Protokoll der Sitzung vom 05.12.2007

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Im Haus- haltsausschuss haben auch Ihre Leute da- gegen gestimmt!)

Denn ein gemeinsames Signal aller vier Fraktionen an die muslimischen Verbände hätte als Zeichen dafür gewertet werden können, dass wir trotz unterschiedlicher Überzeugungen bereit sind, dasselbe zu tun, was wir von den Muslimen erwarten, nämlich sich im Sinne der Sache auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu verständigen. Noch ist nicht aller Tage Abend. Der Haushalt ist noch nicht endgültig verabschiedet. Vielleicht will die Sozialdemokratie ihre Position in diesem Feld noch einmal überdenken. Der Sache würde es jedenfalls dienen.

Überdies wollen wir nicht nur die muslimischen, sondern auch die Migrantenselbstorganisationen insgesamt stärken, ihre Position als Partner des Staates verbessern und zum Beispiel das in Elternvereinen und -verbänden zum Ausdruck kommende bürgerschaftliche Engagement wertschätzen. Das ist Teil des Aktionsplanes Integration, der ja zu Recht bundesweit gelobt wird. Dies spiegelt sich im Haushalt durch eine nochmalige Mittelerhöhung um 200.000 € wider.

Viertens. Wir integrieren die auf spezifische Bedürfnisse von Migranten zugeschnittenen Angebote im Regelsystem. Wir wollen keine parallelen Strukturen für Einheimische und Zugewanderte, sondern die bewährten Strukturen mit ihrer Fachlichkeit so ausrichten, dass sie sich an alle in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen wenden können. Deshalb werden etwa die Migrationsfachdienste zu Integrationsagenturen weiterentwickelt. Deshalb öffnen sich Familienzentren auch für die Belange von Familien mit Zuwanderungsgeschichte.

Den Vorschlag der Grünen, eine weitere RAA in Paderborn zu schaffen und damit die Trennung zwischen den Anlaufstellen für Zuwanderer und denen für Einheimische erneut zu betonen und zu verstärken, halten wir vor diesem Hintergrund für kontraproduktiv.

Fünftens: das Politikfeld internationale Zusammenarbeit oder, wie es früher genannt worden ist,

Eine-Welt-Politik. Ich kann mich noch an den Aufschrei der Opposition erinnern, als wir das sogenannte Promotoren-Programm im Jahr 2005 neu ausgerichtet haben. Heute zeigt sich, dass die strategischen Entscheidungen richtig waren und dass die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit bei den regionalen Koordinatoren ausgezeichnet aufgehoben ist. Sozialdemokraten und Grüne sehen das unterdessen offenbar genauso; denn sie haben in diesem Bereich ja keinen Änderungsbedarf angemeldet.

Die internationale Zusammenarbeit ist in ihrer Weiterentwicklung allerdings nicht nur auf die Koordinatoren beschränkt. Ich will abschließend darauf hinweisen, dass Nordrhein-Westfalen endlich eine Landespartnerschaft mit einem Schwellenland bzw. Entwicklungsland, nämlich mit Ghana, eingegangen ist.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Ich glaube, die Zusammenarbeit von NordrheinWestfalen und Ghana ist vorbildlich und bietet unendlich viele Potenziale, zivilgesellschaftliche Akteure und Initiativen der Landesregierung zu vernetzen und durch die kritische Masse auch eine zusätzliche Wirkung zu entfalten.

Deshalb handelt es sich um einen guten Haushalt, auch auf dem Feld Integration und Entwicklungszusammenarbeit. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Asch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Migrations- und Integrationspolitik ist eine Thematik, bei der ich Herrn Minister Laschet zunächst einmal Lob zollen will.

(Demonstrativer Beifall von Michael Solf [CDU] – Manfred Kuhmichel [CDU]: Oh!)

Ja, wir verstehen durchaus zu differenzieren, lieber Kollege Solf. In der Tat setzt der Minister in diesem Bereich wichtige politische Signale in die Gesellschaft hinein. Er hat das Potenzial von Migrantinnen und Migranten und die herausragende Bedeutung einer gelingenden Integration für die Zukunft unserer Gesellschaft erkannt. Es wird Sie bei diesem Lob nicht verwundern: Seine Positionen sind zum allergrößten Teil mit denen der grünen Landtagsfraktion identisch.

Herr Minister Laschet, ich möchte auch noch einmal ganz ausdrücklich Ihr Engagement loben, das Sie in meiner Heimatstadt Köln bei der sehr schwierigen Diskussion um den Bau der Kölner Moschee geleistet haben. Da haben Sie in der CDU-Stadtratsfraktion ja in keiner leichten Diskussion gestanden. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie sich dort eingemischt haben.

Wir würden uns allerdings wünschen, dass diese richtige Richtung Ihrer Politik im Landeshaushalt – und zwar genau hier im Kapitel Integration Zugewanderter – auch mehr Niederschlag fände.

Durch den Rückgang der Neuzuwanderung aus Osteuropa hat dieser Abschnitt des Haushaltes über die Jahre gesehen prozentual wahrscheinlich den größten Konsolidierungsbeitrag für den Landeshaushalt geleistet. Vor zehn Jahren standen 75 Millionen € für Leistungen nach dem Landesaufnahmegesetz zur Verfügung. Ihre Amtsvorgängerin hat 2005 noch 10 Millionen € für freiwillige Leistungen im Kabinett durchsetzen können. Heute stehen gerade einmal 4 Millionen € in diesem Haushalt.

Ein Teil dieses Betrages wurde als eine Ihrer ersten Amtshandlungen gekürzt. Heute bezahlen Sie aus dem verbleibenden Rest die Integrationsagenturen und das Programm KOMM-IN NRW. Sie sind sicher genauso froh wie wir über diese wichtigen Maßnahmen. Dennoch: Auf einen solchen Coup, wie ihn damals Birgit Fischer vollbracht hat, warten wir bei Herrn Laschet noch. Er ist zur Umsetzung des Aktionsplans Integration zwingend notwendig. Dazu sind allerdings natürlich auch die Fraktionen gefordert.

Zwei Anmerkungen an die Fraktionen: Herr Solf, es ist schon erstaunlich, welche Parallelen unsere Haushaltsanträge aufweisen. Für die Integrationsförderung haben wir einen Haushaltsantrag in identischer Höhe, nämlich von 200.000 € gestellt. Auch bei der Zweckbestimmung der Mittel gibt es eine Parallele. Mit einem Betrag von 50.000 € wollen Sie den Dialog mit Muslimen unterstützen. Genau diesen Antrag haben wir beim letzten Haushalt gestellt – allerdings in Bezug auf Mittel für die Staatskanzlei.

Diese Haushaltsposition möchte ich an dieser Stelle noch einmal besonders hervorheben. Nordrhein-Westfalen ist wieder einmal das erste Bundesland, das für den Dialog mit Muslimen einen Betrag zur Verfügung stellt. Das bestätigt die Vorreiterrolle, die wir in diesem Feld schon immer hatten und hoffentlich auch weiter behalten werden. Deswegen hat Minister Laschet auch recht, wenn er bei der Debatte um das Grundsatzpro

gramm der CDU sagt, dass wir hier in NordrheinWestfalen schon sehr viel weiter sind.

Herr Solf und Herr Lindner, unser beinahe identischer Antrag wurde von Ihnen aber mit der Begründung abgelehnt, wir hätten keinen Deckungsvorschlag im Einzelplan 15 erbracht. Einen solchen Deckungsvorschlag haben Sie natürlich auch nicht erbracht. Ich vermisse ihn auch nicht; denn ich will mir nicht ausmalen, was Sie vielleicht gekürzt hätten, um Ihre – grundsätzlich sinnvollen – Haushaltsanträge zu refinanzieren. Vielleicht können wir uns allerdings darauf einigen, dass man sich zukünftig nicht für ein Verhalten kritisiert, das man anschließend selber praktiziert.

Sehr viel dunkler sieht es in der Eine-Welt-Politik aus – trotz all der schönen Worte über neue Projekte und Partnerschaften wie der Partnerschaft mit Ghana. Herr Lindner, im Übrigen muss ich Sie darüber aufklären, dass es sich dabei nicht um die erste Partnerschaft von Nordrhein-Westfalen handelt. Wir haben bereits eine Partnerschaft mit der südafrikanischen Provinz Mpumalanga.

(Christian Lindner [FDP]: Das weiß ich! Aber Sie können das doch nicht mit dem verglei- chen, was jetzt mit Ghana passiert!)

Bei all diesen schönen Projekten – auch den Beiträgen Nordrhein-Westfalens zur Erreichung der Milleniumsziele – haben der Minister und die CDU-Fraktion das Wort. Wenn es aber um den Haushalt geht, wenn es um das Eingemachte geht, wenn es um Ressourcen geht, hat plötzlich die FDP die Hosen an. Ich erkenne auch hier durchaus Ihr Engagement, Herr Minister. Und Herr Bollenbach, Sie setzen einige gute Impulse. Fürs Trockenschwimmen gibt es aber höchstens gute Haltungsnoten; vorwärts geht es damit nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin, Sie kommen zum Schluss?

Leiden müssen unter Ihrer Politik die 3.000 Eine-Welt-Gruppen in Nordrhein-Westfalen, die glücklicherweise ihre wertvolle Arbeit für den fairen Handel, in der Armutsbekämpfung und für Bildung und Ausbildung weiterführen.

Ich komme zum Schluss und möchte Ihnen sagen: Es reicht nicht, es ganz toll zu finden, mit den internationalen Playern auf der internationalen Bühne mitzumischen. Machen Sie hier Ihre Hausaufgaben für die Eine-Welt-Politik! Das sind auf Landesebene die entwicklungspolitischen Bil

dungsaufgaben. Dafür haben Sie das Geld nach wie vor gestrichen. Hier müssen Sie wieder die notwendigen Mittel einsetzen, um diese Arbeit zu stärken und weiterzuführen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns zu Beginn der Legislaturperiode nicht weniger vorgenommen, als in Sachen Integration das Land der neuen Zukunftschancen zu werden, und konnten an die Integrationsoffensive anknüpfen, die es in diesem Landtag seit 2001 gab. Ich bin froh, dass dieser Konsens auch nach dem Regierungswechsel über Parteigrenzen hinweg gehalten hat.

Wir haben den Aktionsplan Integration im Jahre 2006 vorgelegt, der auch die Debatte über den Nationalen Integrationsplan mit beeinflusst hat. Zu dem, was beim Nationalen Integrationsplan beschlossen wird, fordern wir allerdings: Das muss konkret messbar sein. Es hilft nichts, den dritten, vierten und fünften Gipfel der Symbolpolitik zu machen. Wir wollen, dass gemessen wird: Schaffen wir es, dass mehr Kinder aus Zuwandererfamilien auf den Gymnasien sind, ja oder nein?

Unser Schulgesetz macht die Schulformen durchlässiger,

(Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Macht es eben nicht!)

und das ist ein Ansatz, genau dieses Ziel zu erreichen. Wir wollen, dass weniger Migrantenkinder ohne Hauptschulabschluss abgehen.

(Sören Link [SPD]: Das ist völliger Blödsinn!)

Wir wollen die Jugendarbeitslosigkeit senken. Dazu hat Kollege Laumann viele Initiativen auf den Weg gebracht. Wir haben es zur Querschnittsaufgabe in der gesamten Landesregierung gemacht.

Ich füge hinzu: Wir wollen auch die Deutschkenntnisse verbessern, wobei Deutschkenntnisse nicht alles sind. Wir sehen in Frankreich, dass die Kinder oder die Jugendlichen alle französisch sprechen, alle französische Staatsbürger sind und trotzdem in der Gesellschaft keine Perspektive haben. Deshalb ist das eine Frage von Perspektiven. Ich kenne Eltern, die ich sehr schätze und die gesagt haben: Wir sprechen zu Hause auch die Muttersprache, damit das Kind beide Spra

chen spricht. – Es ist besser, dass Eltern mit schlechten Deutschkenntnissen die Muttersprache pflegen und Kinder eine doppelte Kompetenz haben. Auch das setzt unsere Schulministerin in ihrer Schulpolitik um.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Link?

Ja.

Bitte schön, Herr Kollege Link.

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, Sie möchten durch das neue Schulgesetz das Schulsystem in NRW durchlässiger machen. Ich nehme Ihnen persönlich ab, dass Sie das wirklich wollen. Das, was Sie gesetzlich auf den Weg gebracht haben, führt aber faktisch dazu, dass Kinder, die auf einer Hauptschule sind, ab Klasse 6 nicht mehr nach oben – sprich: von der Hauptschule aufs Gymnasium –wechseln können. Das haben Sie gesetzlich so geregelt. Stimmen Sie mir zu, dass diese Regelung gerade nicht für mehr Durchlässigkeit sorgt?

Nein, ich stimme Ihnen ausdrücklich nicht zu. Im Schulgesetz ist verankert, dass in jedem Jahr geschaut werden soll: Kann das Kind auf eine andere Schulform gehen?

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von der SPD)

Wir haben gerade im Interesse der Kinder aus Zuwandererfamilien Ganztagshauptschulen geschaffen. Das haben Sie jahrelang vernachlässigt, weil Sie nur in die Gesamtschule investiert haben.

(Beifall von CDU und FDP)