Protokoll der Sitzung vom 07.12.2007

In dieser Verwaltung war der gesammelte Sachverstand, das Know-how vorhanden. Das zerschlagen Sie und verteilen es auf die Kommunen, sodass jede Kommune noch ein Viertel Know-how hat. Damit kann man aber kein komplettes Genehmigungsverfahren mehr durchführen. Sie sorgen dafür, dass die Fachleute und der Sachverstand in Nordrhein-Westfalen nicht mehr vorhanden sind. Sie sorgen dafür, dass dieses Knowhow zerschlagen wird. Sie sorgen dafür, dass sehr viele Leute den goldenen Handschlag annehmen und in den Vorruhestand gehen

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist ein Unter- gangsszenario!)

und dass Leute mit technischem Know-how nicht mehr in der Verwaltung vorhanden sind. Sie sorgen dafür, obwohl Sie wissen, dass es neue Aufgaben geben wird. In der Anhörung ist noch einmal eindringlich darauf hingewiesen worden, dass mit dem EU-Recht neue Aufgaben auf uns zukommen werden. Mehr Sachverhalte werden von der EU gesetzlich geregelt. Wir müssen vor Ort mehr umsetzen. Sie gehen hin und reduzieren in dieser Phase das Personal, indem Sie es über das ganze Land verstreuen. Mehr Aufgaben, weniger Personal, das Personal nicht mehr gesammelt an einigen Stellen, sondern über das Land verteilt – Sie fahren eine funktionierende Verwaltung zurück.

Noch einmal: Das wird im Umweltbereich sichtbar werden. Wir werden irgendwann wieder eine Katastrophe haben. Dann werden Sie hier stehen und sagen: Wer war denn wohl dafür verantwortlich? Ich sage Ihnen hier und heute: Sie sorgen dafür, dass die Verwaltung keine vernünftige Umsetzung mehr machen kann. Deswegen appelliere ich an Sie: Schließen Sie sich doch einfach der IHK an. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Lehnen Sie dieses Gesetz ab. Es hat keine weiterführende Funktion. Es ist wirklich so, dass Sie damit die Umweltverwaltung und den Vollzug von Umweltgesetzen vor Ort kaputt machen. Man weiß nicht, ob Sie das wirklich wollen. Wenn Sie es nicht wollen, dann hören Sie mit diesem Gesetz auf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulze. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Ellerbrock.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Mr. Winterbot- tom!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will vier Punkte ansprechen.

Erstens. Wir haben eine Anhörung gehabt. Wir sind nicht beratungsresistent. Wir haben kritische Anregungen aufgegriffen, was sich unter anderem darin zeigt, dass mehr als ein Drittel der gewerbeaufsichtlich zu genehmigenden Anlagen in der staatlichen Verwaltung bleibt. Hier haben wir uns von dem Motto leiten lassen: Nur derjenige, der tagtäglich mit solchen Problemkreisen umgeht, kann sachlich kompetent, rechtssicher und schnell entscheiden. Die damit verbundene Kritik der IHK und der Verbände ist darin eingeflossen. Zumindest die Wirtschaft erkennt das an.

Zweitens. Worum geht es heute? Worin liegt der Streitpunkt? – Sie haben diese dritte Lesung beantragt. Gestern haben wir festgestellt, dass wir eine unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Mitbestimmungspflicht im Gesetz hatten. Hier stehen Aussagen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf den Aussagen aus den Bereichen Köln, Minden und Aachen entgegen. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, haben die Fraktionen den strittigen Punkt herausgenommen. Na und? Das ist doch ganz vernünftig.

Drittens. Das Verfahren ist, wie Sie sagen, hinsichtlich der Beurteilung problematisch gewesen. Auch da muss ich sagen: Es mag nicht glücklich gewesen sein. Vom Prinzip her ist es nicht zu beanstanden, denn der Antrag wird im mitberatenden Ausschuss beraten. Änderungsanträge werden im federführenden Ausschuss beraten. Die einzige Problematik liegt darin, dass diese Ausschüsse praktisch parallel getagt haben. Vom Prinzip her ist also nichts zu beanstanden, sondern lediglich der kurze Zeitraum.

Meine Damen und Herren, Ihre Vorwürfe, die Sie und der Kollege Jäger in den letzten Tagen vorgebracht haben, wären um so glaubwürdiger, wenn Sie sich in Ihrem Verwaltungshandeln und Ihrem politischen Handeln in der letzten Legislaturperiode überzeugend anders verhalten hätten.

(Carina Gödecke [SPD]: Das hat der Kollege alles schon vor zwei Tagen erzählt!)

Ersparen Sie mir, die Vorwürfe zu wiederholen. Ich denke an das Landeswassergesetz, an die

Haushaltsberatungen und an das Landesplanungsgesetz, zu dem Sie über 50 redaktionelle Änderungen am Tag der Verabschiedung eingebracht hatten.

Viertens die sachliche Ebene: Meine Damen und Herren, Sie haben sicherlich im besten Bemühen um eine vernünftige Lösung – das spreche ich Ihnen überhaupt nicht ab – in der letzten Legislaturperiode mit großem Aufwand angekündigt und versucht, eine Verwaltungsstrukturreform herbeizuführen. Geblieben ist letztendlich als einzige größere Maßnahme die Eingliederung des Landesoberbergamtes in die Bezirksregierung Arnsberg. Alles andere ist bei Ihnen im Orkus verschwunden.

Diese Verwaltungsstrukturreform, die diese Landesregierung hier vorlegt – ich will nicht sagen, dass es die Stein-Hardenberg’schen Reformen sind –, ist im Gegensatz zu Ihren letztendlich mickrigen Ergebnissen eine Verwaltungsstrukturreform, die den Namen verdient hat. Dass Sie diese Aufregung hier womöglich aus Neid auf diesen Erfolg generieren, kann ich nicht verstehen.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie sollten vorsichtig sein, wenn es darum geht, Ihre Leistungen und Ihre Aussagen mit dem in Zusammenhang zu bringen, was diese Landesregierung und diese Oppositionsfraktionen hier geleistet haben.

(Carina Gödecke [SPD]: Sie sind die Koaliti- on! Aber das ist schon okay! 2010 ändern wir das!)

Das ist eine Verwaltungsstrukturreform, die sicherlich erhebliche Auswirkungen hat; allerdings wollen wir diese Auswirkungen. Das, was Sie hingegen wollten, ist demgegenüber ein Nullum. Es läuft asymptotisch gegen null. Es ist nichts. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Kollege Ellerbrock. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Remmel.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Die Herren Stein und Hardenberg haben sich gerade im Grab umgedreht bei Ihrer Rede, Herr Kollege!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vor zwei Tagen hier gesagt, dass die Herren Uhlenberg, Palmen und Wolf den Sekt schon mal kalt stellen könnten. Heute können sie ihn aufmachen.

Um mit Müntefering zu sprechen: Gut für Kaputtmacher, schlecht für Mensch und Umwelt. – „Skol!“, um im Bild zu bleiben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich habe gedacht, zwei Tage würden den Koalitionsfraktionen und der Landesregierung vielleicht Gelegenheit geben, die offenen Fragen – es gibt eine Reihe von offenen Fragen bei diesem Gesetzgebungsverfahren – zu klären. Es ist aber keine einzige Frage beantwortet worden.

Zur Mitbestimmung: Warum wird über fest verankerte Rechte der Mitbestimmung so hinweggegangen? – Es gibt schließlich Unterschiede. Die Bezirksregierung Arnsberg beteiligt die Mitarbeiter ordentlich. In den anderen Bezirksregierungen werden sie nicht ordentlich beteiligt. Warum gibt es diese Unterschiede? Warum wird in diesem Land so mit Mitbestimmungsrechten umgegangen? – Sie haben diese Frage nicht beantwortet.

Zum Vollzug: Alle Expertinnen und Experten sowie die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben gesagt, dass es jetzt schon Vollzugsdefizite gebe und dass infolge des Übergangs noch mehr Vollzugsdefizite entstehen würden. Sie haben diese Frage nicht beantwortet. Was passiert denn ab dem 1. Januar mit dem mangelnden Vollzug? – Darauf müssten Sie eine Antwort geben, aber auch hier gilt: Fehlanzeige!

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Sie müssten mal zuhören!)

Was ist mit dem Argument, dass der Sachverstand versprengt, zerbröselt und verpulvert wird? – Auch darauf erfolgte keine Antwort von Ihrer Seite.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nur Sprechbla- sen!)

Sie sagen immer, es gehe darum, nah bei den Menschen, nah bei den Bürgerinnen und Bürgern zu sein. Da frage ich mich: Wer sind denn diejenigen, die etwas von den Umweltbehörden wollen? – Das sind die Kundinnen und Kunden. Das sind doch nicht die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Die Kundinnen und Kunden, also die Wirtschaft und die Umweltverbände, waren bisher zufrieden. Sie haben Zufriedenheit geäußert. Also, wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger befragt hätten, ob sie mit unserer Umweltverwaltung zufrieden gewesen seien, hätten Sie positive Rückmeldungen bekommen. Auf dieses Votum hören Sie aber leider nicht. Insofern sind Sie auch auf dieses offene Diskussionsthema bis heute nicht eingegangen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum großen Thema Konnexität: Was gibt das für ein Bild? – Ich kann es an dieser Stelle nur noch einmal erwähnen; Sie sind ja nicht darauf eingegangen: Wenn es Überleitungsverträge gibt – die Musterverträge kennen Sie auch –, in die man oben hineinschreibt, dass es einen Dissens gibt, dann frage ich mich, wo wir in diesem Land eigentlich sind. Die einen sagen, es sei verfassungsrechtlich nicht in Ordnung. Die anderen sagen, es sei verfassungskonform. Das muss man doch klären, bevor man Menschen in andere Behörden umsetzt. Man kann sie doch nicht in diese Rechtsunsicherheit entlassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

So etwas habe ich noch nie erlebt. Das wird Sie noch eine Weile verfolgen.

Deshalb, meine Damen und Herren, richte ich heute noch einmal den Appell an Sie: Lehnen Sie dieses Gesetz ab. Es ist zum Schaden für die Umwelt. Es ist zum Schaden für die Menschen. Darauf werden wir an der einen oder anderen Stelle mit Sicherheit zurückkommen. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die Landesregierung erhält jetzt Herr Minister Uhlenberg das Wort.

(Ralf Jäger [SPD]: Der Nachfolger des Herrn Stein!)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ach ja, Herr Abgeordneter Remmel, diese Szenarien, die Sie hier immer malen, gehen nie auf.

Ich möchte ein Beispiel nennen: Ich erinnere mich noch an all das, was Sie hier veranstaltet haben, als wir die Forstreform auf den Weg gebracht haben. Das sei der Niedergang von NordrheinWestfalen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das Ergebnis sieht man doch!)

Davon hören Sie heute nichts mehr. Sie wird sauber umgesetzt. Die Menschen sind zufrieden. Wir haben eine leistungsfähige Forstverwaltung,

(Beifall von der CDU)

und beim Thema Umweltverwaltung ist es genauso.

Zwischen dem, was Sie hier an Empörung immer künstlich hochziehen, und dem, was dann tatsächlich im Rahmen der Umsetzung in der Realität passiert, gibt es große Unterschiede. Deswegen tritt eigentlich nie ein, was Sie voraussagen, und auch bei diesem Gesetzentwurf wird nicht eintreten, was Sie prophezeien. Dass dies eine Opposition entsprechend hochziehen muss und dass es Ihnen auch wehtut, wenn Reformen durchgeführt werden, die Sie möglicherweise nicht gemacht hätten, ist mir klar.