufspraxis. Ich halte genau das für den richtigen Weg. Wir brauchen dort hoch spezialisierte und sehr gut ausgebildete Leute. Was Sie aber jetzt machen wollen, bedeutet, Assistenten einzusetzen. Sie wollen doch gar nicht mehr Lebensmittelkontrolleure, sondern Sie setzen Assistenten ein.
In der Anhörung zur Kommunalisierung des Umweltrechts ist uns von den Lebensmittelkontrolleuren noch einmal sehr genau gesagt worden, dass sie das für den falschen Weg halten, dass eine solche Regelung nicht in die richtige Richtung geht und dass das, was Sie da betreiben, nicht den Überwachungsdruck erhöht und die Lebensmittelsicherheit verbessert, sondern das ganze System nur verwässert. So lautete in der Anhörung die Aussage. Diese Kritik müssen Sie sich einfach gefallen lassen.
Mein Petitum lautet also: Wir brauchen hier nicht Assistenten, die angelernt werden, die ganz andere Berufe hatten, sondern wir brauchen echte Lebensmittelkontrolleure, die den Druck in diesem System erhöhen.
(Minister Eckhard Uhlenberg: Warum haben Sie die nicht eingestellt, als Sie in der Regie- rung waren?)
Wir brauchen im System der Lebensmittelüberwachung niemanden, der hier nur Gewinninteressen verfolgt und den Unternehmen neue Aufträge zuschustert, sondern wir brauchen eine solide öffentliche Hand, die mit Fachkompetenz die Kontrollen durchführt und dafür sorgt, dass die Lebensmittelkontrollen wirklich funktionieren. Was Sie dazu vorschlagen, funktioniert in dem Bereich überhaupt nicht.
Zweitens brauchen wir eine deutliche Erhöhung des Überwachungsdrucks. Dazu erinnere ich Sie noch einmal an das Versprechen des Ministerpräsidenten. Er hat nicht von Assistenten gesprochen, sondern von Lebensmittelkontrolleuren, die zusätzlich eingestellt werden sollten.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bitte lassen Sie sich doch nicht von der FDP am Nasenring durch die Arena ziehen, und öffnen Sie nicht nur wieder privaten Interessen einen neuen Markt. Packen Sie endlich die wirklichen Probleme an, unterstützen Sie Ihren Ministerpräsidenten, und stellen Sie mehr Lebensmittelkon
trolleure ein. Vor allen Dingen: Lehnen Sie diesen Antrag eindeutig ab. Das ist keine Verbesserung, sondern das ist eine Verwässerung der Lebensmittelsicherheit. Das können wir uns in NordrheinWestfalen wirklich nicht leisten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulze. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Remmel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie wir gerade in der Debatte wieder erlebt haben und wie wir das schon seit Längerem wissen, ist der Bereich der Lebensmittelkontrolle, der Verbrauchersicherheit und des Verbraucherschutzes insgesamt ein sehr weites Feld. Deshalb muss man ganz präzise darüber diskutieren, was eigentlich Gegenstand des Antrages ist. Meines Erachtens ist interessanter, was nicht in dem Antrag steht. Es wäre interessant gewesen, einmal bekräftigende Aussagen der Koalitionsfraktionen zum Bereich der Lebensmittelkontrolleure und zur Struktur zu bekommen, zu der Frage nach der zukünftigen Organisation, wie man sich etwa mehr Kontrolle vorstellt usw. Dazu steht keine Aussage im Antrag. Ich komme aber gleich noch einmal zu dem, was nicht im Antrag steht, um das noch dezidiert auszuführen.
Was ist der Kern des Antrages? – Das ist ein Sachverhalt, den wir schon sehr oft erlebt haben, wenn es Streit zwischen den Koalitionsfraktionen in der Frage gibt, ob man staatliche Aufgaben privatisieren kann. Dieser Streit kann dann oft nicht direkt gelöst werden. Was macht man dann? – Man verhandelt lange; so ist es offensichtlich auch mit diesem Antrag passiert. Dann kommt dabei ein kruder Antrag heraus, mit dem die Landesregierung irgendeinen Prüfauftrag bekommt. Man muss das aber im Zusammenhang mit Gesetzesinitiativen bzw. politischen Entwicklungen sehen, die an einer anderen Stelle ablaufen. Insofern ist der heutige Antrag nur ein Appendix. Das betrifft das Gesetzgebungsverfahren zur Kommunalisierung der Umweltverwaltung, das wir gerade in der Ausschussberatung behandeln. Es wird also systematisch von dieser Landesregierung und von diesen Regierungsfraktionen staatliche Verwaltung zerschlagen,
noch privatisiert werden kann. Das ist ein immer gleicher Weg, den wir auch heute mit diesem Antrag wieder hier erleben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, von denen ich wohlwollend annehme, dass Sie diesen Weg eigentlich nicht mitgehen wollen, lassen sich dauernd auf diese Leimspur der FDP führen. Die CDU läuft auf der Leimspur der FDP.
Wir haben das bei der Forstreform erlebt. Die Forstreform ist wegen der Haushaltskonsolidierung usw. nötig. Wo sind wir heute gelandet? Der Minister muss auf Drängen der FDP Staatswald verkaufen, privatisieren. Mittlerweile spricht er davon, dass Aufgaben des Forstbereiches zu privatisieren seien. Man macht etwas kaputt. Man schwächt etwas. Zum Schluss bleibt gar nichts anderes übrig, als scheinbar den Vorschlägen der FDP zu folgen.
Das gleiche System haben wir beim Landeswassergesetz. Selbstverständlich. Auch dort wird mit dem Gesetz sozusagen dereguliert und gleichzeitig ein Prüfauftrag hinterhergeschickt, der die Frage beantworten soll, ob man die Abwasserkanäle nicht doch privatisieren könnte. Irgendwann wird es auch ein Prüfergebnis geben. Sie wissen auch, dass Sie an dieser Stelle einen hohen Einfluss auf die Auswahl des Prüfers haben und das Prüfergebnis insofern vorherbestimmen können. Das ist die Substanz dieses Antrags.
Die Landesregierung soll prüfen, inwieweit im Bereich der Lebensmittelkontrolle privatisiert werden kann. Ich frage mich, warum das Prüfergebnis nicht schon vorliegt. Sie werden doch eine Einschätzung dazu haben: Können Sie? Können Sie nicht? – Das ist die übliche Koalitionsschiebetaktik mit dem Ziel, sich irgendwann später zu einigen. Wahrscheinlich wird das wieder zusammen mit irgendwelchen anderen Fragen verhandelt und verquickt. In der Sache quälen Sie uns heute aber erneut mit einem Privatisierungsvorhaben, welches wir grundsätzlich ablehnen.
Das ist die Substanz dieses Antrags. Mit allem anderen, was in den Ziffern formuliert ist, muss man den Landtag nicht befassen. Es ist doch selbstverständlich, dass die Landesregierung ständig mit den Unternehmen darüber im Gespräch ist, wie betriebsinterne Qualifizierungs- und Qualitätssysteme ausgebaut werden können. Selbstverständlich muss es Gespräche über Limits und Kategorien geben. Das brauchen wir doch nicht im Landtag zu beraten und zu beschließen.
Es heißt in dem Antrag: begrüßt die Zusammenführung der staatlichen und kommunalen Untersuchungsämter.
Wenn Sie die nur einmal zusammengeführt hätten! Sie haben die politische Absicht erklärt. Da, wo Sie es gesetzlich regeln könnten, haben Sie eine Sollbestimmung verankert.
Ich warte ab, ob es tatsächlich umgesetzt wird. Zu Ihrer üblichen Kritik, wir hätten es damals umsetzen können: Sie waren an den kommunalen Stellen diejenigen, die verhindert haben, dass es zu einer Zusammenführung kommt.
Es muss auch benannt werden, wer dafür verantwortlich ist. Es ist schon ganz schön schofel, im Nachhinein zu sagen: Jetzt machen wir die große Zusammenführung.
Jetzt komme ich noch zu einigen Punkten, die nicht im Antrag stehen. Ich würde mir wünschen, dass Sie dazu eine klare Aussage träfen.
Wie ist das nun mit den Lebensmittelkontrolleuren? Vor gut einem Jahr haben Sie sukzessive 300 Lebensmittelkontrolleure versprochen. Kein Einziger ist eingestellt. Es werden aber auch gar keine Lebensmittelkontrolleure, sondern Assistenten und Hilfskontrolleure sein. Es werden fachlich nicht gut ausgebildete Kräfte sein, die gar nicht alle amtlichen Aufgaben erfüllen können. Proben ziehen müssen die amtlichen Kontrolleure. Die Assistenten können vielleicht ein paar Getränkedosen kontrollieren, aber keine amtliche Lebensmittelkontrolle durchführen, Proben ziehen und entsprechende Ordnungsgelder verhängen. Das können die nicht machen.
Insofern führen Sie die Öffentlichkeit hinters Licht. Es ist ein Wortbruch: versprochen – gebrochen. Bis heute gibt es keinen einzigen Lebensmittelkontrolleur.