Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

Die Abschlagsbeträge basieren mehr auf vorläufigen Schätzungen als Berechnungen. Die Problematik der Berechnung der Belastungen der Kommunen an den Lasten aufgrund der deutschen Einheit wird überall diskutiert. Das ist ein schwieriges und komplexes Thema.

Meine Damen und Herren, mit dem Abschlagsgesetz, das wir heute plenar behandeln, wird die rechtliche Grundlage zunächst einmal für die zügige Auszahlung dieser Abschläge an die Kommunen gelegt. Ich will auch nicht verhehlen: Im Beratungsverfahren haben uns zahlreiche Klagen, und zwar nicht nur der klageführenden Kommunen, sondern auch vieler anderer, insbesondere abundanter Kommunen, erreicht, in denen sie beklagen, dass sie bei der ursprünglichen Regelung „leer“ ausgingen, sie also bei Verteilung nach Schlüsselzuweisung keine Zahlung erhielten, obwohl sie hohe Gewerbesteuerumlagebeträge gezahlt hätten. Bonn, Düsseldorf wurden schon genannt. Ich kann Neuenrade, Schalksmühle, Erndtebrück, Neuenkirchen, Kreuztal und viele andere an dieser Stelle hinzufügen.

Andererseits haben wir ebenfalls feststellen können, dass es andere Kommunen gibt, die, obwohl sie nur geringe Gewerbeumlagesteuer gezahlt haben, beträchtliche Beträge bei dieser Abschlagszahlung erhalten. Dieses Ergebnis stimmt in der Tat nachdenklich.

Es vermittelt bei vielen betroffenen Kommunen, manchmal aber auch darüber hinaus bei mir das Gefühl von Ungerechtigkeit: Das könne so nicht richtig sein. Dennoch haben sowohl die Sachverständigen der Landesregierung, die kommunalen Spitzenverbände, die Experten der Anhörung im Landtag den im Abschlagsgesetz geregelten Verteilungsmaßstab in der Systematik des GFG als rechtlich nicht zu beanstanden bezeichnet. Das nehmen wir selbstverständlich auch zur Kenntnis.

Die Fraktionen von CDU und FDP haben bei der Rückzahlung im Rahmen des Abschlags, also der vorläufigen Regelung, eine Möglichkeit gesucht, im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes die abundanten Kommunen bereits jetzt in dem

Verhältnis, wie das GFG die Investitionspauschale vorsieht, nämlich mit 13 %, zu beteiligen.

Darüber hinaus wird es aber in jedem Fall noch ein zu beratendes Abrechnungsgesetz geben, in dem die endgültige Höhe der Beiträge der Kommunen zu den Kosten der deutschen Einheit, die Verteilungsregelung – auch von Rückzahlungen – sowie auch die Umlagewirksamkeit festzulegen sein werden.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen selbstverständlich auch, dass der Finanzminister berichtet hat, dass in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Gutachten zur Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten, Lösungsvorschlägen für die Bestimmung der Höhe der Einheitslasten und des Verhältnisses der Gewerbesteuerumlage zum Länderfinanzausgleich beauftragt ist. Dabei soll dann auch die Rechtmäßigkeit unterschiedlicher Verteilungsmaßstäbe geprüft werden – sowohl in der Systematik des Gemeindefinanzierungsgesetzes als auch bezüglich der von den vielen abundanten Kommunen geforderten anteiligen Rückzahlung.

Darüber hinaus erwarten und erhoffen wir uns aus dem Gutachten zur Modernisierung des kommunalen Finanzausgleichs, das im kommenden Monat vom ifo Institut vorgelegt werden soll, auch Empfehlungen zu einer dauerhaft gerechten Lösung für künftige Abrechnungen und Rückerstattungen.

Meine Damen und Herren, die Kommunen können die zusätzlichen Mittel sehr gut gebrauchen. Denn auch trotz der gegenwärtig positiven Entwicklungen bei den Steuereinnahmen sind viele weiterhin hoch verschuldet. Insbesondere die Höhe der Kassenkredite hat in vielen Gemeinden ein bedenkliches Niveau erreicht. Wir müssen uns deswegen auch mit der Frage der Gemeindefinanzen deutlicher und intensiver auseinandersetzen.

Ich bin mir sicher, dass wir in der Debatte um das Gutachten des ifo Instituts zur Modernisierung des kommunalen Finanzausgleichs zahlreiche Diskussionen über Handlungsempfehlungen bekommen werden. Wir sind auch auf gutachterliche Unterstützung angewiesen. Das haben wir in dem Beratungsverfahren gemerkt.

Es ist ein ausgesprochen komplexer Sachverhalt. Deswegen halte ich es, gerade um im Sinne der Kommunen Rechtssicherheit und eine gerechte Lösung zu erreichen, auch für logisch und konsequent, dass wir uns für diesen Prozess – Findung einer gerechten Lösung für unsere Kommunen – die notwendige Zeit nehmen.

(Beifall von der FDP)

Wir haben uns allerdings – ich glaube, auch das wird immer mehr deutlich – über die Fragen des Länderfinanzausgleichs, der Umsatzsteuertransferleistungen, der Systematik der Umlagegrundlagen im Steuerverbund hinaus auch noch mit der Frage einer grundlegenden Gemeindefinanzreform auseinanderzusetzen.

Dabei erwarte ich in der Tat, dass wir die Debatten der Vergangenheit vielleicht beiseite lassen. Sie wissen, dass wir einen Vorschlag für eine grundlegende Gemeindefinanzreform mit einem höheren – 11,5%igen – Anteil der Kommunen am Umsatzsteueraufkommen und einem eigenen Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer bei gleichzeitigem Wegfall der Gewerbesteuer in die Diskussion eingebracht haben.

Wir haben zu vielen Punkten im Zusammenhang mit der Ausstattung der Finanzen unserer Kommunen Handlungsbedarf. Ich würde mich freuen, wenn wir, auch im Interesse der Kommunen, ein konstruktives Miteinander suchten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Körfges. Wollen Sie die noch beantworten oder nicht?

(Carina Gödecke [SPD]: Ich denke, wir reden miteinander!)

Okay. – Dann ist jetzt Herr Becker von den Grünen an der Reihe. Bitte schön, Herr Becker.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer der Debatte aufmerksam folgt, muss den Eindruck gewinnen: Die Koalition ist gerade wieder einmal dabei, Wohltaten unter die Menschen zu streuen. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man: Es geht nicht um Wohltaten, sondern um einen relativ müden Anfang der Rückzahlung dessen, was den Kommunen – übrigens gegen den Rat der Opposition – seit Anfang 2006 fälschlicherweise, wie es auch vom Gericht festgestellt worden ist, weggenommen worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minis- ter Dr. Helmut Linssen – Ewald Groth [GRÜ- NE]: Diebstahl ist Diebstahl!)

Selbstverständlich, Herr Linssen. Sie können das in Ruhe nachlesen. Die Protokolle sind vorhanden.

Ich habe damals beim GFG davor gewarnt, dass es anlässlich des Solidarbeitragsgesetzes, das Sie ändern, zu einer Überzahlung der Kommunen kommen werde. Ich bin damals von einer, wie ich zugebe, zu niedrigen Zahl ausgegangen: von ungefähr 250 Millionen €. Es sind dann – eingeführt durch das Gutachten von Prof. Junkernheinrich, zusammen mit den Kommunen – 450 Millionen € geworden.

Ich weise zunächst einmal darauf hin, dass diese Landesregierung in dem gesamten Gerichtsverfahren – das betrifft übrigens auch die Anfragen, die ich vorher zu diesem Thema gestellt habe – nie sauber geantwortet hat. Sie haben sich auch nicht ohne Grund, sondern aus Ihrer Sicht mit Grund dazu entschlossen, in dem Prozess taktisch keineswegs mit einer eigenen Zahl zu operieren, sondern immer nur mit der simplen Behauptung, es gebe keine Überzahlung, die den Kommunen zurückzuerstatten sei. Ich stelle fest: Damit sind Sie gescheitert.

Zweite Feststellung: Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die Summe von 450 Millionen €, die Sie vom Verfahren her offensichtlich strittig stellen wollen – darauf komme ich gleich noch einmal zurück –, im Verhältnis zu dem, was im Jahr 2007 überzahlt worden ist, niedrig ist. Sie werden sich trotz der Absenkung der Eckwerte damit auseinanderzusetzen haben, dass die Zahl für das Jahr 2007 über 450 Millionen € liegen wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Drittens lege ich Wert auf die Feststellung, dass das, was Sie jetzt im Nachtragshaushalt, auch mit den Koalitionsfraktionen, machen, im Gegensatz dazu eine degressive Abschlagszahlung ist: 280 Millionen € für das Jahr 2006, 220 Millionen € für das Jahr 2007 und 150 Millionen € für das Jahr 2008.

Zunächst einmal fällt auf, dass es degressiv ist, und zweitens stellt sich die Frage: Was könnte das Motiv sein? Wieder ist ein Blick auf das Verfahren wichtig. Wir stellen fest: Sie bezweifeln das, was in dem Gutachten Junkernheinreich steht, obwohl Sie nie mit eigenen Zahlen operiert haben.

Wir stellen auch fest: Sie haben, obwohl Herr Palmen im Kommunalausschuss etwas anderes behauptet hat, keineswegs ein Einvernehmen mit den Kommunen darüber, dass die 450 Millionen € in Zweifel zu ziehen sind. Vielmehr haben Sie ein Einvernehmen darüber, dass sie, wenn sie das bezweifeln, bitte schön einen Gutachter beauftragen sollen, der das noch einmal neu rechnet. Das

ist kein Einvernehmen in der Sache, sondern ein Einvernehmen im Dissens.

Das läuft jetzt vor dem Hintergrund der richterlichen Auflage, bis wann Sie zurückzuzahlen haben, ab. Das ist nämlich ein ganz wichtiger Punkt. Sie haben jeweils bis zum Ende des übernächsten Haushaltsjahres zurückzuzahlen: also für 2006 bis Ende 2008, für 2007 bis Ende 2009 und für 2008 bis Ende 2010. Sie wollen sich mit diesen degressiven Abschlagszahlungen ganz offensichtlich bis nach den Wahlen 2009 – Kommunalwahl – und 2010 retten.

Sie befürchten ja offensichtlich eine Überzahlung für die Jahre 2006 und 2007, wenn Sie die 150 Millionen € ausschütten. Wir werden wohl auf der Strecke erleben, dass Sie versuchen, bei den Rückzahlungen deutlich unter dem zu bleiben, was der kommunalen, der gutachterlichen und damit faktisch auch der richterlichen Sichtweise entspricht.

Aber Sie machen nicht nur das, sondern auch ein Weiteres. Sie wenden bei der Rückzahlung ein Sonderverfahren an, das von der Erhebung in der Berechung abweicht, wie die Kommunen die Lasten mit tragen sollen.

Ich will ganz deutlich sagen – auch das habe ich damals gesagt, Herr Dr. Linssen –, dass ich das neue Berechungsverfahren, nicht die Überzahlung, für richtig gehalten haben, weil ich den Nutzen der alten sondergesetzlichen Regelung in Nordrhein-Westfalen, die von der Regelung in anderen Bundesländern abwich, nicht eingesehen habe. Sie ging zulasten der ärmeren Kommunen und hat die reicheren bevorteilt.

Das ist auch der Grund, warum das Gericht diesen Teil der Klage zu Recht abgewiesen hat. Aber man kann daraus jetzt nicht schließen: Weil die horizontale Verteilung bei der Erhebung erlaubt ist, kann man bei der Rückzahlung überzahlter Beträge nunmehr wiederum ein beliebiges Verfahren anwenden, also die Gelder geradezu auf dem Wege der Lotterie zurückzahlen. „Lotterie“ sage ich nicht einfach dahin, denn es gibt bis zu 20 Kommunen, die jetzt mehr zurückbekommen, als sie eingezahlt haben. Das ist Absurdistan.

Das halte ich also, um es vorsichtig zu sagen, für eine sehr gewagte Begründung. Ich sage Ihnen: Die neue Klage der abundanten Kommunen sehe ich persönlich mit großen Erfolgsaussichten behaftet. Ich würde mir wünschen, dass man die Debatten über eine horizontale Verteilung im Zusammenhang mit dem GFG – wohin sie auch gehören – und dort führt, wo man über die Erhebung

redet, dass man aber nicht bei diesen Auszahlungen beliebige Verfahren wählt.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest:

Erstens. Sie verteilen keine Wohltaten, sondern Sie sind dabei, sich aus einer Rückzahlung von zu viel geleisteten Beträgen der Kommunen teilweise herauszustehlen.

Zweitens. Sie sind an einem Punkt, an dem Sie sich meiner Meinung nach auf der Zeitachse hinter Wahlen pfuschen wollen.

Drittens. Sie wählen ein Auszahlungsverfahren, das gegenüber der kommunalen Familie willkürlich und obendrein noch mit Bedingungen verknüpft ist, die dort nicht hingehören, weil Sie vorher zu hohe Beiträge erhoben haben. Übrigens entsprechen die zu viel erhobenen Beiträge ziemlich genau dem, was Sie bei Nachtragshaushalten zum Teil als Ihr eigenes solides Wirtschaften darstellen.

Mit anderen Worten: Sie führen uns hier ein kommunalfeindliches Stück aus dem finanzpolitischen Tollhaus auf.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Finanzminister Dr. Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute abschließend über den Haushalt für das Jahr 2007. Mit dem heute zur Entscheidung anstehenden zweiten Nachtragshaushalt wird der parlamentarische Schlusspunkt für ein sehr gutes und erfolgreiches Haushaltsjahr gesetzt. Das tut der Opposition weh. Deshalb argumentiert sie ja auch so, wie wir es hier die ganze Zeit erleben.

Die Daten und Fakten sprechen für sich. Unter Berücksichtigung der im zweiten Nachtrag enthaltenen Veränderungen sowie der durch den Haushalts- und Finanzausschuss empfohlenen Beschlüsse sinkt die Nettoneuverschuldung auf knapp 1,86 Milliarden €. Sie fällt damit – das ist nun wirklich mehr als erfreulich – um rund 480 Millionen € niedriger aus als geplant.

Nach 6,6 Milliarden € neuer Schulden im Jahr 2003, nach 6,7 Milliarden € neuer Schulden im Jahr 2004 und nach nochmals 6,7 Milliarden € neuer Schulden im Jahr 2005 haben wir mit 3,2 Milliarden € Neuverschuldung für 2006 und 1,86 Milliarden € für 2007 die Trendumkehr bei

der Nettoneuverschuldung geschafft. Jeder kann es sehen, meine Damen und Herren: Wir haben Schluss gemacht mit dem Schuldenmachen der Vorgängerregierung in schwindelerregender Höhe.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Die Zahlen sagen etwas anderes, Herr Minister!)