Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich bemühen, dass wir durch meinen Beitrag deutlich vor die 24 Uhr als Ende der heutigen Sitzung kommen,
Für uns als FDP ist es in der Justizpolitik wichtig, dass wir auch hier die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit einhalten. Wir beteiligen uns deswegen auch aktiv an den Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene und stimmen uns in der Koalition zusammen mit der Justizministerin immer ab, wie wir uns in den einzelnen Bereichen verhalten. Ich sehe hier einen deutlichen Unterschied zu dem, was die Vorgängerregierung gemacht hat. Unter Rot-Grün haben wir jedenfalls nie etwas gehört, wie man zu solchen Dingen wie Flugzeugabschussgesetz oder Ähnlichem gestanden hat. Wir jedenfalls versuchen, uns abzustimmen.
Wir gehen auch an die Strukturen heran. Wir haben das Landesjustizvollzugsamt aufgelöst. Ich gehe davon aus, dass niemand hier im Saal diesem Amt ernstlich eine Träne nachweinen wird.
Wir haben 250 neue Stellen für Wuppertal eingeplant. Wir haben auch – das finde ich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig – befristete Stellen des Schreibdienstes in den Kanzleien in unbefristete Anstellungsverhältnisse umwandeln können.
Meine Damen und Herren, ich meine, dass man hier ganz klar sagen kann, dass Rot-Grün zwar immer sozial getan hat, wir aber auch soziale Taten folgen lassen.
Nicht beeinflussen können wir den ganzen Komplex Betreuungsrecht, Beratungshilfe und Ähnliches. Aber auch da sind wir aufgerufen, über den Bundesrat zu versuchen, für die Zukunft für die Länder finanzierbare Verhältnisse zu schaffen.
Was den Strafvollzug anbelangt, so hat Herr Giebels schon ausgeführt, dass wir die Jugendstrafvollzugsanstalt in Wuppertal bauen werden, dass wir Jungtäterabteilungen eingerichtet haben
Es ist dann schon sehr erstaunlich, Herr Sichau, wenn Sie hier immer noch vortragen, dass der Warnschussarrest von niemandem ernstlich befürwortet wird. Ich kenne jede Menge Sachverständige, die den Warnschussarrest für sehr sinnvoll erachten.
Ich sage auch ganz klar: Es ist schon wichtig, dass junge Menschen auch einmal eine Konsequenz gezeigt bekommen. Es macht einfach keinen Sinn, wenn wir bei der ersten Tat sagen, der junge Täter soll das Schwimmbad putzen, bei der zweiten Tat sagen, er soll Pilze im Wald sammeln, bei der dritten Tat sagen, jetzt bekommt er vielleicht einmal eine Bewährungsstrafe, und dann beim vierten Mal ein junger Täter für zwei Jahre und mehr einrückt. Das ist das falsche Signal.
Jeder von uns, der einmal eine Anstalt von innen gesehen hat, ist froh, dass er wieder draußen ist. Wir haben aber auch eine Vorstellung davon, wie ungemütlich es im Vollzug ist. Ich möchte, dass die jungen Menschen, die etwas tun, was sie nicht tun sollten, auch merken, wie ungemütlich die Realität ist, und dann zukünftig von solchen Taten abgehalten werden.
Herr Sichau, Sie behaupten, versprochen worden sei mehr als gehalten. Ich kann für meine Fraktion nur erklären: Wir haben niemals versprochen, dass wir alle möglichen Stellen erhalten werden. Wir haben alle unsere Versprechen eingehalten.
Wir haben sogar die eine oder andere Stellenstreichung, die Sie vorgenommen haben, die Sie verantwortet haben, zurückgenommen. Ich meine, das ist die richtige Botschaft.
und Köln verweisen, wobei man ja ungern beide Städte gemeinsam nennen möchte, gerade wenn man aus Düsseldorf kommt. Aber beide Städte haben eines gemeinsam: Sie sind deutlich größer als eine Stadt wie Duisburg oder inzwischen auch wie Essen. Das kann ich als Düsseldorfer sagen. Aber sowohl Köln als auch Düsseldorf haben, obwohl sie jede Menge Eingemeindungen hinter sich haben, jeweils nur ein Amtsgericht.
Was in Großstädten wie Düsseldorf und Köln klappt, muss auch in der Region Duisburg oder Essen klappen, wo es mindestens so viele Straßenbahnen gibt wie bei uns. Von daher führen Sie eine Scheindebatte. Sie haben eigentlich keine Argumente dagegen.
Vielleicht blicken wir als Letztes auf das zurück, was wir vorgefunden haben, und schauen uns das an, was wir machen. Man muss hier auch einmal festhalten, dass Sie uns Gerichtsneubauten versprochen haben, für die Sie keine Planung und kein Grundstück hatten. Sie haben uns Gefängnisneubauten versprochen, für die Sie kein Grundstück und auch keine verlässliche Planung hatten.
Und wir? Wir bauen. Wir lösen die Probleme. Wir verkaufen keine Lösungen, die es nicht gibt, sondern wir schaffen eine reale Verbesserung für die Menschen in diesem Land. In diesem Sinne werden wir auch weiterarbeiten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Fraktion der Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Düker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über den Justizhaushalt. Das ist eine äußerst spannende Materie. Hier hängt es wirklich davon ab, ob der Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land noch gewährleistet ist, ob die Funktionsfähigkeit unserer Justiz noch gegeben ist, was in unseren Knästen passiert und ob unsere Jugendlichen im Strafvollzug wirklich eine Resozialisierungschance haben. Ich bitte alle, wieder wach zu werden und zuzuhören; denn hier geht es, auch zu später Stunde, um Wesentliches.
Herr Giebels, ich widerspreche Ihrer These energisch, dass Sie mit dem Haushaltsplan – was haben Sie gesagt? – die Funktionsfähigkeit der Justiz gestärkt haben.
Herr Giebels, genau das Gegenteil ist der Fall. Uns wurde demonstriert, wie es in der Nachkriegsgeschichte wirklich ohne Beispiel ist: Über 1.000 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind im Düsseldorfer Hafen auf die Straße gegangen. Wann hat es hier seit dem Zweiten Weltkrieg je eine solch große Demo gegeben? Ich denke, das sind keine „Berufsdemonstranten“, die sich eben mal organisieren und auf die Straße gehen.
Sie haben guten Grund, auf die Straße zu gehen. Wir wissen nämlich, dass die Belastung weit über dem Normalen liegt. Das Instrument PE§SY hat es an den Tag gebracht: Sie liegt bei weit über 100 %. Spitzenreiter – Herr Kollege Sichau hat darauf hingewiesen – sind die Sozialgerichte mit einer Belastung von weit über 150 %.
Vor Hartz IV waren 340 Klagen pro Richter die Norm. Nach Hartz IV ist die Eingangsbelastung für die Richter um 20 % gestiegen, und die Zahl der Eingänge steigt in diesem Jahr weiter.
Ähnlich sieht es beim Landessozialgericht aus. Trotz der Personalverstärkung, die erfolgt ist, werden die Zahlen in der Sozialgerichtsbarkeit – die sind bestätigt, was die Eingangsbelastung angeht – weit über der Norm liegen. Wir erlegen unseren Richterinnen und Richtern eine Belastung auf, die weit über dem Durchschnitt liegt.
Was sind die Konsequenzen? – Ich denke, dass der effektive Rechtsschutz in der Justiz wirklich in Gefahr ist und dass eine Politik des Tröpfchens auf den heißen Stein substanziell nichts verändern wird. Ich befürchte, dass das Grundrecht auf ein zügiges Verfahren, das jedem Bürger und jeder Bürgerin zusteht, wirklich in Gefahr ist; denn auszubaden haben diese enorme Belastung nicht nur die Justiz und deren Bedienstete, sondern auch die Rechtsuchenden in unserem Land, indem sie lange auf ihre Verfahren warten oder auf überarbeitete Richter treffen, die ihre Aufgaben nur noch oberflächlich bearbeiten.
Das wird von der Landesregierung eben nicht energisch genug angepackt. Was die kw-Stellen betrifft: Frau Ministerin, Herr Wolf, Ihr Kollege im Kabinett, hat es geschafft, alle kw-Stellen für die Polizei – über 800 – auf einmal zu streichen und die Einstellungsermächtigung zu verdoppeln.
Das können Sie nicht als Bilanz vorweisen. Wir werden mit diesen paar kw-Stellen, die Sie, als Tropfen auf den heißen Stein, hier und da streichen, die Belastung der Justiz nicht wirksam verringern. Ich finde, die Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte sowie die Richterinnen und Richter, die hier auf die Straße gehen, haben recht, wenn sie sagen, die Belastungsgrenzen seien nicht nur erreicht, sondern sogar weit überschritten.
Stichwort Strafvollzug: Wir haben ein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet, das aus meiner Sicht – mit dem Haushaltsplan, den wir heute auf dem Tisch liegen haben – den Zielen und den ambitionierten Forderungen nach mehr Resozialisierung im Jugendstrafvollzug nicht gerecht werden kann, weil es in dem Haushaltsplanentwurf dafür nicht genug Ressourcen gibt.
Wir haben bei den Sozialdiensten eine Unterdeckung. Es sind wegen neuer Haftplätze neue Stellen eingerichtet worden. Herr Giebels, darauf haben Sie hingewiesen. Das ist richtig. Wir brauchen aber – das hat die Anhörung gezeigt – eine signifikante Verbesserung des Betreuungsschlüssels, was insbesondere die Zahl der Mitarbeiter der Sozialdienste im Verhältnis zu der Zahl der Gefangenen angeht. Sie sind immer noch zu dünn besetzt. Diese engagierten Kolleginnen und Kollegen – Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiter – können die Ziele des Gesetzes mit dieser Ausstattung nicht erreichen.
Die gleiche Situation haben wir bei dem Problem Drogen. Die Werthebach-Kommission hat erklärt, dem Drogenproblem in den Knästen stehen viele Anstaltsleiter völlig hilflos gegenüber. Im Schnitt haben wir in unserem Strafvollzug ein Drittel Drogenabhängige. Aus unserer Sicht reichen die Mittel bei Weitem nicht aus, um durch eine vernünftige externe Drogenberatung wirklich für eine Entlastung zu sorgen und sich diesem Problem zu widmen.
Kurz und gut: Ich glaube, dass dieser Haushaltsplanentwurf bei Justiz und Strafvollzug eine eklatante Unterdeckung hat, dass wir die Belastungssituation der Justiz damit weiter verschärfen werden und dass keine signifikante Entlastung eintritt. Ich glaube, dass der effektive Rechtsschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger wirklich in Gefahr ist und dass wir im Strafvollzug nicht von einem Verwahrvollzug zu einem echten Behandlungsvollzug kommen können, wenn wir nicht mehr Ressourcen für die Strafvollzugsanstalten zur Verfügung stellen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Müller-Piepenkötter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man heute zu allen Tagesordnungspunkten des Haushalts den Rednern von Rot-Grün zugehört und ihre Anträge verfolgt hat, könnte man glauben, wir hätten einen satten Haushaltsüberschuss und viel zu verteilen. Jedenfalls weiß ich jetzt, was eine sozialdemokratische Kollegin vor vielen Jahren meinte, als sie mir von einer politischen Weisheit berichtete, wonach „sozialistisch geteilt“ bedeutet, dass hinterher alles weg ist.