Protokoll der Sitzung vom 05.12.2007

Man muss nur die Prioritäten anders setzen, als der Minister sie setzt. Dazu müssen Sie doch in der Lage sein. Denn es ist ein Witz zu sagen: Wir wollen sie erhalten, aber Geld dafür stellen wir nicht zur Verfügung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Es ist doch da!)

Das funktioniert nicht.

(Zuruf von der SPD: Die sind gegenseitig deckungsfähig!)

Das war die Botschaft, die zu uns herübergekommen ist, weil Sie unserem Antrag, der kostenneutral war, im Ausschuss nicht zugestimmt, sondern sich an der Stelle enthalten haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Weil es machbar ist!)

Wir möchten aber nicht nur diesen Bereich, sondern außer den Arbeitslosenzentren auch die schon öfters an dieser Stelle thematisierten Angebote für Frauen, die nach einer Erziehungsphase wieder in den Beruf zurückkehren wollen, weiter haben. Sie finden derzeit nicht in dem Maße und nicht in dem Umfang statt, wie wir sie brauchen und wie die Nachfrage danach ist. Sie finden auch nicht auf dem Niveau statt, wie wir es brauchen.

Wenn ich an die Vergangenheit erinnern darf – weil Sie ja heute den ganzen Tag immer wieder von der Vergangenheit reden –: Das Wiedereingliederungsprogramm Nordrhein-Westfalens zur Wiedereingliederung von Frauen nach der Erziehungsphase war das erfolgreichste Arbeitsmarktprogramm Nordrhein-Westfalens mit der höchsten Wiedereingliederungsquote in den Beruf, worauf andere Bundesländer neidisch geguckt haben. Ich verstehe nicht, warum dieses Programm nicht wieder aufgelegt und in der Form fortgesetzt wird, wie wir es damals so erfolgreich durchgeführt haben.

Wir haben einen weiteren Bereich – das ist eigentlich die Schnittstelle zu dem nächsten Haushaltpunkt, aber ich will es trotzdem hier sagen –, der uns ganz wichtig ist. Wir haben eine hohe Zahl von Menschen mit extrem hohen Sozialkompetenzen in Arbeitslosigkeit, und wir haben auf der anderen Seite eine ganz große Zahl von Menschen, die

pflegeergänzend haushaltsnahe Dienstleistungen brauchen, die sich diese aber nicht leisten können und nicht wissen, woher sie sie bekommen. An vielen Stellen existieren diese beiden Bereiche nebeneinander, beide mit Defiziten und beide mit einem Mangel, obwohl man sie zusammenführen kann.

Wir Grüne haben dazu eine große Veranstaltung durchgeführt. Das Ergebnis ist ein Antrag; das Ergebnis dessen waren viele Beratungen und Diskussionen. Wir haben jetzt wieder zum Haushalt beantragt: Wir wollen in Nordrhein-Westfalen ein Programm mit haushaltsnahen Dienstleistungspools, womit man genau diese beiden Bereiche zumindest in einer Anschubfinanzierung über den Overhead flächendeckend installiert. So etwas gibt es erfolgreich in Düsseldorf. Das Projekt trägt sich selbst und ist nicht mehr auf Landesfinanzierung angewiesen.

Sie können nicht immer an der Stelle den Kopf schütteln. Wir wissen, dass alle Bedarfe auf beiden Seiten vorhanden sind, und wir wissen ganz genau, dass diese Bedarfe im Moment sehr stark über Pflegekräfte und pflegeergänzende Kräfte, die aus Osteuropa nach Deutschland geholt werden, abgedeckt werden. Das können wir nicht stillschweigend hinnehmen, sondern wir müssen Lösungen schaffen. Das ist ein Baustein, der notwendig ist, um in dem Bereich zu Lösungen zu kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben in dem gesamten Bereich der Arbeitspolitik noch einen Punkt, den ich neben der Ausbildungssituation wichtig finde. Die Ausbildungsumlage will ich Ihnen heute als nicht haushaltsrelevanten Punkt ersparen. Ein dritter Punkt, der uns ganz wichtig ist, das betrifft den der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen in Hartz IV mit SGB-II-Bezügen. Sie haben von Nordrhein-Westfalen aus lange Zeit immer wieder die Mühle gedreht und die Forderung aufgestellt, das Arbeitslosengeld I müsse verlängert werden. Es mag ja für die Gruppe der Betroffenen im ersten Moment nett sein, dass die Bezugszeit länger ist. Aber auf die lange Strecke hin wäre für diese Menschen eine Integration in den Arbeitsmarkt oder ein Nicht-Herausfallen aus dem Arbeitsmarkt sehr viel wichtiger und hilfreicher. Gerade Frauen, die in dieser Situation sind, nützt das überhaupt nichts, weil ihr ALG-I-Anspruch oft noch unter dem liegt, was sie an SGB-II-Leistungen bekommen würden. Sie haben also keinen Cent mehr, wenn die Zeit verlängert wird, sondern ihr Problem ist, dass sie hinterher mit der Rente weiterhin

unter Sozialhilfeniveau liegen. Das nützt ihnen also an der Stelle überhaupt nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen stellt sich schon die Frage, welche Prioritätensetzung stattfindet, wenn gleichzeitig die Kommission, die Sie ja auch auf unseren Wunsch hin eingerichtet haben und die sich mit Kinderarmut beschäftigt hat, zu dem Ergebnis kommt: Wir brauchen einen eigenständigen Regelsatz für Kinder, wir brauchen diesen dreistufig, wir brauchen Einmalleistungen, und wir brauchen Essen für Kinder.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daraus werden aber überhaupt keine Konsequenzen gezogen, sondern das ist erst einmal nur ein Ergebnis, das auf dem Tisch liegt. Für diese Kinder, die die Lernmittel nicht haben, die das Essen nicht bekommen und einen Regelsatz haben, der unter dem liegt, was sie an Bedarfen haben, um an dieser Gesellschaft teilhaben zu können, nicht zu handeln, ist grob fahrlässig, weil es Kindern wieder die Zukunft verbaut, und zwar unter Umständen auf Jahre hin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen erwarten wir an dieser Stelle, dass ein Arbeitsminister Konsequenzen zieht. Gehen Sie hin und sorgen Sie dafür, dass wenigstens das warme Essen an die Kinder herankommt und dass sie nicht nur mit einem Trostpflästerchen abgespeist werden! Sorgen Sie dafür, dass auf Bundesebene Veränderungen stattfinden! Gucken Sie endlich, dass mit der Schulministerin zusammen die bestehende Lernmittelproblematik, die nicht nur die Schulbücher betrifft, sondern auch den Wasserfarbkasten, auch die Sportsachen und die Sachen, die ansonsten die Partizipation, die Teilhabe am Schulunterricht ermöglichen, endlich gelöst wird und vom Tisch kommt!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deswegen glauben wir, dass in diesen Bereichen dringend ein Nachsitzen der Landesregierung, ein Nachsitzen der Koalitionsfraktionen nötig ist. Denn so ist das weder ein sozial gerechter noch ein ausgeglichener Haushalt. So ist er nicht für die Menschen, sondern nach wie vor gegen einen breiten Teil der Menschen in Nordrhein-Westfalen gerichtet.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist eine gute Sache, dass wir heute den Teil „Arbeit“ unseres Haushaltes im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales debattieren und dazu feststellen können, dass wir in NordrheinWestfalen einen sich positiv entwickelnden Arbeitsmarkt haben.

Ich finde es schon gut, dass wir 126.500 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr haben als vor einem Jahr.

(Beifall von der CDU)

Herr Schmeltzer, ich bin nicht Ihrer Meinung, dass wir diese Arbeitsplätze haben, weil es die Agenda 2010 gegeben hat. Wir haben diese Arbeitsplätze vielmehr deswegen, weil sich die Unternehmen in den letzten Jahren für die Zukunft aufgestellt haben, und wir haben sie deswegen, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren eine Umstrukturierung ihrer Arbeitsplätze mitgetragen und mitgestaltet haben, wie sie noch nie – so lange ich zurückdenken kann – stattgefunden hat. Kaum ein Arbeitsplatz entspricht noch denen der Arbeitswelt in den 70er- oder 80erJahren. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben über viele Jahre viel zusätzliche Flexibilität und Leistung bei äußerster Lohnzurückhaltung aufgebracht. Das alles hat Deutschland wieder wettbewerbsfähig gemacht. Und die Wahrheit ist: Bei uns sind die Lohnstückkosten gefallen, in allen anderen Ländern Europas sind sie gestiegen.

(Beifall von der CDU)

Das ist der Grund für unseren wirtschaftlichen Erfolg: die Tüchtigkeit unserer Menschen.

Dass die Verkürzung des Bezuges des Arbeitslosengeldes Leute in Arbeit gebracht hat, glauben nicht einmal Sie, Herr Schmeltzer. Deswegen war es richtig, dass wir nach einem Jahr Bohren von dicken Brettern ein soziales Ungewicht wieder in den Griff bekommen haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ihre Bohrmaschi- ne ist nicht durchgekommen!)

Ein weiterer Punkt: Ich bin froh darüber, dass wir dieses Jahr eine spürbare Entlastung auf dem Ausbildungsmarkt haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja?)

Wir hatten im letzten Jahr 115.000 abgeschlossene Lehrverträge; wir haben jetzt 126.000. Da sind allerdings die 3.000, die wir eingerichtet haben, mit drin. Aber das ist eine Steigerung der Lehrstel

lenanzahl, wie es sie in diesem Land seit über zehn Jahren nicht gegeben hat.

Rund die Hälfte der 226.000 Schulabgänger will eine duale Ausbildung. Das ist genau die Ausbildungsquote, die unser Land braucht. Wir können den Kindern, die aus der Schule kommen und eine duale Ausbildung wollen, eine Ausbildung im dualen System anbieten.

Deswegen will ich heute erst einmal all denjenigen Dankeschön sagen, die diese Ausbildungsplätze in der Wirtschaft zur Verfügung gestellt haben: den Meisterinnen und Meistern, aber auch den Personalchefs in den größeren Unternehmen, die schlicht und ergreifend Lehrlinge eingestellt haben.

(Beifall von der CDU)

Wahr ist aber auch: Weil wir viele Jahre zu wenige Lehrstellen hatten, gibt es vor allen Dingen in den Berufsschulen nach wie vor Warteschleifen. Nun geht es darum, dass wir diese auflösen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit dem Ausbildungsprogramm 2006 und mit einer Mittelbindung in meinem Haushalt von rund 30 Millionen € pro Jahr – bis diese jungen Leute ihre Facharbeiterprüfung abgelegt haben – einen erheblichen Akzent in der politischen Debatte gesetzt. Wir haben nicht nur geredet, sondern gemacht.

Deswegen ist es, finde ich, völlig richtig, dass wir jetzt gemeinsam sehen müssen, dass über den Bund – meinetwegen über die Bundesagentur für Arbeit – in einem zweiten Schritt ein Programm aufgelegt wird, mit dem auch die Bundesebene deutliche Akzente für die Auflösung dieser Warteschleifen setzt.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Im Ausbildungskonsens von Nordrhein-Westfalen herrscht Einmütigkeit, dass die Arbeitgeber Nordrhein-Westfalens im Arbeitgeberverband in Berlin sagen: Macht das bitte in der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit! Genau so hat es der DGB in Nordrhein-Westfalen und die Landesregierung auf der politischen Ebene in Berlin getan! – Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass noch vor den Feiertagen auch in Berlin Beschlüsse im Kabinett gefasst werden, die auch uns in Nordrhein-Westfalen erheblich helfen werden, diese Warteschleifen aufzulösen.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man mag ja an meiner Arbeitsmarktpolitik kritisieren, dass wir nicht mehr ganz so viel für Langzeitar

beitslose tun, wie das früher der Fall war. Das ist richtig. Das ist aber folgerichtig, weil es in Deutschland eine Grundsatzentscheidung gegeben hat, dass für die Langzeitarbeitslosen das SGB II zuständig ist und dass den nordrheinwestfälischen Optionskommunen und Argen im Ganzen 1,2 Milliarden € an Mitteln zur Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dann muss das nicht noch einmal vom Land gemacht werden.

Deswegen habe ich entschieden, meinen Schwerpunkt in den nächsten Jahren auf den Bereich Jugend und Ausbildung zu legen. Über das Lehrstellenprogramm habe ich geredet. Wir haben für diejenigen, um die sich nie jemand gekümmert hat, also für diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz und keinen Arbeitsplatz haben, das Werkstattjahr eingeführt – mit mittlerweile weit mehr als 4.650 Teilnehmern und einem Finanzvolumen von ca. 26 Millionen €. Wir machen das Programm „Betrieb und Schule“ mit 4 Millionen € und die Verbundausbildung mit 2,5 Millionen €. Wir unterstützen die überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen im Handwerk und in der Industrie mit 15,5 Millionen €. Und wir geben 18 Millionen € für das Programm „Jugend in Arbeit plus“ aus.

Wenn Sie noch dazurechnen, dass wir rund 30 Millionen € für die Ausbildung von Altenpfleger/-innen und Altenpflegehelfer/-innen zur Verfügung stellen, dann kommen Sie auf einen Betrag von rund 118 Millionen €, den mein Haus für die Berufsausbildung unserer jungen Leute aufbringt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)