Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Deswegen ist es für jeden von uns immer ein großes Problem, mit diesen Dingen umzugehen. Man kann diese Fälle nicht allein zu Aktenfällen oder zu Aktenzeichen machen.

(Theo Kruse [CDU]: Stimmt!)

Nun wurde auf Folgendes hingewiesen: Seit Anfang dieses Jahres gilt ein neues Zuwanderungsrecht. Mit dem Kompromiss hat Deutschland akzeptiert, dass es ein Einwanderungsland ist. Es darf sich der Aufgabe, die Zugewanderten zu integrieren, nicht verschließen.

Leider gab es keinen politischen Konsens über das Problem der Kettenduldung und die Regelung der sogenannten Altfälle.

(Theo Kruse [CDU]: Siehe Schily!)

- Das können Sie bestätigen.

(Theo Kruse [CDU]: Siehe Schily!)

Es ist dringend nötig, dass wir eine deutschlandweite Regelung hierfür brauchen, weil Zehntausende von Menschen in Nordrhein-Westfalen davon betroffen sind. Nachdem sich unser früherer Innenminister Fritz Behrens in der Innenministerkonferenz für ein allgemeines Bleiberecht für langjährig geduldete, in die Gesellschaft wirtschaftlich und sozial integrierte Ausländer eingesetzt hat, möchten wir gern wissen, ob der jetzige Innenminister diese Linie fortführt.

Ein letzter Punkt: Ich möchte den Blick kurz auf ein weiteres Problem lenken. Uns sind Fälle bekannt geworden, bei denen es zu Abschiebungen kam, obwohl die Härtekommission des Landes oder der Petitionsausschuss des Landtags angerufen waren. Es ist deshalb wünschenswert, wenn vonseiten des Innenministeriums eine klare Weisung an die Ausländerbehörden erginge, für die Dauer des Verfahrens von Abschiebemaßnahmen abzusehen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Das hat - ich komme zum Schluss - auch etwas mit Respekt vor dem Petitionsausschuss als Organ des Landtags zu tun.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Es sollte eine Regelung geben. Aber für die Härtefallkommission gibt es sie nicht. Deswegen meine abschließende Bitte an Sie, Herr Innenminister, auch hier für Klarheit zu sorgen. - Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Orth, FDP-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen „Die Abschiebepraxis in NRW muss dringend geändert werden“ geht auf eine Thematik zurück, die sich sicherlich nicht für polemische Auseinandersetzungen eignet, da es sich häufig um Kinder, schwache und kranke Menschen handelt.

(Beifall von der SPD)

- Klatschen Sie nicht zu früh! Gerade vor diesem Hintergrund wundert es uns, dass Sie einen Artikel aus der „taz“ zum Teil unkommentiert übernehmen und diesen Artikel, der auf prätentiöse Art und Weise das Innenministerium und auch den Innenminister in seiner Person in die Kritik bringt, einfach so weitergeben. Das können wir so nicht akzeptieren, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Es geht natürlich um Fragen der Humanität. Es geht darum, dass Menschen einen langen Zeitraum hier waren und dass wir sie leider häufig zu lange in Ungewissheit darüber gelassen haben, ob sie nun hier bleiben dürfen oder nicht.

Selbst wenn die Antragsteller wissen - ich habe Zweifel daran -, dass ihr Verfahren im Ergebnis negativ beschieden wird, machen sie sich doch Hoffnungen. Sie leben in unserem Land und richten sich darauf ein, hier bleiben zu können. Anschließend findet es dann so nicht statt, wie sie es sich vorgestellt haben.

Wer das Asylrecht in seiner jetzigen Form und auch das Ausländerrecht in einer sinnvollen Weise erhalten oder weiterentwickeln will, der muss dies irgendwann konsequent vollziehen. Das muss auch in diesem Hause akzeptiert werden. Sonst stellen wir die Akzeptanz des Ausländer- und Asylrechts insgesamt infrage.

Wir vertrauen dabei in erster Linie auf die Behörden. Wir werden aber auch kritisch nachfragen, wenn es Anlass zu Fragen gibt. Wenn man Einzelfälle herausgreift, dann erwarte ich - Frau Düker, Sie sind schon fünf Jahre Parlamentsprofi -, dass man dies im Innenausschuss thematisiert, dass man meinetwegen dreimal nachfragt. Ich persönlich kann nicht erkennen, an welcher Stelle wir eine neue Positionierung der Politik in Nordrhein-Westfalen brauchen.

Wir reden hier -vermeintlich - über Einzelfälle, von denen wir nicht einmal wissen, ob sie so wie dargestellt abgelaufen sind. Dass wir die Politik, die die Vorgängerregierung angestoßen hat, nun plötzlich ändern müssen, ist einfach nicht zu erkennen. Wollen Sie mit Ihrem Antrag im Prinzip sagen, dass Sie in den letzten fünf oder zehn Jahren mit Rot-Grün falsch gehandelt haben?

Erklären Sie mir einmal, was wir konkret im Vergleich zu den Vorjahren ändern müssen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank. - Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Innenminister Dr. Ingo Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den Antrag der Grünen beschäftigen wir uns heute mit einem überwiegend bundesrechtlich bestimmten Thema.

(Monika Düker [GRÜNE]: Stimmt gar nicht!)

Die Spielräume für das Land sind eng, soweit wir überhaupt von Spielräumen sprechen können. Die gegenwärtige Gesetzes- und Erlasslage ist übrigens noch durch und durch geprägt durch RotGrün. Es hat keine Rechtsänderung gegeben. Das muss man deutlich sagen.

Warum dieser Antrag? Was hat sich verändert? Die Rechts- beziehungsweise Vollzugspraxis ist unverändert. Auch in all den Jahren, in denen die Verantwortung in den Händen der jetzigen Opposition lag, kam es zu derartigen bedauerlichen, aber im Einzelfall nicht vermeidbaren Fällen. Gleich komme ich darauf zurück.

Was hat sich geändert? Der Wähler hat Ihre Rolle geändert. Das führt dazu, dass Sie nun aus der Rolle der Opposition heraus Verfahren kritisieren, die Sie früher als Regierung stets mit zu verantworten hatten.

(Beifall von CDU und FDP)

Man muss schon ein schlechtes Gedächtnis haben, um einen solchen Antrag so kurz nach der Wahl einzubringen. Sie schildern zwei Fälle, von denen einer noch in Ihrer Regierungszeit stattfand. Der andere tauchte vier Tage nach Ernennung der Landesminister auf. Da zu behaupten, hier hätte sich irgendetwas grundlegend ändern können, ist einfach kurzsichtig.

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, unterstellen den 93 kommunalen Ausländerbehörden, sie hielten sich nicht an das für alle geltende Ausländerrecht und die besonderen Vorgaben meines Hauses und betrieben eine unmenschliche Rückführungspraxis. - Dies weise ich mit aller Deutlichkeit zurück.

Frau Düker, ich finde es unverschämt, den Namen eines leitenden Beamten einer Kreisverwaltung hier wörtlich zu zitieren und ihm mit solchen Worten zu schmähen. Die Leute tun ihre wahrlich nicht einfache Arbeit. Das sage ich Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich weiß gerade von dem Kollegen, den Sie angesprochen haben, dass er sich sehr bemüht,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Was für ein Staatsverständnis! - Zurufe von den GRÜ- NEN)

die Dinge human abzuwickeln.

Nordrhein-Westfalen hat - einmalig in der Bundesrepublik - auf diesem Gebiet besondere Standards gesetzt. Das sind gerade die im Antrag erwähnte Checkliste sowie der Informations- und Kriterienkatalog. Frau Düker, dort ist all das, was Sie ins Nebulöse ziehen wollen - inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und die OVGRechtsprechung - konkretisiert. Es geht unter Wahrung eines rechtlich und humanitär einwandfreien Vollzugs um die konsequente und zügige Durchsetzung von gesetzlichen Ausreisepflichten.

Mein Haus ist allen in dem Antrag geschilderten Einzelfällen nachgegangen. Herr Kollege Dr. Orth und Herr Kruse haben das schon erwähnt. Die Stellungnahmen der Ausländerbehörden ergeben keine Anhaltspunkte dafür, dass die jeweiligen Rückführungen nicht in rechtlich einwandfreier Art und Weise durchgeführt worden sind.

Zu der Sache selbst ist Folgendes zu sagen: Wegen der Ferienzeit mussten die Abflugzeiten für zwei Charterflüge aufgrund der Slotsituation am Flughafen Düsseldorf ausnahmsweise auf 8:40 Uhr festgelegt werden. Das heißt, es geht überhaupt nicht um irgendwelche nächtlichen Überfallkommandos, sondern um Abflugzeiten, die Sie auch im privaten Verkehr erleben. Das ist bedauerlich, aber es ist so. Es ist auch in der Vergangenheit in Ausnahmefällen so veranlasst worden.

Wann immer möglich wurden und werden frühe Abflugzeiten bewusst vermieden. Beispielsweise hat die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf für den nächsten Charterflug nach Istanbul eine Abflugzeit von 12 Uhr angesetzt. Sie wird das so weit als möglich auch für künftige Flüge tun.

Diese Fakten sind den Kritikern bereits schriftlich dargelegt worden. Sie werden jedoch wissentlich ignoriert. Sie können sicher sein …

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Steffens?

Von Frau Steffens, ja.

Herr Minister, Sie haben eben Frau Düker dafür gerügt, dass sie Beamte kritisiert hat, und gesagt, das dürfe man nicht tun. Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Frau Düker nur Herrn Johannes Schäfer von der Diakonie zitiert hat?

Zunächst einmal hat sich der Herr inzwischen entschuldigt. Zum Zweiten ist es ein geschickter Trick, Dritte als Zeugen zu benennen, um sich das selber zu Eigen zu machen. Das ist genauso schlimm.

(Beifall von CDU und FDP)