Protokoll der Sitzung vom 05.12.2007

der Landesregierung

Drucksache 14/4600

erste Ergänzung

Drucksache 14/5200

zweite Ergänzung Drucksache 14/5350

Beschlussempfehlungen und Berichte

des Haushalts- und Finanzausschusses

zur zweiten Lesung Drucksachen 14/5500 – 14/5506,

14/5508, 14/5510 – 14/5515 und

14/5520

In Verbindung mit:

Finanzplanung des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 bis 2011 mit Finanzbericht 2008

Drucksache 14/4601

Sowie:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2008

Gesetzentwurf

der Landesregierung

Drucksache 14/4602

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 14/5517

zweite Lesung

Ich verweise auf die Übersicht in der Tischvorlage mit insgesamt 80 Änderungsanträgen der Fraktionen der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und des Abgeordneten Sagel, fraktionslos.

Meine Damen und Herren, das im Ältestenrat vereinbarte Beratungsverfahren mit der Reihenfolge der zu beratenden Einzelpläne und den vorgeschlagenen Redezeiten können Sie der Tagesordnung entnehmen. Nach Beendigung der Beratung über einen Einzelplan erfolgt jeweils die Abstimmung über diesen Einzelplan. Liegt ein Änderungsantrag zu einem Einzelplan vor – ich verweise auf die Übersicht –, wird zunächst über diesen abgestimmt.

Über die Änderungsanträge zum Haushaltsgesetz stimmen wir morgen vor der Gesamtabstimmung ab. Die Gesamtabstimmung über den Haushaltsplan 2008 in zweiter Lesung erfolgt morgen mit der Abstimmung über das Haushaltsgesetz.

Zwischen 12:30 Uhr und 14 Uhr finden keine Abstimmungen statt. Nach der Beratung des Einzelplans 01 werden die Haushaltsberatungen unterbrochen und morgen fortgesetzt.

Ich rufe den Einzelplan 03 mit zwei Teilbereichen auf:

Innenministerium

Ich verweise auf die Beschlussempfehlung Drucksache 14/5503 und die Änderungsanträge der Fraktion der SPD sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen laufende Nummern 1 bis 3 der Tischvorlage.

Ich eröffne die Beratung zu dem Teilbereich „Innen- und Verwaltungsstrukturreform“.

Ich gebe Herrn Dr. Rudolph von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie erinnern sich sicherlich alle noch daran – es ist kaum drei Wochen her –, da hat der Ministerpräsident an diesem Platz in seiner Regierungserklärung damit geprahlt, dass NordrheinWestfalen unter Schwarz-Gelb sicherer geworden sei. Nach dieser Behauptung hat es nur zwei oder drei Tage gedauert, da stellte sich angesichts der aktuellen Kriminalitätsstatistik heraus, dass die Wirklichkeit eine ganz andere ist.

Wir hatten in Nordrhein-Westfalen in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Anstieg der Zahl der Straftaten um 32.673 Delikte zu verzeichnen. Die Aufklärungsquote verhält sich dazu leicht rückläufig. Mehr fahnden statt verwalten, Herr Innenminister, das haben sich die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wohl etwas anders vorgestellt. Es rächt sich dabei auch, dass Sie seit Jahren Raubbau an der inneren Sicherheit betreiben: die jährliche pauschale Kürzung im Einzelplan 03, ein Stellenabbau bei der Polizei, der dieses Jahr die Talsohle erreicht.

Auch wenn Sie Ihre vollmundigen Wahlversprechungen nicht eingelöst haben, sonst hätten Sie bereits seit 2005 jeweils 500 Polizeibeamte neu eingestellt, haben Sie mit der Neueinstellung von 1.100 Polizeianwärtern im Jahre 2008 endlich die Kurve bekommen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir hätten uns natürlich noch mehr gefreut, wenn Sie es mit diesen Neueinstellungen endlich geschafft hätten, ein Konzept zur Entwicklung der Altersstruktur bei der Polizei vorzulegen. Darauf warten wir immer noch.

Auch für die soziale Lage der Polizeibeamten fehlt Ihnen offenbar jedes Verständnis. Die Verschiebung der Besoldungsanpassung, Absenkung des Weihnachtsgeldes – all dies macht den Polizeidienst nicht unbedingt attraktiver.

Hinzu trat in diesem Jahr noch der Abbau von Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten, der sich bei den anstehenden Personalratswahlen noch einmal deutlich machen wird. Wir bleiben dabei: Ihre LPVG-Novelle ist und bleibt ein Schandgesetz für ein Land, das sich jahrzehntelang rühmen konnte, das soziale Gewissen Deutschlands zu sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihre Halbzeitbilanz fällt aber nicht nur dürftig, sie fällt in vielen Punkten auch beschämend aus. Das Polizeiorganisationsgesetz I ist in diesem Jahr wohl offensichtlich endgültig stecken geblieben. Die Zusammenlegung von Behörden nach Dienstalter der Polizeipräsidenten ist glücklicher

weise am Widerstand der Bevölkerung und wahrscheinlich auch der CDU – so genau ist nicht zu erkennen, wie die CDU in der inneren Sicherheit in dieser Koalition operiert – gescheitert. Wir fragen Sie, Herr Innenminister: Wie geht es mit der Polizeireform weiter, oder war das zur Halbzeit alles?

Das Polizeiorganisationsgesetz II hat seine fundamentale Schwäche bei dem vermeintlichen Kölner Amoklauf gezeigt. Tagelanges Informationschaos, weil unterschiedliche Berichte nicht mehr zeitnah von einer staatlichen Hand gebündelt werden konnten. Welche Konsequenz ziehen Sie daraus, Herr Innenminister?

Die Mafiamorde in Duisburg sind bis heute nicht aufgeklärt. Statt den Fall beherzt an sich zu ziehen, haben Sie die Arbeit der örtlichen Polizeibehörde und den italienischen Fahndern überlassen. Immerhin hat das Bundeskriminalamt Konsequenzen aus der offensichtlich asymmetrischen Zusammenarbeit zwischen deutschen und italienischen Behörden gezogen und eine bilaterale Task-Force gebildet. Die Frage, die wir uns in Nordrhein-Westfalen stellen, ist: Was machen Sie, Herr Innenminister, um die organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen zu können?

(Beifall von der SPD)

Die Verhaftung von drei mutmaßlichen Terroristen im Sauerland hat gezeigt, dass unsere nordrheinwestfälischen Sicherheitsbehörden nur bedingt einsatzfähig sind. Weil Sie die gesetzlichen Regelungen zur akustischen Überwachung nicht der neuen Rechtsprechung anpassen, deshalb auf ihren Einsatz zu verzichten haben, müssen Sie in solchen und auch in anderen Fällen immer die Bundesbehörden um Amtshilfe bitten. Wir fragen Sie, Herr Innenminister: Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen?

(Beifall von der SPD)

Die V-Mann-Affäre ist bis heute nicht ausgestanden. Ganz im Gegenteil: Sie scheint sich eher zuzuspitzen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen Angehörige des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen wegen Strafvereitelung im Amt. Wann hat es das in Nordrhein-Westfalen jemals gegeben?

Wenn Kriminelle vom Verfassungsschutz geführt werden können, dann hätten wir auch gerne eine Antwort von Ihnen: Was tun Sie strukturell dagegen? Wo ist Ihre Aufgabenkritik? Wie sieht eine Neuordnung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen aus, Herr Innenminister?

Die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes ist in Karlsruhe auf Grund gelaufen. Anstatt zu den ursprünglichen Plänen einer Onlinedurchsuchung zu stehen, versuchen Sie sich unter dem Gelächter der Republik vor dem Gericht herauszureden. Wann beenden Sie Ihre verfassungspolitische Geisterfahrt, Herr Verfassungsminister?

(Beifall von der SPD)

Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus hat zugenommen. Warum unterstützen Sie nicht intensiver und klarer die örtlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, die sich Jahr für Jahr gegen landesweit und international organisierte Aufmärsche von Neonazis in Dortmund, in unseren Städten wehren müssen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Auch hier erwarten wir, Herr Innenminister, ein klareres und entschiedenes Handeln.

Zum Schluss: Die politische Substanz und der Bedeutungsverlust der nordrhein-westfälischen Innenpolitik sind auf jeder Innenministerkonferenz mit Händen zu greifen. Statt Beschlüsse zu prägen, hinterlassen Sie Protokollnotizen. Ist das alles, Herr Innenminister?