Versorgungsverwaltung: Dort ist Ihnen nachgewiesen worden, dass Ihre Lösung teurer ist, abgesehen davon, dass es für diejenigen, die mit der Versorgungsverwaltung zu tun haben, sehr viel beschwerlicher wird. Das, was dort passiert, ist ein Skandal.
Zur Halbzeitbilanz dürfen wir noch festhalten, dass es Ihnen offensichtlich in solchen Fällen auch nicht gelingt, das Konnexitätsprinzip, das wir hier einmal alle gemeinsam verabredet haben, wirklich durchzuhalten. Ich bin sehr gespannt, wie Sie da mit den Kommunen weiter klarkommen.
Umweltverwaltung: Es gab eine ungewöhnlich breite Übereinstimmung von den Umweltverbänden bis zur chemischen Industrie: Finger weg von der hoch spezialisierten, offensichtlich auch hoch geschätzten Umweltverwaltung! Kommunalisierung wurde hier von allen Experten übereinstimmend abgelehnt.
Aber Sie wollen das nicht wahrhaben. Mich erinnert das an einen alten Spruch: Wenn meine politischen Wunschvorstellungen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen, umso schlimmer für die Wirklichkeit.
Am vergangenen Donnerstag war der dritte Akt „Verwaltungsreform“ angesagt. Nein, der wurde nicht mehr aufgeführt, der wurde abgesetzt. Dabei sollte das eine Reform sein, bei der kein Stein auf dem anderen bleibt. Kommunal- und Staatsverwaltung sollten miteinander vermischt werden. Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen sollten zerschlagen werden, und die Bezirksregierungen sollten zusammengelegt werden. Das war nicht irgendein beliebiges Vorhaben der schwarzgelben Regierung, nein, das war das zentrale Reformprojekt im Bereich der Verwaltungsstrukturreform. Zu allem Überfluss war es angeblich auch noch die Lösung für die Probleme mit der kommunalen Zusammenarbeit im Ruhrgebiet.
Haben Sie eigentlich schon mit Herrn Lammert telefoniert, wie es da jetzt weitergeht? Das würde mich doch interessieren. Heute haben Sie zu dem Thema nichts gesagt, Herr Ministerpräsident. Offensichtlich steht das nicht mehr auf der Agenda.
Ich gehe davon aus, das liegt daran, dass Sie offenbar in Ihrer Koalition zu gemeinsamen Lösungsansätzen immer weniger in der Lage sind, auch wegen massiver Widerstände in den eigenen Reihen:
Verwaltungsstrukturreform; KiBiz – Herr Lindner forderte eine Generalrevision –; Betreuungsgeld – Herr Stahl scherte aus –; Herr Papke beklagt den präsidialen Stil des Ministerpräsidenten;
die Erklärung von sechs CDU-Abgeordneten zur Verabschiedung des Landespersonalvertretungsgesetzes; auch bei der WestLB will die FDP erkennbar etwas anderes als Sie.
Ihr Stellvertreter, Herr Minister Pinkwart, löst Ihren Konsens in der Schulpolitik auf. Man gewinnt übrigens den Eindruck, er hat Ihnen bewusst die Show gestohlen, ohne Sie vorab zu informieren. Harmonie geht anders.
Es fällt Ihnen erkennbar immer schwerer, die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Herr Minister Pinkwart hat nach den katastrophalen Umfragewerten im Bereich Bildung die Reißleine gezogen.
Herr Minister Pinkwart, Sie sind wie viele CDUregierte Kommunen und wie viele Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, Sie haben das ernst gemeint, den ergebnisoffenen Prozess, beschränkt auf Ihre Partei, demnächst angehen zu wollen. Denn wenn Sie ergebnisoffen, wie wir es anderthalb Jahre lang getan haben, mit Expertinnen und Experten, mit Betroffenen reden, landen Sie beim längeren gemeinsamen Lernen. Das haben Sie angedeutet. Aber wichtig ist: Länger gemeinsam lernen, das muss für alle gelten. Das wird am Ende Ihres Prozesses stehen, und dann werden Sie auch bei der Gemeinschaftsschule landen. Das sage ich Ihnen voraus, Herr Minister Pinkwart.
Eines finde ich bei dieser Geschichte ganz besonders interessant: Durch diese Verfahrensweise des stellvertretenden Ministerpräsidenten wurde Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die Rolle der bildungspolitischen Dinosaurier zugewiesen –
und die sind bekanntlich irgendwann ausgestorben. Wie gehen Sie damit um, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU? Das würde uns schon interessieren.
Meine Damen und Herren, auch für uns ist Halbzeit. Wir sind auf klarem Kurs. Neben Attacke, die hier dringend notwendig war, haben wir die Zeit genutzt, unsere Positionen zu erarbeiten, zu transportieren und umzusetzen. Wir haben eine klare Strategie. Wir sind auch gut im Zeitplan.
Bei Arbeit und Ausbildung haben wir vieles auf den Weg gebracht: Mindestlohn, sozialen Arbeitsmarkt, neue Initiativen für mehr Ausbildungsplätze, das Gesamtsystem „Gute Arbeit“ und beste Bildung für alle. Wir sind die einzige der hier versammelten Fraktionen, die auf ein Konzept
verweisen kann, das allumfassend ist – von der frühkindlichen Förderung über die Weiterbildung bis zur Seniorenbildung.
Allerdings sind wir noch mitten in der Arbeit. Wir haben ja erst die Hälfte der Legislaturperiode hinter uns. Wir arbeiten an weiteren konkreten Ansätzen, um NRW zu einem noch stärkeren, noch lebenswerteren Land zu machen, in dem wirtschaftliche und ökologische Ziele mit dem Innovationspotenzial und der Kraft, die dieses Land hat, sinnvoll verknüpft werden.
Daran arbeiten wir. Da werden wir in den nächsten Monaten mit Vorschlägen kommen. Überall dort, wo wir konkret geworden sind, werden Sie ja in den Umfragen schlechter. Das werden wir auch in den Bereichen Wirtschaft, Innovation und Ökologie liefern. Darauf können Sie sich verlassen, Herr Ministerpräsident.
Nur damit Sie wissen, was Sie noch erwartet: Auch beim Thema „sozialer Zusammenhalt“ werden wir unsere Vorstellungen rechtzeitig weiter konkretisieren – noch vor den Wahlen 2009 und 2010.
Meine Damen und Herren, wir sind in einem Etappenlauf. Es ist Halbzeit. Da gibt es keine Siegerpodeste.
(Hendrik Wüst [CDU]: Sie sind schon de- klassiert! – Gegenruf von der SPD: Nicht so wüst, Herr Wüst!)
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Er muss im Pro- tokoll auftauchen; das ist sein Problem! – Gi- sela Walsken [SPD]: Wüstchen!)
Herr Ministerpräsident, Halbzeit! Das, was wir heute hier gehört haben, zeigt mir deutlich: Nach der Halbzeit wollen Sie auf Halten spielen. Das hat Ihre Regierungserklärung gezeigt.
Sich aus Angst vor Fehlpässen hinten reinstellen und mauern, um den hauchdünnen Vorsprung zu verteidigen – das mögen die Menschen in diesem Land nicht. Dann wird man ausgepfiffen. Ich sage es Ihnen vorher: Mit dieser Taktik steigt man ab, Herr Ministerpräsident.
Seien Sie versichert: Wir spielen weiter offensiv. Wir wollen gewinnen. Und wir werden gewinnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kraft. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt ihr Vorsitzender, der Abgeordnete Helmut Stahl, das Wort.
(Marc Jan Eumann [SPD]: Stahl allein zu Haus! Wo sind die anderen? Das ist doch peinlich! – Weiterer Zuruf von der SPD: Herr Henke, haben Sie schon telefoniert?)
(Markus Töns [SPD]: Herr Stahl, lassen Sie doch Herrn Henke noch ein bisschen reden! – Weitere Zurufe von der SPD)
Das ist aber kein Grund, ununterbrochen dazwischenzurufen. Man sieht doch, wie die Reihen hier besetzt sind.