Protokoll der Sitzung vom 07.12.2007

Schauen Sie sich einmal an, was auf dem asiatischen Markt passiert! Ich habe schon bei Einbringung des Antrags darauf hingewiesen: Tata Motors, ein Konzern mit 200.000 Beschäftigten in Indien, bringt in den nächsten sechs Monaten einen Viertürer für 1.830 € auf den Markt. Er sieht nicht schlecht aus. Er hat 700 cm3. Das, was Sie sich bei Tata anschauen können, ist ein vernünftiges Auto für den indischen Markt mit 700 cm3, und es wird spritsparend sein.

Meine Sorge ist: Die nächste Polo-Generation mit 3 Litern kommt für 6.000 € aus Indien und nicht mehr aus Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und dann gehen bei uns die Automobilindustrie und die Zulieferindustrie in die Knie. Das ist die Sorge, die man haben muss. Sie werden mit ein paar Jahren Vorlauf in der Lage sein – darüber mag man jetzt noch lächeln –, das hinzubekommen.

(Christian Lindner [FDP]: Glauben Sie nicht, dass die Automobilkonzerne nicht auch Marktforschung betreiben?)

Herr Moron, ich …

(Heiterkeit)

Herr Priggen, Sie müssen doch gar nicht darauf eingehen. Sie sind ja sonst auch nicht so empfindlich bei Zwischenrufen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Sie können das einfach ignorieren.

Herr Moron, ich bin nicht empfindlich, ich will nur mit Ihnen keinen Ärger haben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich gehe davon aus, dass die Automobilkonzerne Marktforschung machen. Aber es ärgert einen schon, wenn Sie sich die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt anschauen und feststellen, dass sie am ersten Tag alle einen auf Öko machen. Und wenn die Kameras weg sind, holen sie das heraus, bei dem die Leidenschaft eine Rolle spielt, und die Mädels liegen auf die Motorhaube. Aber Herr Wissmann spricht von MüsliAutos.

(Heiterkeit)

Das ist eine verlogene Strategie. Ich, glaube, die Nachfrageflaute hat ein Stück damit zu tun. Es kann ja jeder halten, wie er will. Wenn Sie einen Porsche Cayenne haben wollen und bezahlen können, sollen Sie ihn fahren. Wenn ich ein 3Liter-Auto haben möchte, was technisch halbwegs anspruchsvoll und vernünftig ist, will ich mir das auch kaufen können. Es gibt aber kein vernünftiges Angebot bei VW – um es auf den Punkt zu bringen –, und bei anderen deutschen Autobauern sehe ich es im Moment auch nicht. Sie kommen dann wieder auf einen Franzosen – ich will hier keine Reklame machen – als einzigem, der dieses

in dem Segment bei einem vernünftigen Preis bietet. Das ist für unsere Automobilindustrie ein Armutszeugnis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Dr. Petersen, an einer Stelle greift da auch Politik ein. Wir haben im Autobereich – anders als im Strom- oder Gasbereich – Wettbewerb. Politik greift zum Beispiel bei der Vorgabe von Treibstoffverbrauchswerten ein. Wir müssen doch erleben, dass die EU da treibt. Die deutsche und die europäische Autoindustrie hatten versprochen, bis nächstes Jahr die Treibstoffverbrauchswerte zu senken. Jetzt ist schon absehbar, dass die Industrie ihre Zusage nicht einhält.

Ich bin da völlig mit Ihnen einig: Wir können keine Vorschrift machen, die das ab 2009 vorschreibt. Bis dahin wird die Industrie es technisch nicht schaffen können. Vielmehr muss man über lange Zeiträume Grenzwerte vorgeben und sagen, dass diese erreicht werden müssen. Dann hat die Industrie eine Chance zu reagieren, und dann kommen die positiven Effekte des Marktes, weil nämlich die Automobilbauer, die das als Erstes können, bei den Kaufinteressierten Vorteile haben.

Aber ohne Politik, die ganz klar sagt, wohin sie will, und die die Grenzwerte vorgibt, geht es nicht. Sie soll sie auch mit der Autoindustrie diskutieren. Wir wollen ja hier nicht einfach Grenzwerte beschließen, sondern mit der Autoindustrie diskutieren, was machbar ist, und das dann in einem Gesetz vorgeben, anstatt so windelweiche freiwillige Vereinbarungen zu treffen, die nur der Vorwand dafür sind, dass man sie nicht einhält, und die Politik wird am Nasenring durch die Arena geführt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zusammenfassend meine ich – Herr Präsident, ich spare die Minute ein, die Sie mir eben gegeben haben –: Wir haben 200.000 Beschäftigte. Wir haben die mittelständische Industrie. Wir tun gut daran, die Wettbewerbsparameter politisch im Konsens mit Berlin und Brüssel so zu formulieren, dass sie umgesetzt werden und dass die Tendenzen, die aus dem internationalen Markt kommen, zu unserem Vorteil umgelenkt werden können.

Wir haben eine hervorragende Autoindustrie. Sie ist technisch klasse. Sie ist aus meiner Sicht etwas irregeleitet, was die Zielsetzung mit ganz dicken Protz-PS-Autos angeht. Aber es wäre möglich, ihr die andere Seite auch nahezulegen. Das muss das Ziel sein. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Kollege Priggen. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die derzeit laufende Essener Motorshow mit dem Motto „40 Jahre automobile Leidenschaft“ und auch die diesjährige IAA in Frankfurt „Sehen, was morgen bewegt“ zeigen augenfällig, Herr Priggen – das bestreiten Sie aber zum Glück nicht – die emotionale Dimension des Produktes Auto. Sie unterstreichen auch den innovativen Gehalt und die Treiberfunktion des Automobils, weil modernste Technologien in großer Stückzahl eingesetzt werden.

Die technologische Breite und Vielfalt wird unterstrichen, weil mechanische, elektrische, chemische und viele andere Belange betroffen sind, auch der wirtschaftliche Stellenwert der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer und eine höchst komplexe Wertschöpfungskette.

Zu den Ausstellern auf diesen Messen gehört direkt und indirekt eine Vielzahl von Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen der Zuliefererindustrie sind hier zuhause. Darüber hinaus produzieren namhafte Hersteller in Nordrhein-Westfalen.

Vor dem Hintergrund haben die beiden Großen Anfragen Gelegenheit geboten, noch einmal zusammenfassende Darstellungen über Ausmaß und Perspektiven dieser Branchen zu erstellen.

Meine Damen und Herren, ich kann verstehen – die SPD drückt das besonders deutlich aus –, dass Sie mit der quantitativen Darstellung der Querschnittsbranche unzufrieden sind und dass Sie die fehlende Differenzierung nach Branchenzugehörigkeit monieren.

Ich muss Ihnen nun nochmals sagen – auch in der Anhörung kann gar nichts anderes herauskommen –: Diese Daten liegen schlichtweg nicht vor. Wir müssten sie entweder im Rahmen einer sehr umfangreichen und sehr teuren Umfrage extra erheben, oder sie müssten mit Hilfe einer sehr aufwendigen und anspruchsvollen Auswertung vorliegender Daten der Produktionsstatistik geschätzt werden.

Das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik hat diesen Weg vorgeschlagen und auf Bitten der Landesregierung eine Schätzung von Beschäftigung und Umsatz von Zuliefererproduktion in einzelnen Wirtschaftszweigen vorgenommen. Eine erste Auswertung ist erarbeitet. Sie wird derzeit mit den Mitarbeitern des Landesamtes rück

gekoppelt, nochmals abgestimmt. Die vorgelegten differenzierten Daten bestätigen, dass sich die Automobilzulieferer über ganz viele Wirtschaftsbranchen verteilen. Die Landesregierung wird die Auswertung dieser Daten dem Landtag so bald wie möglich zuleiten.

Herr Priggen, zum Tata in Indien: Wenn Sie die Anforderungen an die Sicherheit so deutlich zurücknehmen, wie es in Indien geschehen und noch zulässig ist, dann könnten Sie hier so ein Auto fahren. Das möchte ich aber nicht haben.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Erwecken Sie nicht den Eindruck, dass man unsere Ansprüche mit denen vergleichen kann, die in dem riesigen Land Indien von den Menschen ertragen werden.

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Wir werden das ja alles erleben. Trotzdem ist es gut, darauf hinzuweisen, dass es neue, aufstrebende Automobilländer gibt, die mit anderen Vorstellungen an die Mobilität herangehen.

Meine Damen und Herren, wir haben hier in Nordrhein-Westfalen erlebt – das haben manche wieder vergessen –, dass gerade die hier ansässigen Automobilfirmen über mehrere Jahre große strukturelle Probleme hatten und sie durch schmerzhafte Entscheidungen überwinden mussten. Dass wir sowohl bei Ford als auch bei Opel sicher sein können, dass Nachfolgemodelle des Fiesta und des Zafira gebaut werden können, war nicht selbstverständlich. Noch vor wenigen Jahren waren diese beiden Automobilunternehmen ziemlich in Bedrängnis, Herr Eiskirch. Das bedeutet, wir können – insofern akzeptiere ich die Aufforderung – Automobilstandort bleiben, wenn wir die Innovationskraft haben, die Anpassung an das Kerngeschäft, an alle möglichen Elemente weiterhin vorzunehmen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Das sind immer unbequeme Entscheidungen. Wir sollten nicht so tun, als ob die Landesregierung dies durch was auch immer ersetzen könnte. Wenn wir nicht die Kraft haben, zum Beispiel am Standort Bochum oder am Standort Köln mit den Belegschaften und der Firmenleitung zusammen nach Wegen zu suchen, die eine Reduzierung auf das Kerngeschäft ermöglichen, dann werden wir diesen Standorten nichts Gutes tun. Ich werbe bei Ihnen dafür, diese Wege weiter mitzugehen.

Wenn wir aber die Innovationskraft der Branche erhalten wollen, dann müssen wir uns nach unserer Überzeugung stärker auf die kleinen und mit

telständischen Zuliefererunternehmen und deren Kooperation mit der …

(Thomas Eiskirch [SPD]: Ja, richtig!)

Aber Entschuldigung, das passiert doch. Behaupten Sie doch nicht das Gegenteil! Das ist doch lächerlich!

(Beifall von CDU und FDP)

Wir arbeiten zusammen mit den Branchen und den Forschungseinrichtungen an der Verbesserung der Wirkungsgrade von Verbrennungsmotoren bis zur Wasserstofftechnologie. Es ist doch kein Zufall, dass wir die Weltwasserstoffkonferenz für das Jahr 2010 nach Nordrhein-Westfalen haben holen können und dass in Berlin im Rahmen eines großen Auftritts sämtliche Forschungseinrichtungen Anwendungsbeispiele zur Brennstoffzelle über 300 Teilnehmern vorstellen konnten. Da passiert doch etwas. Die Kooperation wird doch unterstützt und weiter gestärkt.

Selbstverständlich – das hat Herr Priggen zu Recht angemahnt; er hat nur die Begriffe nicht genannt – gibt es in diesem Rahmen auch das Ordnungsrecht. Wir arbeiten daran, die Kraftfahrzeugsteuer CO2-abhängig umzustricken. Wir werden auch bei der Frage mitwirken, wie die Konstruktion der Grenzwerte aussehen muss, damit wir einerseits ausreichend Druck auf dem Kessel haben und andererseits nicht etwas vorgeben, was nicht eingehalten werden kann. Dann hätten wir nämlich mit Zitronen gehandelt. – All das passiert.

Es gab in der Automobilindustrie und auch unter den Zulieferern in Nordrhein-Westfalen zu wenig Kooperation. Wir haben es geschafft, dass sich diese verstärkt landesweit zusammentun. Wir haben eine Ausschreibung für ein professionelles Clustermanagement vorbereitet, das bald herausgeht. Wir werden dort eine Professionalisierung in der Kooperation anstoßen, die es bisher nicht gegeben hat. Sie könnten uns dafür loben, wenn Sie dafür die Kraft hätten.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun zum Wettbewerb: Es kann doch niemand das Gegenteil behaupten, dass es vom Reifenabrieb bis zur Antriebsart, von den Werkstoffen bis zur Form der Karosserie ganz viele Elemente gibt, die entweder, wenn sie sich fortentwickeln, zu mehr Sicherheit führen oder aber den Spritverbrauch reduzieren. Das ist nämlich nicht nur eine Frage des Motors, sondern auch der Karosserie und der Reifen. Das heißt, der von uns ausgelobte Wettbewerb richtet sich ausdrücklich an kleine und mittlere Unternehmen.