Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Auch hierbei ist die kommunale Verantwortung wichtig. Denn jeder Fall ist anders, Frau Beer. Jede Lösung kann nur für eine Stadt und für eine bestimmte Region entwickelt werden. Diese kommunale Sicht ist Ihnen natürlich fremd, weil Sie die kommunale Sicht von der Landesebene aus regeln möchten.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Für Winterberg, Hallenberg und Medebach, um das aufzunehmen, sieht die Lösung anders aus als für Köln oder Paderborn.

(Zuruf von der SPD: Dann lassen Sie sie entscheiden!)

Schulverbünde, Verbundsschulen, Dependancen sind neue Möglichkeiten, die das Schulgesetz bietet. Sie fordern aber gerade auch die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Kommunen stärker ein. Das Konzept der Gemeinschafts- oder Einheitsschule von Rot-Grün bedeutet: Vorteile einer Kommune zulasten einer anderen. Das wiederum bedeutet Schulkannibalismus.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU] – Zurufe von der SPD)

Das ist alles andere als eine Stärkung der Kommunen. Das ist die Stärkung von Kommunen, aber keine Stärkung der Kommunen insgesamt.

Bei der Überwindung der klassischen Trennung zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten scheint bei Ihnen ein Erkenntnisprozess in Gang zu kommen.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Ihre Regierung hat bis 2005 überhaupt nichts, Frau Schäfer, getan, um bei dieser Frage überhaupt pragmatisch ein Stück weiter zu kommen.

(Ute Schäfer [SPD]: Das wissen Sie doch überhaupt nicht!)

Die Stellen der Schulsozialarbeiter wurden doch durch die neue Koalition entfristet. Dadurch wurden Fakten geschaffen. Die Einstellung von 250 Schulassistenten ist ein neuer pragmatischer Weg, um innere und äußere Schulangelegenheiten auseinander zu legen. Wenn Sie die Grundsatzfrage stellen, werden Sie sich auch in den nächsten zehn Jahren nicht bewegen.

(Ute Schäfer [SPD]: Ach!)

Aber dieser Weg muss gegangen werden: Die Weiterentwicklung der selbstständigen Schule zur eigenverantwortlichen Schule ist keine Frage der Kommunen allein. Aber Sie werden in den nächsten Wochen sicherlich zur Kenntnis nehmen, dass es wichtig ist zu wissen: Eigenverantwortliche Schule ist mehr als selbstständige Schule. Die eigenverantwortliche Schule schafft ganz neue Freiräume für Kommunen und für die einzelne Schule.

Das Land muss nur eines sicherstellen – Frau Schäfer hat eben die Kapitalisierung angesprochen –: Gerade bei der Kapitalisierung ist Miss

bräuchen doch ernsthaft zu begegnen! Wir können doch nicht landesweit unterschiedliche Besoldungsniveaus zulassen. Wir haben als Land eine Verantwortung, dass auch bei eigenverantwortlichen Schulen vernünftig und nicht mit Dumpingpreisen bezahlt wird.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ein Ablenkungsma- növer!)

Das müssten Sie sich merken und im Einzelfall anschauen. Das muss gewährleistet sein. Deshalb gibt es einen bestimmten Rahmen.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Landesweit ist es erfreulich festzustellen, dass Bildung für viele Kommunen Standortfaktor ist, dass die Leuchttürme landesweit erkennbar sind, dass Wirtschaft, Gewerkschaften, Schule, Bürgerschaft und politische Kommune stärker zusammenarbeiten und das neu austarieren.

(Ute Schäfer [SPD]: Ach ja?)

Das bestärkt die Koalition und Frau Sommer darin, dass Bildung als Zukunftsthema Nummer eins immer stärker begriffen wird. Um dies umzusetzen und nach vorne zu bringen, bedarf es dieses Antrags der Grünen nicht. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kaiser. – Für die FDP hat nun Herr Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Bedarf für die landesweite Änderung der Schulstruktur in der Sekundarstufe I ist derzeit nicht erkennbar.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ach!)

Jeder der drei Bildungsgänge hat seine eigene fachliche und pädagogische Spezifik sowie ein eigenes Anforderungsniveau in der theoretischen Komplexität der Wissensvermittlung und korrespondiert deshalb mit den jeweiligen Schülerprofilen unterschiedlicher Begabungen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Da wird die re- gionale Mittelschule gecancelt! Was sagt denn Ihr Parteivorsitzender dazu?)

Wichtiger als eine Schulstrukturdebatte ist aber zweifellos eine Qualitätsdebatte, um den Defiziten, die wir bei PISA und vorher schon bei TIMSS und BIJU gesehen haben, konsequent entgegenzuwirken.

Gerade in der Gesamtschule – schauen Sie sich doch einmal BIJU an – sind die Fördereffekte im Kompetenzerwerb signifikant geringer als in einem nach Begabung differenzierten Schulsystem. Es ist deshalb nicht politisch zu verantworten, dass mehr Kinder Einheitssysteme im Bildungsbereich besuchen.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Der Abbau schulstruktureller Differenzierung führt zu mehr Nivellierung,

(Widerspruch von den GRÜNEN)

die kein bildungspolitisches Ziel sein kann.

(Beifall von der FDP)

Schulstrukturdebatten haben in der Vergangenheit noch nie zu einer Verbesserung der Bildungsqualität beigetragen.

(Ute Schäfer [SPD]: Das stimmt!)

Im Gegenteil: Die PISA- und TIMSS-Studien zeigen auf, dass vor allem diejenigen Bundesländer in der internationalen Oberliga mitspielen, die ihr gegliedertes Schulsystem am nachhaltigsten pflegen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die FDP lehnt es daher ab, auf dem Rücken der Schüler eine ideologische Schulstrukturdebatte zu führen und mit dem Experiment der Einheitsschule dem Bildungsland Nordrhein-Westfalen über Jahre hinweg nachhaltig zu schaden.

(Ute Schäfer [SPD]: Ihr Beitrag ist völlig ü- berflüssig!)

Bei allem Verständnis, das gerade Liberale für Bildungsökonomie haben, darf die vermeintliche Kosteneffizienz großer anonymer Schulsysteme nicht über qualitative Aspekte und Anforderungen einer bestmöglichen individuellen Förderung gestellt werden.

So ist beispielsweise für die Hauptschule der hohe Praxisbezug charakteristisch sowie die Konzentration auf die Vermittlung von Basiskompetenzen und Grundfertigkeiten, insbesondere für die Schülerschaft, die einen hohen Förderbedarf aufweist. Für ein überdurchschnittliches Maß an persönlicher Zuwendung oftmals bildungsbenachteiligter Jugendlicher sind Hauptschulen als kleine überschaubare Systeme mit einem engen Schüler-Lehrer-Verhältnis pädagogischer wertvoller als ein anonymer Massenbetrieb.

Einen Hinweis noch zu Ihren Ausführungen über die Demografie: Auch wenn der Satz nicht schön

ist, die Demografie gewinne weniger Schüler bei gleichbleibender Lehrerzahl, bedeutet das politisch, dass wir keine einzige Lehrerstelle abbauen – auch nicht bei zurückgehenden Schülerzahlen –, heißt das – es sei denn, Sie wollen im Land etwas anderes ankündigen; dann machen Sie das aber bitte hier auch ganz offen –, dass durch zurückgehende Schülerzahlen bei konstanten Lehrerzahlen keine einzige Klasse weniger vorhanden ist und dass dadurch bedingt keine einzige Schule schließen muss. Der Effekt – ein Rückgang der Schülerzahlen um 10 %, der vom Landesamt für Daten und Statistik für die nächste Legislaturperiode zwischen 2010 und 2015 prognostiziert ist – führt dazu, dass in vielen Schulen nicht mehr 30 Schüler in der Klasse sitzen, sondern 27, weil die Lehrer korrespondierend bleiben.

(Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD]: Gucken Sie sich doch das Wahlverhalten der Eltern an!)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Schäfer?

Aber gerne doch.

Bitte schön, Frau Schäfer.

Herr Witzel, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie sicherstellen wollen, dass keine einzige Schule geschlossen wird?

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)