Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Das bedingt zum einen, die Zusammenarbeit von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verbinden, wie es in Aachen geschehen ist. Zum anderen ist die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft entscheidend. Das RWI bezeichnet den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen daher zu Recht als Kardinalfrage in der Innovationspolitik.

Mit ihrer Innovationsallianz hat die Landesregierung genau hier angesetzt. Das begrüßen wir. Es werden nicht nur gezielt Kontakte zwischen Unternehmen und Wissenschaftlern vermittelt, sondern auch Beratungen für den Aufbau privatrechtlicher Transfergesellschaften geleistet.

Im Übrigen bringt das Hochschulfreiheitsgesetz nicht nur neuen Schwung in die Hochschulen. Es stärkt auch die Kooperationsmöglichkeiten der Unternehmen mit Hochschulen und Fachhochschulen.

Es wäre gewiss notwendig, auch die Freiheit der Forscher in außeruniversitären Einrichtungen und in forschenden Unternehmen zu vergrößern. Deshalb begrüßen wir als FDP-Fraktion die Initiative des Innovationsministers, über die Liberalisierung solcher fesselnden Regelungen für Forscher nachzudenken.

(Beifall von der FDP)

Viertens. Ein wichtiges Innovationsmerkmal ist der Anteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wir messen das am Bruttoinlandsprodukt. Wir bekennen uns zum Lissabon-Ziel von 3 %.

(Karl Schultheis [SPD]: Noch immer bei 1,8 %!)

Rot-Grün hatte uns dagegen gerade eine Quote von 1,8 % hinterlassen. Wir haben uns somit ein ehrgeiziges Ziel vorgenommen.

Die Landesregierung hat sich deshalb darauf verständigt, mindestens die Hälfte aller verfügbaren EFRE-Mittel im Rahmen des neuen Ziel-2-Programms in das Zukunftsfeld Innovation zu investieren. Das begrüßen wir.

Gestärkt werden die Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Übrigen auch durch den Innovationsfonds. Diesen wollen die Grünen übrigens um 32 Millionen € verringern. Das zeigt, dass die Grünen nicht in der Lage sind, überhaupt zu erkennen, was zukunftsorientierte Investitionen sind. Frau Seidl wird dazu gleich noch das Wort ergreifen.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Investition in Köp- fe!)

Neben dem staatlichen Engagement müssen wir verstärkt auch private Investitionen im Forschungs- und Entwicklungsbereich stimulieren, wie E.ON das in Aachen auf dem Feld der Energieforschung beispielhaft vorgemacht hat. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob möglicherweise steuerliche Rahmenbedingungen zu verändern sind, um zu mehr FuE-Engagement der Privaten zu kommen.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen ist in der Innovationspolitik auf dem richtigen Weg. Innovationspolitik umfasst den Bildungsbereich, den Bereich der vorschulischen und schulischen Bildung: schlaue Kinder mithin. – Innovationspolitik umfasst exzellente Forschung, wie sie innerhalb und außerhalb der Hochschulen geleistet wird.

Innovationsland Nummer eins zu werden bedeutet, mit diesen Vorarbeiten eine starke Wirtschaft in unserem Land weiter zu sichern. Schlaue Kinder, exzellente Forschung und eine starke Wirtschaft gehören zusammen. Zusammen machen sie das Innovationsland Nummer eins aus. Das ist das Ziel der FDP-Fraktion und der Koalition für das Jahr 2015. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Lindner. – Für die SPD-Fraktion erhält Herr Kollege Schultheis das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lindner, ich mag ja eigentlich Ihre Leidenschaft, mit der Sie sonst hier reden, war aber gerade bei Ihrer Rede etwas an die gestrige Zwischenbilanz unseres Ministerpräsidenten erinnert, die ja heute entsprechend kommentiert worden ist.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde das schade, weil ich diesen Drive in unserer Auseinandersetzung auch sehr mag. Der fehlte heute ein Stück.

(Christian Lindner [FDP]: Sie müssen vorher sprechen, dann habe ich den entsprechen- den Drive!)

Ja, ich finde es auch schöner, wenn man auf jemanden reagieren, antworten kann. Das ist viel lebendiger.

Zu Herrn Dr. Brinkmeier: Das Plakat an der Einfahrt zum Landtag war einfach der Anreiz. Das ist auch meine Persönlichkeit, dass ich schon einmal ins Risiko gehe.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Oh!)

Ich habe mich ja auch entschuldigt. Und es ist Teil der Erinnerungskultur, die ansonsten hier oft verloren geht.

Meine Damen und Herren, in der Tat wurde in der vergangenen Woche angekündigt, dass 2008 in Jülich der Supercomputer JUGENE ans Netz gehen soll, der mit einer Leistung von 167 Teraflop/Sekunde der weltweit schnellste zivile Rechner ist. Das ist die Ursache dafür, dass wir heute diese Aktuelle Stunde durchführen.

Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns alle, Herr Lindner, Herr Brinkmeier, einig: Es ist Klasse, dass sich das Forschungszentrum Jülich auf diesem Feld erneut in der Weltspitze behaupten kann. Natürlich verleiht das auch NordrheinWestfalen einen besonderen Glanz. Das ist aber nichts Neues und ist in den vielen Jahren vor Ihrer Regierungsübernahme so gewesen.

(Beifall von der SPD)

Ich frage mich aber, warum wir über dieses Thema nun in einer Aktuellen Stunde debattieren müssen. Das mache ich gerne, aber warum? Besteht denn irgendwie noch Klärungsbedarf innerhalb der Koalition zu diesem Thema? Dann sagen Sie das. Aber eine Aktuelle Stunde? – Ja, gut; wir ziehen das durch.

Als ob es nicht andere Probleme im Bereich von Wissenschaft und Forschung gäbe, die wir der selbst ernannten Koalition der Erneuerung zu verdanken haben! Darüber wäre viel zu diskutieren; das haben wir heute Morgen erst wieder gemerkt.

Wahrscheinlich wollte die schwarz-gelbe Regierungskoalition mal wieder ihr Image aufpolieren, wie sie es so gerne tut, und sich wieder einmal mit fremden Federn schmücken. Dafür haben wir gestern ein Paradebeispiel nach dem anderen hier erlebt. Das ist auch durchaus nachvollziehbar, wenn man die Halbzeitbilanz von Minister Pinkwart, vorgetragen am gestrigen Tag, betrachtet.

Da sind viele gute Dinge, die aber auf andere zurückgehen. Von Ihnen wurde bisher kaum ein eigenes Projekt vorgelegt. Alle von Ihnen öffentlich gefeierte Wissenschafts- und Transferprojekte waren bereits durch die Vorgängerregierung initiiert.

Nun zitiere ich mit Genehmigung des Präsidenten eine Werbeaussage der Firma Ricola, die dann immer sagt: „Und wer hat’s erfunden?“ –

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

Nach dem Motto diskutieren wir hier. Das tun wir auch, aber ich weiß nicht, ob wir dazu das Instrument der Aktuellen Stunde hätten strapazieren müssen.

Das sieht man auch wieder bei dem aktuellen Thema Supercomputer; denn schon 2004 und 2006 wurden in Jülich die Vorgänger von „JUGENE“, „JUMP“ und „JUBL“ – das passt zu der Veranstaltung gestern! – eingeweiht, und auch diese waren damals die schnellsten Rechner Europas. Dass sich das Forschungszentrum Jülich mit „JUGENE“ an der Weltspitze behauptet, ist also nichts Neues. Jülich ist unter den SPD-geführten Regierungen nicht nur in diesem Feld aufgestiegen, sondern seitdem immer wieder eine Spitzeneinrichtung gewesen. Ich sehe, dass das auch weiter so ist, und das ist auch gut so.

Trotz aller Freude muss man sich allerdings zwei Dinge vor Augen halten. Solche Prestigeprojekte können nur dann für unser Land weiterhin erfolgreich bleiben, wenn auch die Forscherinnen und Forscher gefördert werden, die einen solchen Supercomputer nutzen können. Und was die Forscherinnen und Forscher angeht, haben wir große Zweifel, dass diese Landesregierung das leistet, was sie selbst großspurig in den Mund nimmt.

Meine Damen und Herren, Kontinuität ist wichtig. Heute ist „JUGENE“ noch der zweitschnellste Rechner seiner Zeit und der schnellste Europas.

Diesen Titel wird er sicher bald schon wieder abgeben. Anhand der Supercomputer sowohl in Jülich als auch weltweit zeigt sich nämlich, wie rasant der technische Fortschritt ist. Vor zehn Jahren betrug die Rechenleistung des schnellsten Computers der Welt 1,38 Teraflop/Sekunde. In diesem Jahr sind es 280 Teraflop/Sekunde. Für 2011 streben die Vereinigten Staaten eine Rechnerleistung von 1000 Teraflop/Sekunde und Japan sogar von 10.000 Teraflop/Sekunde an. Sie sehen: Das ist eine rasante Geschwindigkeit, die uns immer wieder zwingt, neues Geld einzusetzen.

Herr Pinkwart, Sie dürfen sich nicht auf unseren Leistungen ausruhen. Da müssen Sie schon noch mehr und auch eigenes auf die Matte bringen, um hier unser Land erfolgreich nach vorne zu bringen.

(Beifall von der SPD)

Wir und die vielen Forscherinnen und Forscher, mit denen wir sprechen, warten immer noch ungeduldig auf ihre Innovationskonzepte. Diese Regierung hat 2005 angekündigt, Nordrhein-Westfalen bis 2015 zum Innovationsland Nummer eins machen zu wollen. Bis zum Jahr 2010 will Minister Pinkwart die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts steigern; das war eben schon das Thema. Bis jetzt betragen sie lediglich 1,8 %. Das war genau die Marge, die Sie kritisiert haben, als Sie die Regierung übernommen haben. In diesen fast zweieinhalb Jahren ist in diesem Feld nichts passiert. Wo bleiben die Aktivitäten?

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Ein Plakat an der Einfahrt zum Landtag reicht da allein nicht aus. Da müssen auch Taten folgen.

Leider ist festzustellen, dass Wissenschaftspolitik nur in Worten, aber ansonsten kein besonderer Schwerpunkt dieser Landesregierung ist. In Wirklichkeit haben das Handeln und die Gesetzgebung des Landes dazu geführt, dass die Einflussmöglichkeiten des Landes auf das Niveau reiner Willensbekundungen reduziert wurden. Mittlerweile sind zwei Drittel der Forschungsinvestitionen des Landes fremdbestimmt, also nicht von strategischen Entscheidungen getragen, die wir hier im Landtag und in Nordrhein-Westfalen selbst treffen.

So ist auch der Innovationsfonds aus Privaterlösen – Herr Lindner, Sie sprachen es gerade an – weder ein Fonds noch innovativ.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist vielmehr ein Sammelsurium an einmaligen Kofinanzierungen europäischer Projekte. Lesen Sie die Haushaltsvermerke! Dann werden Sie sehen, dass das eine Ansammlung all dessen ist, was möglich sein könnte. Ich habe das schon einmal als „Anything-goes-Politik“ bezeichnet. Dieser Marketingname „Fonds“ ist reiner Etikettenschwindel. Zudem ist die im Innovationsfonds aus Privaterlösen anvisierte jährliche Summe von 40 Millionen € angesichts zusätzlicher Milliardeninvestitionen anderer Bundesländer – zum Beispiel Baden-Württemberg, das gestern hier erwähnt wurde, Hessen oder Sachsen-Anhalt mit 20 Millionen € – wirklich am unteren Rande dessen, was sich ein so großes Land leisten sollte. Wir müssen hier stärker einsteigen.

Herr Pinkwart, Sie sind gefordert, Wissenschaft und Forschung stärker zu fördern, und zwar kontinuierlich. Ich sage es noch einmal: Ordnungspolitik allein, Herr Brinkmeier und Herr Lindner, reicht nicht aus. Ohne Ordnungspolitik – klar – geht es auch nicht, aber allein reicht das nicht. Sie müssen Geld in die Hand nehmen und in die richtigen Projekte stecken. Dann werden wir Sie an Ihrer Glaubwürdigkeit in diesem Feld messen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält der Abgeordnete Ewald Groth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Der weltweit schnellste zivile Rechner steht in Jülich. Das ist sicherlich eine gute Nachricht. Aber ist das ernsthaft ein Anlass dafür, sich das so feiern zu lassen, Herr Ministerpräsident? Herr Pinkwart, muss man das hier so feiern?