Protokoll der Sitzung vom 19.12.2007

Zwischenfrage gestellt, aber Sie waren zu schnell vom Pult weg, als dass er Ihnen die Frage hätte stellen können.

(Ministerin Christa Thoben: Flucht!)

Vielen Dank für die Rede. – Als Nächstes spricht Herr Kollege Lienenkämper, CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorweg zu sagen: Es gibt bei den Managergehältern vor allen Dingen in der Spitze gemessen an einem durchschnittlichen Arbeitnehmer Entwicklungen, die nicht mehr zu rechtfertigen sind.

(Ralf Jäger [SPD]: Dann könne sie dem An- trag ja zustimmen!)

Es gibt – um auch das direkt vorweg zu sagen – bei Managergehältern in einzelnen Fällen Abfindungen, die im Verhältnis zur Lage der Gesellschaft nicht mehr zu rechtfertigen sind. Das gilt insbesondere dann, wenn im Unternehmen Verluste gemacht werden. Es gibt Fälle völliger Abkopplung des Gehalts oder der Abfindungen vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, und es ist völlig zutreffend, dass diese Entwicklungen nicht vermittelbar sind.

Ein enormes Ansteigen der Bezüge und gleichzeitig ein deutliches Sinken des Börsenwertes des Unternehmens passen in der Tat nicht zusammen. Noch weniger passt zusammen, wenn trotz unternehmerischer Fehlleistungen zum Teil Abfindungen gezahlt werden, die in der Bevölkerung den Eindruck hervorrufen müssen, der unternehmerische Misserfolg werde so geradezu noch belohnt.

Unternehmen, meine Damen und Herren – das ist unsere feste Überzeugung –, haben auch eine Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und eine Verantwortung gegenüber der allgemeinen Gesellschaft. Genau deswegen stimmen wir Bundespräsident Köhler ausdrücklich zu, wenn er sagt – Sie haben es sogar in Ihrem Antrag zitiert –: „Gefragt sind also verantwortungsbewusste Aufsichtsräte und Aktionäre.“ Denn in der Tat bestimmten die Vorstände weder ihre Gehälter noch ihre Abfindungen selbst.

(Ralf Jäger [SPD]: Also stimmen Sie jetzt zu!)

Die Bemessung von Managergehältern ist ausschließlich Angelegenheit der Anteilseigner des jeweiligen Unternehmens; das wissen Sie ganz genau. Ich rufe die Gremien, die diese Gehälter

festlegen, allerdings zur Lektüre von § 87 Aktiengesetz auf. Ich zitiere:

„Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Auf- wandsentschädigungen, Versicherungsentgel- te, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dies gilt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art.“

Verstöße hiergegen können eine Verletzung von Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats darstellen und somit eine Haftung auslösen.

Jetzt, meine Damen und Herren, zeigt sich der zentrale Unterschied zwischen Ihrer Politikauffassung, Frau Kollegin Kraft, und unserer.

(Zuruf von der SPD: Das hoffe ich doch!)

Sie rufen bei Fehlentwicklungen sofort nach dem Staat. Wir glauben daran, dass die Selbstheilungskräfte Erfolg haben können.

(Beifall von CDU und FDP – Sören Link [SPD]: Richtig! Genau das ist der Unter- schied!)

Wenn Sie Fehlentwicklungen ausgemacht zu haben glauben, meinen Sie, der Staat müsse Regelungen schaffen, der Staat müsse her, der Staat könne all das, was Sie für richtig halten, eigentlich viel besser machen.

(Sören Link [SPD]: Privat regelt es offen- sichtlich nicht!)

Der Staat kann es nicht. Das haben wir ganz häufig bewiesen, meine Damen und Herren. Richtigerweise machen das die Gremien. Sie sollten ihre Aufgaben in Verantwortung wahrnehmen, dann kommen wir auch zu einem vernünftigen Ergebnis.

Eines sage ich Ihnen auch in aller Deutlichkeit: Gerhard Schröder und Werner Müller haben zu ihrer aktiven Politikerzeit eine völlig andere Auffassung von Managergehältern vertreten als jetzt.

(Beifall von CDU und FDP)

Auch Managergehälter unterliegen den Regeln von Angebot und Nachfrage. Managergehälter gegen Mitarbeitergehälter und Hartz-IV-Aufstocker auszuspielen, hilft uns in der jetzigen Diskussion nicht weiter.

(Beifall von einzelnen Abgeordneten der CDU – Carina Gödecke [SPD]: Tosender Beifall!)

Die von Ihnen im Übrigen geforderte gesetzliche Begrenzung von Abfindungen ist in diesem Jahr in den deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommen worden.

(Hannelore Kraft [SPD]: Unverbindlich!)

Unverbindlich, völlig richtig. Aber warten wir doch ab, was passiert. Auch Aufsichtsräte lesen Zeitung.

(Sören Link [SPD]: Donnerwetter!)

Auch Aufsichtsräte wissen um die Wirkungen ihrer Entscheidungen. Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir Vertrauen darin, dass die Fehlentwicklungen, die ich eingangs konstatiert habe, die wir auch sehen, durch die normalen Regeln, die dafür gelten, behoben werden können und am Ende des Tages wieder gilt, was § 87 Aktiengesetz vorsieht: Manager sollen das verdienen, was in einem angemessenen Verhältnis zur Lage ihres Unternehmens steht – nicht mehr, aber auch nicht weniger. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Brockes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer in einer Spitzenposition für ein Unternehmen und seine Mitarbeiter erfolgreich gute Arbeit leistet, darf auch gut bezahlt werden.

Wir als FDP sagen aber auch ganz klar: Dies heißt nicht, dass eine maßlose Erhöhung der Vorstandsgehälter bei erwiesener Erfolglosigkeit auf Kosten der Mitarbeiter geschehen darf. Dies gilt insbesondere, wenn Millionenzahlungen an den Vorstand zeitlich mit Fehlentscheidungen zulasten der Beschäftigen und Massenentlassungen zusammenfallen, wenn die Aufsichtsräte wie im Fall Siemens/BenQ oder Mercedes ihre Kontrollfunktion scheinbar nicht ausreichend wahrnehmen. Alle, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, müssen angemessen vom Unternehmenserfolg profitieren; denn jeder im Unternehmen hat zu dem Erfolg beigetragen.

Meine Damen und Herren, wenn trotz Misserfolgs und einer Entlassungswelle hohe Abfindungen an gescheiterte Manager als goldener Handschlag gezahlt werden, macht sie das angreifbar. Die

Manager und Unternehmer in Deutschland müssen deutlich machen, dass sie selbst Augenmaß bei Zeitpunkt und Höhe ihrer Gehälter und Abfindungen halten. Nur so kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft und ihre Führungspersonen wieder gestärkt werden. Hier gilt es für die Wirtschaft, dieses Thema und die sich darin widerspiegelnden Sorgen der Menschen ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, wie hoch dürfen Spitzenmanagerbezüge und Abfindungen sein? Was ist gerecht, insbesondere im Vergleich zum eigenen, zumeist wesentlich geringeren Gehalt? Diese Frage bewegt derzeit die öffentliche Diskussion. Ich bin mir sicher: Keiner von Ihnen im Saal kann mir als Antwort hierauf die einzig richtige Summe nennen. Das ist nur logisch; denn jedes Unternehmen ist völlig unterschiedlich, seien es die Größe, der Umsatz, der Gewinn, Mitarbeiterzahlen, Mitarbeiterprofil und ähnliche Dinge. Auch kein Manager oder Unternehmer ist gleich, nehmen Sie Alter, Ausbildung, beruflichen Werdegang, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Erfolgsdaten und Verdienst für das Unternehmen, vorangetriebenen Mitarbeiterzuwachs oder eben -abbau. Wie wollen Sie das in einem Gesetz regeln?

Zudem spielt bei dieser Frage des gerechten Empfindens das subjektive Element eine wesentliche Rolle. Meine Damen und Herren, Rufe nach Gehaltskürzungen per Gesetz, um Managerbezüge und Abfindungen zu begrenzen, sind einfach. Politiker prangern lauthals die Maßlosigkeit einiger weniger Führungskräfte an. Die „Süddeutsche Zeitung“ beschrieb dies zutreffend wie folgt: Die Bürger werden mit mundgerechten Häppchen versorgt. Schon jubelt das gesunde Volksempfinden, und die Politiker können sich über den Applaus freuen. – Herzlichen Glückwunsch, Frau Kraft!

Meine Damen und Herren, dabei vergessen Sie gerne einige wichtige Punkte zu erwähnen, nämlich folgende: erstens, dass die große Mehrzahl der Manager und Unternehmer in Deutschland funktions- und leistungsgerecht bezahlt wird,

(Ralf Jäger [SPD]: Woher wissen Sie das ei- gentlich?)

zweitens, dass Manager und Unternehmer einen zeitintensiven und stressigen Job haben, in dem sie oft und binnen kurzer Zeit folgenschwere Entscheidungen zu treffen haben, drittens, dass viele Manager und Unternehmer ihre Unternehmen erfolgreich und verantwortungsbewusst zum Wohle der Mitarbeiter und Arbeitsplätze führen, und vier

tens, dass gerade mittelständische Unternehmen oft persönlichen Bezug zu ihren Mitarbeitern haben und gerade auch zu deren Wohl selbst Risiken und Opfer in Kauf nehmen.

Meine Damen und Herren, wenn der Staat nach dem Mindestlohn auch noch den Höchstlohn regeln will, läuft etwas falsch in diesem Land. Nicht der Staat, sondern die Tarifparteien, Eigentümer und Aufsichtsräte sind hier zuständig. Ein Gesetz gegen Millionengagen und Abfindungen für Manager wäre Unsinn. Konzerne könnten Vorstände im Ausland anstellen und bezahlen. Andere Topleute würden einfach Deutschland den Rücken kehren. Eine Gehaltsobergrenze würde zudem gegen die im Grundgesetz verankerte Vertragsfreiheit verstoßen. Aber kann nur ein Gesetz die Selbsterkenntnis und Genügsamkeit fördern?

Die FDP hat sich dieses Themas bereits früh angenommen. Statt bloßer Leerparolen haben wir ein abgestimmtes Konzept entwickelt. Hierzu fasste der Landeshauptausschuss jüngst einen ausführlichen Parteibeschluss, mit dem eine wirkungsvolle Kontrolle von Unternehmen durch Stärkung der Aufsichtsgremien und eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg gefordert wird.

Die Aufsichtsräte der großen börsennotierten Unternehmen haben eine herausragende Verantwortung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Gemeinwesens. Führungsentscheidungen in diesen Unternehmen haben direkte Auswirkungen auf ganze Industriezweige. Sie haben direkte Auswirkungen nicht nur auf das eigene Personal, sondern in erheblichem Maße auch auf die Entwicklung kleiner und mittelgroßer Unternehmen, deren Geschäftsbasis in deren Umfeld direkt oder indirekt angesiedelt ist.

Eigentümer – das sind auch Aktionäre – haben einen unverzichtbaren Anspruch darauf, dass ihre Interessen durch Aufsichtsgremien vertreten werden, die mit höchster Kompetenz und mit größter Sorgfalt ihre Tätigkeit ausüben. Eine wirkungsvolle Kontrolle privater und öffentlicher Unternehmen ist nicht nur durch ein Höchstmaß an Transparenz und Effizienz zu gewährleisten. Hierzu gilt es außerdem, die Aufsichtsräte- und Eigentümerrechte durch verschiedene Maßnahmen zu stärken.

Da die meisten Unternehmen der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex zur Offenlegung von Vorstandsgehältern nicht folgen, ist zur Förderung der Transparenz eine Stärkung der Rechte der Hauptversammlung notwendig. Den Aktionären als Eigentümern der Gesellschaft soll durch eine Änderung des Aktiengesetzes die

Möglichkeit eingeräumt werden, durch Hauptversammlungsbeschluss zu entscheiden, ob und mit welcher Differenzierung die Vorstandsvergütungen veröffentlicht werden. Abfindungen bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit sollen gemäß des gültigen Kodex den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten, und es soll nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags vergütet werden.

Meine Damen und Herren, im Interesse einer stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg und am Unternehmenskapital spricht sich die FDP in Nordrhein-Westfalen dafür aus, dass die gegenwärtigen Vergütungsstrukturen von festen tariflichen Vergütungen zu einem Dreisäulenmodell fortentwickelt werden. Zu dem tariflichen Fixum sollten ein variables Gehalt sowie eine Aktienkomponente hinzukommen. In Analogie zu Vorständen und Geschäftsführern könnten Arbeitnehmer in Zeiten hoher Erträge an diesen angemessen beteiligt werden, ohne dass dies die Gefahr erhöhter Fixkosten für zukünftige, möglicherweise schwierigere Ertragssituationen heraufbeschwört. Eine Aktienkomponente würde darüber hinaus die Verbundenheit der Arbeitnehmer mit dem Unternehmen und dem nachhaltigen Unternehmenserfolg fördern.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

(Beifall von Rainer Schmeltzer [SPD])

Insoweit bin ich mir sicher, dass unser FDPKonzept mit konkreten Vorschlägen der richtige Weg ist und alle Interessenten und Interessierten so zu einem geeigneten und vernünftigen Ausgleich kommen. – Vielen Dank.