Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Entsprechend breit ist das Spektrum der Probleme, mit denen sich Frau Sokol und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auseinanderzusetzen haben. Ihr Aufgabenspektrum umschließt dabei nicht nur Landes- und kommunale Behörden, sondern auch die freie Wirtschaft und andere Bereiche. Nicht nur die Fußballfans unter uns erinnern sich gerne an die Fußball-WM in Deutschland. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind hier das Akkreditierungsverfahren und das sogenannte Ticketing zu erwähnen.

Der Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht vermeldet aber nicht nur Kritisches, sondern sieht vor allem im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes, also der Öffnung von Behördendaten für interessierte Bürgerinnen und Bürger, deutliche Fortschritte. Allerdings macht die Landesbeauftragte auch deutlich, dass die Herausgabe von Informationen häufig nicht freiwillig erfolgt. Bei der Durchsetzung des Informationsrechtes müssen leider immer noch viel zu häufig die Gerichte bemüht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der technischen Entwicklung ist für meine Fraktion klar, dass die Position der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Zukunft immer wichtiger werden wird. Die Landesregierung hat aber auch an dieser Stelle den Sparstift angesetzt. Kolleginnen und Kollegen, wenn wir wollen, dass das Amt der Landesbeauftragten nicht zu einem Feigenblättchen wird, müssen wir es mit den nötigen finanziellen und personellen Mitteln ausstatten

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

ich bin sofort fertig –, damit die enorm wichtige Aufgabe des Datenschutzes und der Informationsfreiheit auch in Zukunft effektiv und bürgerfreundlich erfüllt werden kann.

Zum Abschluss möchte ich der Landesbeauftragten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

ganz herzlich danken. Legen Sie weiterhin die Finger in die Wunde. Wir brauchen das, um auch entsprechend reagieren zu können. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Arbeit. – Ich bedanke mich auch bei Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen, für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stüttgen. – Als Nächster hat Herr Kollege Engel für die Fraktion der FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Datenschutz ist Ausdruck eines grundgesetzlichen Freiheitsrechts. Das heißt: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Grundrecht. Die Daten gehören dem Bürger, nicht dem Staat.

Diese Grundsätze sollten für staatliches Handeln selbstverständlich sein. Wir müssen aber auch eine kaum zu überbietende Betriebsamkeit bei der Terror- und Kriminalitätsbekämpfung insbesondere im Bund sehen.

Wir müssen wirklich aufpassen, dass der Staat nicht immer mehr in die Privatsphäre des Einzelnen eingreift – zum Beispiel durch die Vernetzung von Geheimdienst- und Polizeiinformationen, durch europaweite DNA- und Fingerabdruckdateien, durch Speicherung aller Verbindungsdaten für Telefon und Computer für ein halbes Jahr – ich habe im Innenausschuss mit dem kurzen Zwischenruf „Einfach grauenhaft!“ schon die Haltung der FDP-Fraktion dazu dargestellt – und durch biometrische Daten in den Reisepässen und bald auch in den Personalausweisen.

Deshalb halten wir es nach wie vor für dringend angezeigt, dass bei jeder Maßnahme der Beweis erbracht werden muss, dass diese Maßnahme sinnvoll und verhältnismäßig ist. Nur dann kann der Eingriff in Grundrechte ausnahmsweise gerechtfertigt sein.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Daten der Bürgerinnen und Bürger müssen aber nicht nur im Verhältnis zum Staat geschützt sein. Die FDP will den Bürger auch vor ungewollter Preisgabe seiner Informationen an andere schützen. Auch hier gilt in etwas abgewandelter Form: Die Daten gehören den Bürgern und nicht den Wirtschaftsunternehmen.

Moderne Geschäftsabläufe mit modernen Medien benötigen häufig die Eingabe und Verarbeitung einer Vielzahl persönlicher Daten. Für die FDP gilt: Sparsamer Umgang mit seinen persönlichen

Daten schützt vor dem gläsernen Kunden. – Der Bürger muss dafür sensibilisiert werden. Wer seine Daten weggibt, gibt auch ein Stück persönliche Freiheit weg. Deswegen ist es gut, dass die Verarbeitung von nicht zur Vertragsabwicklung notwendigen Daten eine gesonderte Einwilligung voraussetzt.

Bei neuen technischen Möglichkeiten, die zum Beispiel RFID-Chips und Google Earth bieten, muss auch die Privatsphäre der Bürger gewahrt bleiben. Der RFID-Chip in Hemd, Mütze, Handschuh, Schuh oder wo auch immer sollte hinter der Ladenkasse deaktivierbar sein. Ein freiwilliges Datenschutz-Audit oder ein DatenschutzGütesiegel lässt dem Kunden die Möglichkeit, den Schutz seiner Daten bei seiner Kaufentscheidung zu berücksichtigen.

Letztendlich ist Datenschutz ein Schutzziel, das in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung festgeschrieben ist. In Art. 4 Abs. 2 unserer Verfassung heißt es:

„Jeder hat Anspruch auf Schutz seiner personenbezogenen Daten. Eingriffe sind nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit auf Grund eines Gesetzes zulässig.“

Um dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung sicherzustellen, bedarf es ständiger Sensibilität und einer permanenten Abwägung zwischen den Schutzbelangen der Allgemeinheit und des Einzelnen. Im Hinblick auf die Ausweitung von datenschutzrechtlich relevanten Sachverhalten und die immer weiter gehende Erfassung der Speicherung von Daten infolge des technischen Fortschritts ist die Frage des Datenschutzes deshalb immer wieder aufs Neue auf den Prüfstand zu stellen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf zwei inhaltliche Punkte eingehen.

Erstens. In Bezug auf die RFID-Chips, die ich bereits erwähnt habe, sind wir der Auffassung, dass es zu einem vernünftigen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen kommen muss.

Zweitens. Auch bei der Vorratsdatenspeicherung, wie sie gerade im Bund zum Beispiel für Handy- und Internetdaten beschlossen wurde, müssen wir aufpassen, dass die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit letztendlich nicht verlorengeht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion bedankt sich bei der Datenschutzbeauftragten Bettina Sokol für diesen Bericht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Düker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte, Frau Kollegin Düker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst etwas zum Verfahren sagen. Herr Engel, Sie haben kein einziges Wort dazu gesagt, warum Frau Sokol hier nicht mehr anwesend ist. Sie haben mir, offenbar von Ihrer Fraktionsspitze nicht autorisiert, signalisiert – darauf habe ich mich verlassen –, dass dieser Tagesordnungspunkt vertagt wird, und zwar in den Dezember. Auf diese Aussage von Ihnen habe ich mich verlassen. Sie waren von den Geschäftsführern nicht autorisiert. Auf Grundlage dieser Information habe ich die Information an Frau Sokol weitergegeben, dass dieser Tagesordnungspunkt vertagt wird. Ich habe mich schlicht auf Ihre Worte verlassen. Normalerweise ist die Datenschutzbeauftragte richtigerweise bei solch einer Debatte anwesend. Aufgrund dieser Falschinformation ist sie es heute nicht. Ich bedaure das sehr. Ich finde das auch keinen besonders guten Stil, den Sie hier im Umgang mit dem Parlament pflegen. Das muss ich sehr deutlich zum Verfahren sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Thema: Die Bedeutung eines starken Datenschutzes steigt aus unserer Sicht angesichts einer Sicherheitsdebatte, in der es offenbar keine rechtspolitischen Grenzen mehr zu geben scheint. Trotz der Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht mehrfach in letzter Zeit den Sicherheitspolitikern aufgezeigt hat, entsteht eine ganz neue Qualität in der Debatte über die Antworten insbesondere auf die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Offen fordert Bundesinnenminister Schäuble, dass man das Verhältnis von Polizeirecht und Strafrecht umkehren müsse. Der Staat muss mehr agieren statt reagieren.

Das bedeutet, dass die Mittel der Strafverfolgung auch im Vorfeld einer Tat bei der Gefahrenabwehr angewandt werden sollen, um mehr den Gefährdern im Vorfeld auf die Spur zu kommen. Dabei sollen dem Gefährder möglichst weniger Rechte zugestanden werden als dem Beschuldigten. Zu Ende gedacht heißt das, Herr Preuß, auch wenn Sie es anders darstellen, dass der Staat seine Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellt und ihn oder sie zu seiner oder ihrer angeblich eigenen Sicherheit überwacht. Ein Beispiel ist

die Vorratsdatenspeicherung, wo dieses Prinzip umgekehrt wird, wo eben im Vorfeld gespeichert wird, ohne dass ein Verdacht vorliegt. Wir häufen damit einen ungeahnten Datenberg an, der sozusagen abrufbar ist, falls irgendetwas passiert, und zwar weit im Vorfeld, wenn es noch keinen Verdacht gibt.

Der Präventionsstaat, der hier mit solchen Maßnahmen entsteht, steht aus unserer Sicht den Funktionsprinzipien des Rechtsstaates diametral entgegen. Datenschutz und informationelles Selbstbestimmungsrecht bleiben auf der Strecke. Es werden offen fundamentale Grundsätze unseres Rechtsstaates infrage gestellt.

Gerade Bundesinnenminister Schäuble tut sich immer wieder sehr damit hervor, dass er lästige Korrekturen des Bundesverfassungsgerichts dazu nutzt, ein neues Kriegsrecht anstelle des Friedensrechtes zu fordern und zu sagen, wir müssen die Definition und die Beschreibung einer ganz neuen Art der Bedrohung einführen, mit der man äußere und innere Sicherheit nicht mehr trennen kann. Dies stellt die Grundlagen unseres Rechts- und Verfassungsstaates infrage. Dieses Infragestellen wird inzwischen offen geäußert. Dazu kommentiert aus meiner Sicht der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 9. Juli 2007 zu Recht:

„Der Rechtsstaat ist dabei, sich aus Angst vor dem Tod selbst umzubringen.“

Genau das trifft den Punkt. Ich meine, wenn wir nicht mit den Mitteln des Rechtsstaates die Terroristen bekämpfen, sondern mit dem Abbau des Rechtsstaates, dann haben wir als Demokraten verloren.

Wir setzen dagegen: Demokratie lebt durch und mit mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die sich ihrer Bürger- und Freiheitsrechte bewusst sind und sich darauf verlassen, dass der Staat sie unbehelligt ihre Rechte ausüben lässt. Er gibt der mündigen Bürgergesellschaft einen Rahmen, in dem sie sich frei entfalten können. Bürgerinnen und Bürger, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen müssen, verändern ihr Verhalten und lassen sich letztendlich von der Ausübung ihrer Freiheitsrechte abschrecken. Das beste Beispiel ist eben die Videoüberwachung.

Der demokratische Staat ist immer auch ein Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern keine umfassende Sicherheit gewährleisten kann. Er kann und darf seine Bürgerinnen und Bürgern nicht präventiv zu seinen Feinden machen, auch wenn es einige von ihnen irgendwann einmal werden können.

(Beifall von den GRÜNEN)

An diese Grundsätze müssen wir leider immer häufiger erinnern. Ich bin froh, dass wir mit der Datenschutzbeauftragten in diesem Land jemanden haben, die uns an diese Grundsätze immer wieder erinnert. Dafür möchte ich für meine Fraktion meinen Dank an die Datenschutzbeauftragte und an ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, dass sie bezüglich der rechtsstaatlichen Grundsätze und der Bürgerrechte immer wieder den Finger in die Wunde legt und die Sicherheitspolitik immer wieder daran erinnert, dass es hier um Verhältnismäßigkeit geht, dass die Bürgerrechte eben nicht unter die Räder kommen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ein Satz zum Innenminister des größten Bundeslandes: Als Vertreter einer Partei, die sich selbst als angeblich bürgerrechtsorientiert bezeichnet, sind Sie es, der beim Abbau von Bürgerrechten in Bezug auf die Online-Überwachung vorgeprescht sind.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Es war die Datenschutzbeauftragte, die Ihnen hier im Landtag bei der Anhörung gesagt hat, dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Alle Warnungen haben Sie in den Wind geschlagen.

Frau Kollegin Düker, Ihre Redezeit ist beendet.

Sie haben die Datenschutzbeauftragte und andere Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler ignoriert. Das Bundesverfassungsgericht wird Sie zurückpfeifen müssen. Das finde ich für eine liberale Innenpolitik höchst bedenklich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Ich weise die Kollegen darauf hin, dass mein Husten auch erkältungsbedingt ist. Aber wenn ich mehrfach an gleicher Stelle huste und das Zeichen auftaucht, dass die Redezeit zu Ende ist, dann hat das seinen Grund.

Als Nächster hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht der Landesdatenschutzbeauftragten und die Stellungnahme der Landesregierung befassen

sich mit den aktuellen Entwicklungen auf den Gebieten Medien und Technik sowie den datenschutzrechtlichen Risiken, die diese Entwicklungen mit sich bringen.

Gerade in Zeiten des Austausches riesiger Datenmengen und der Bearbeitung der Sicherheitsgesetze ist sich die Landesregierung der großen Bedeutung des Datenschutzes bewusst. Lassen Sie mich hier beispielhaft auf den Austausch von Fluggastdaten hinweisen. Der Austausch der Daten zwischen Europa und den USA geht weit über die europäische Datenschutzrichtlinie hinaus. Dies haben wir im Bundesrat auch deutlich gemacht.