Protokoll der Sitzung vom 07.12.2007

Viele Fragen, meine Damen und Herren, haben sich im Übrigen auch mit dem am Mittwoch im Fachausschuss beschlossenen Gesetz zur Neuausrichtung der Hochschulmedizin ohnehin erübrigt. Die von der Opposition behauptete Privatisierung insbesondere ist nicht eingetreten. Die Horrorszenarien, die Frau Gebhard im Plenum gezeichnet hat, waren genauso umsonst wie sie aus meiner Sicht auch etwas unseriös waren.

Gleichwohl möchte ich zur Privatisierung als Liberaler generell drei Aspekte betonen.

Erstens. Überlegungen, Aufgaben auf Private zu übertragen, lassen wir uns von Sozialdemokraten und Grünen nicht verbieten. Wenn man Möglichkeiten effektiven Handelns prüft, ist das nicht von vorneherein zu verteufeln, sondern zunächst einmal Ausdruck eines verantwortungsvollen Umgangs mit Steuergeldern. Im Übrigen hatte auch die sozialdemokratische Vorgängerin von Minister Pinkwart, Frau Kraft, Gutachten in Auftrag gegeben, die sich mit den Privatisierungsmöglichkeiten der Universitätsklinika beschäftigt haben.

Zweitens. Es zeugt von wenig Sachkenntnis, wenn die Opposition der Bevölkerung bei jeder auch ergebnisoffenen Diskussion über die Möglichkeit privater Trägerschaft vorgaukelt, es stünde ein Ausverkauf der Klinken in NordrheinWestfalen bevor. Richtig ist: Nur 10 % unserer 414 Krankenhäuser sind in privater Trägerschaft. Bundesweit sind es 30 %.

Drittens können wir sogar in Nordrhein-Westfalen beobachten, dass es dort, wo es einen Übergang eines kommunalen Trägers auf einen Privaten gegeben hat, nicht zu Problemen gekommen ist, sondern vielfach Häuser stabilisiert werden konnten. Schauen Sie nur nach Wuppertal, wo sogar die SPD im Aufsichtsrat des dortigen Helios Klinikums dies bestätigt.

Wir haben uns gleichwohl trotzdem gegen die Privatisierung entschieden, nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern weil es bessere oder mindes

tens gleichwertige Optionen in Aachen, in Köln und im Land insgesamt mit der neuen Leitungsstruktur gibt. Die Ziele, die wir uns vorgenommen haben, erreichen wir in Nordrhein-Westfalen gegenwärtig ohne Privatisierungen. Wir erreichen sie durch ein Hochschulmedizingesetz, das à jour ist, ohne diese Möglichkeit nutzen zu müssen.

Dieses Gesetz zielt im Wesentlichen darauf ab, erstens exzellente Forschung und Lehre in der Hochschulmedizin zu gewährleisten. Das unterstreiche ich, liebe Frau Gebhard. Es sind Universitätsklinika. Es sind keine Krankenhäuser der Maximalversorgung. Forschung und Lehre sind das, was Universitätsklinika auszeichnet.

Aber zum Zweiten gehört natürlich genauso die bestmögliche Versorgung von Patienten dazu.

Die zukunftsfähige wirtschaftliche Basis ist das dritte Ziel, das wir zu erreichen suchen.

Viertens soll und muss natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Universitätsklinika erhalten und gestärkt werden.

Das sind die vier Ziele, die wir erreichen wollen und die die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf auch erreichen wird.

Wir Freien Demokraten teilen diese Ziele uneingeschränkt. Wir begrüßen insbesondere, dass mit dem neuen gesetzlichen Rahmen die Leitungsstrukturen gestärkt werden. Genau das hat sich mit dem Hochschulfreiheitsgesetz auch für die Hochschulleitungen bewährt. Darüber hinaus schafft dieses Gesetz bessere Rahmenbedingungen, um Kooperationen einzugehen und Synergien zu nutzen. Das alles ist notwendig, damit effizienteres Wirtschaften realisiert werden kann.

Die Experten haben den Gesetzentwurf der Landesregierung im Rahmen der Anhörung insgesamt sehr positiv bewertet. Die kritischen Anmerkungen haben wir gewürdigt und daraufhin das Gesetz auch modifiziert.

Dazu gehört insbesondere die Zusammensetzung des Vorstands. Die Pflegedirektoren, die eine überaus wichtige Position innerhalb des Universitätsklinikums einnehmen, wollen wir qua Gesetz im Vorstand verankern. Das ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten, im Übrigen aber auch, weil Pflege und Hochleistungspflege inzwischen auch zunehmend stärker Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung sind.

Die Position der Pflege war im Übrigen der einzige Punkt, den Frau Dr. Seidl in ihrer zu Protokoll gegebenen Rede anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes kritisch ausgeführt hat. Deshalb bin

ich sehr daran interessiert, wie Sie sich jetzt hier positionieren, liebe Frau Dr. Seidl. Nach der ersten Lesung und der jetzigen Modifikation kann man ja durchaus berechtigte Hoffnungen haben, dass Sie diesem Gesetzentwurf nähertreten können.

Wir jedenfalls halten ihn für eine ausgezeichnete gesetzliche Grundlage für die Weiterentwicklung unserer Universitätsklinika als Forschungsstandorte, als Standorte der wissenschaftlichen Lehre und als Maximalversorger in der Krankenhauslandschaft Nordrhein-Westfalens. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Dr. Seidl.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf und das Beratungsverfahren machen doch sehr deutlich, Herr Lindner, dass Sie mit Ihrer Freiheitsideologie langsam, aber sicher von der Realität eingeholt werden. Was hatten Sie nicht für große Pläne! Neue Rechts- und Organisationsformen, bis hin zur vollständigen Privatisierung, wollten Sie ausprobieren.

Um diesen Ideen die höheren Weihen zu verleihen, haben Sie schließlich auch das Gutachten von Herrn Berger in Auftrag gegeben, das Ihnen hierzu die Empfehlung aussprechen sollte.

Dann folgte eine sehr lange Funkstille. Wir Abgeordnete haben immer wieder nachgefragt, denn Sie haben uns bis heute nicht verraten, was in diesem Gutachten genau drinsteht. Für uns Landtagsabgeordnete gab es nur eine magere Zusammenfassung der Ergebnisse. Alles andere haben Sie zum Betriebsgeheimnis erklärt.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Landesregierung hielt es nicht für nötig, den Landtag darüber zu informieren, wie es mit den Universitätsklinika genau weitergehen sollte – jene Universitätsklinika, wohlgemerkt, die Anstalten öffentlichen Rechts, vom Land errichtet und ganz wesentlich auch vom Land, und damit vom Landtag als Haushaltsgesetzgeber, finanziert sind.

So richtig nach Ihrem Geschmack scheint es nicht gewesen zu sein, was in diesem Gutachten von Herrn Berger stand, Herr Lindner. Zu diesem Schluss muss man jedenfalls kommen, wenn man sich am Ende des Prozesses ansieht, was für ein

Gesetzentwurf dabei herausgekommen ist. Von Ihren großartigen Privatisierungsplänen ist da nämlich nichts übrig geblieben.

(Christian Lindner [FDP]: Die gab es auch nie!)

Zum Glück, sagen wir natürlich. Sie haben jetzt zwar an ein paar Stellschräubchen gedreht – noch immer zu weit, wie ich gleich hinzufügen möchte – , aber der große Wurf ist tatsächlich ausgeblieben.

Das ist aber eigentlich kein Wunder, denn alles, was in Richtung Eigenständigkeit und Freiheit notwendig war, haben wir schon unter Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht: mit der Verselbstständigung. Während wir uns damals ein angemessenes Stück weit aus der staatlichen Regulierung zurückgezogen haben, geben Sie jetzt die staatliche Verantwortung quasi vollständig auf. Das finden wir falsch, und deshalb haben wir entsprechende Änderungsanträge gestellt, die Sie im Ausschuss leider abgelehnt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eines wollen wir an dieser Stelle nicht verschweigen, auch weil Einsicht und Korrektur von Fehlern in Ihrer Koalition der Ernüchterung ein solch rares Gut sind: Sie haben tatsächlich eingesehen und verstanden, dass es falsch war, mit dem Gesetzentwurf den Begehrlichkeiten einzelner Ärztlicher Direktoren zu folgen und die Pflege aus dem Vorstand zu verbannen.

Herr Lindner, ich habe Ihren Einwurf eben, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Ich habe mich von Anfang an sehr dezidiert und sehr deutlich für die Beibehaltung der Pflege im Vorstand eingesetzt, und wir haben auch dafür mobilisiert. Das heißt, wir haben das begrüßt.

(Christian Lindner [FDP]: Das habe ich doch gesagt! Das war der einzige Kritikpunkt Ihrer ersten Einlassung!)

Das war der wichtigste Kritikpunkt. Wir sehen ja auch, dass er wichtig geblieben ist, weil sich schließlich aufgrund der Mobilisierung, die alle betrieben haben, und aufgrund unserer Anhörung, in der sich alle Experten dafür ausgesprochen haben und mit der wir sehr viel erreicht haben, alle anderen Fraktionen dem anschließen konnten. Von daher habe ich das als einen Erfolg und auch als einen sehr wichtigen Punkt betrachtet.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Mehr noch: Sie haben unserem gemeinsamen Änderungsantrag tatsächlich zugestimmt, Herr Brinkmeier und Herr Lindner.

(Christian Lindner [FDP]: Wir haben einen eigenen Vorschlag!)

Ja, Sie haben noch schnell einen eigenen vorgelegt. Danach haben wir wieder einen gemeinsamen Antrag gemacht. So war, glaube ich, die Reihenfolge.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Aber dann war es mit der Einsicht leider auch schon vorbei. Wir haben die Fehlkonstruktion des Aufsichtsrates sowie die Machtverschiebung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand angemahnt. Hier haben wir als Kompromiss vorgeschlagen, dass der Vorstand für die betrieblichen Ziele zuständig ist, der Aufsichtsrat aber weiterhin für die strategischen Ziele der Klinika verantwortlich sein soll. Obgleich dies im Sinne einer modernen Unternehmensführung wäre, haben Sie auch diesen Kompromissvorschlag leider abgelehnt.

Dann wollten wir dieses Gesetzgebungsverfahren, in dem unter anderem auch das Hochschulgesetz geändert wird, nutzen, um einen Fehler des sogenannten Hochschulfreiheitsgesetzes zu korrigieren. Es wäre nur eine winzige Änderung nötig gewesen. Ich habe bis jetzt noch nicht verstanden, warum Sie sich dem eigentlich nicht anschließen konnten.

Während nämlich unter Rot-Grün die Frauen an den Hochschulen die Freiheit hatten, darüber zu entscheiden, wen sie zur Gleichstellungsbeauftragten oder zu deren Stellvertreterin wählen wollten, sind Sie hingegangen und haben im Rahmen Ihres vermeintlichen Freiheitsgesetzes diese Freiheit eingeschränkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei den Beratungen zum Hochschulfreiheitsgesetz hieß es noch, das sei ein Missverständnis und auch nicht so gemeint gewesen.

Herr Brinkmeier, Sie können mich ruhig anschauen. Sie waren es nämlich. Sie haben gesagt, das sei ein Missverständnis gewesen. Ich erinnere mich genau daran, wie Sie versucht haben, die Gleichstellungsbeauftragten zu beruhigen, die dieses Problem schon damals angesprochen hatten.

Heute kommt uns die Regierung plötzlich mit einem fadenscheinigen Argument. Dieselben Studierenden, die seit Jahren in den Gremien der Hochschulen konstruktiv mitarbeiten, dieselben

Studierenden, die seit Neuestem selbstbewusst als Kunden der Hochschulen auftreten sollen, sollen plötzlich nicht mehr in der Lage sein, auf Augenhöhe mitzuverhandeln, und deshalb als stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte nicht mehr wählbar sein. Dazu möchte ich Sie noch einmal um eine Stellungnahme bitten, Herr Brinkmeier.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie mögen sich wundern, dass ich mich so lange über diesen Punkt aufrege, der mit dem Entwurf für ein Hochschulmedizingesetz im engeren Sinne nichts zu tun hat. Dieser kleine Punkt ist einfach symptomatisch für Ihr gesamtes Vorgehen. Sie reden großartig von Freiheit. Die Realität Ihres Regierungshandelns beweist aber genau das Gegenteil: statt Wahlfreiheit kleinteilige Bevormundung. Deregulierung ist etwas anderes, Herr Lindner.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es bleibt festzustellen: Dieses Hochschulmedizingesetz bringt jedenfalls keine Innovationen und keine qualitative Verbesserung, weder für die Lehrenden noch für die Studierenden oder gar für die Patientinnen und Patienten. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir diesen Gesetzentwurf heute ab.