Das Zweite ist, dass Sozialstaat Armut bekämpfen muss. Und auch da sind Sie auf dem Holzweg. Denn wir sagen: Es muss des Staates sein, was des Staates ist, aber es muss des Arbeitgebers sein, was des Arbeitgebers ist. Und deshalb brauchen wir im Zweifel staatliche Mindestlöhne und keine Staatssubventionen in die Löhne über Kombilöhne, wie Sie es fordern.
Nein, keine Zwischenfrage. Wir können das von mir aus bis zum SanktNimmerleinstag weitermachen, aber jetzt rede ich erst einmal.
Dann kommen wir zum zweiten Punkt. Sie scheuen sich doch inzwischen, Ihre Formel „Privat vor Staat“ im Regierungsprogramm als offenes Bekenntnis vor sich her zu tragen. Richtig so!
Wir sind gegen eine solche neoliberale Formel, und wir sind als Sozialdemokraten gleichfalls gegen die Allmachtsvisionen der Linken, die da sagen: Der Staat kann alles. Staat vor Privat. – Das ist genauso vorgestrig wie Ihre Position, meine Damen und Herren.
Deshalb sagen wir: Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat – solide finanziert –, der im Zweifel auch als handlungsfähiger Staat, als Partner Staat, die Marktwirtschaft da resozialisieren kann und muss, wo Nokia und andere sie kriminalisieren. Das ist unser Punkt in der Auseinandersetzung.
Dann kommen wir auf das Kauderwelsch vor allen Dingen der CDU zu sprechen. Volker Kauder hat uns ja qua Zeitung ermahnt, sich nach rechts und links abzugrenzen, sei die große historische Aufgabe der großen Parteien. – Dann gucken wir uns doch mal an, wie bei Ihnen die Abgrenzung nach rechts aussieht.
Ich will der Fairness halber sagen: Otto Wels und das Ermächtigungsgesetz kann ich nicht gegen Sie wenden, weil sie mit Recht sagen, dass Sie erst nach dem Krieg gegründet wurden. Gleichwohl waren es nicht unsere Leute, die Hitler und anderen in die Ermächtigung verholfen haben.
Dann machen wir weiter: Die Globkes und die Lübkes, die Filbingers und Oettingers beweisen eines: dass es bei Ihnen die ungebrochene Tradition gibt, dass der rechte Rand bei Ihnen eben keine rechte Randgruppe ist, sondern dass er immer wieder den Weg in Ihre Mitte findet.
Dann will ich daran erinnern, dass es weder Kurt Beck noch Gerd Schröder waren, die mit Bimbes schwarz-gelbe Parteitagsmehrheiten gekauft haben und der Demokratie Hohn gesprochen haben. Das waren nicht unsere Leute, meine Damen und Herren.
Und es war auch kein Sozialdemokrat in Hamburg, der sich das Kainsmal von Schill hat auf die Stirn tätowieren lassen.
Und es waren auch nicht unsere Leute in Hessen, die mit jüdischen Vermächtnissen und mit Doppelpass-Hasskampagnen Vorlagen für Rüttgers und Rechts in Nordrhein-Westfalen und seinen Wahlslogan „Kinder statt Inder“ geliefert haben. Auch das waren nicht wir.
Da ich den Kollegen Hegemann sehe, fällt mir noch ein, dass der Schatten von Herrn Hohmann bis auf die Kreisgeschäftsstelle der Union in Recklinghausen und nicht auf unsere gefallen ist. Und ich will darauf hinweisen: Wenn man vom GAU für das Parlament und die Demokratie spricht, dann sollte man sich die Schlagzeile zu Uckermann und „pro Köln“ angucken. Wer bei denen zum Gauleiter aufsteigen will, hat in Ihrer Partei eigentlich schon längst nichts mehr zu suchen, meine Damen und Herren.
Dann kommen wir zur Auseinandersetzung mit Links. Wie sieht die denn aus? Wer hat denn Menschen und Moneten der Blockparteien OstCDU und Bauernpartei bei sich einverleibt? Waren Sie das, oder waren wir das? – Sie waren es. Wenn in Deutschland rote Socken gestopft werden, dann geschieht das doch auf Ihren Parteitagen und nicht auf unseren Parteitagen.
Und wer war immer dabei, als Kohl mit der Nulltarif-Lüge blühender Landschaften Wahlbetrug begangen hat? War das Dr. Rüttgers, oder waren das unsere Leute? – Nein, das war Dr. Rüttgers als parlamentarischer Geschäftsführer, als Bundesminister und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bund.
Von daher: Seien Sie nicht naseweis. Wir halten es mit Pinkwart: erst die Programme und Personen angucken, dann urteilen, aber nicht vorurtei
(Lang anhaltender lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Bravo! Zugabe! – Helmut Stahl [CDU]: Billiger geht es nicht! – Gegenruf von Achim Tüttenberg [SPD]: Das war schon wieder ein taktischer Fehler, Herr Stahl! – Heike Gebhard [SPD]: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Stei- nen werfen!)
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Groschek. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Priggen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehen Sie es mir nach, dass ich nicht mit der gleichen Lautstärke wie meine drei Vorredner in die Debatte einsteigen möchte. Denn hier ist derartig weit der Mantel der Weltgeschichte gestreift worden: von der Oktoberrevolution und dem Aufstand der Anständigen
über die Weltrevolution und die Trotzkisten bis hin zu Hitlers Ermächtigungsgesetz. Das heißt, hier ist das ganz große Rad der Geschichte gedreht worden.
Ich sage ganz ehrlich: Ich habe den Eindruck, dass das das letzte Thema ist, bei dem sich CDU und FDP noch einig sind und bei dem sie hier Einigkeit zelebrieren können.
Wenn ich mir den entsprechenden Artikel in der heutigen Ausgabe des „Kölner Stadt-Anzeigers“ sorgfältig Zeile für Zeile durchlese, kann ich das auch nachvollziehen.
Bisher überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist – das möchte ich doch einmal sehr klar sagen – die Frage nach den Ursachen. Warum wählen Wähler und Wählerinnen eigentlich die PDL? Bei uns allen besteht doch Konsens darüber, dass die Konzepte und Papiere dieser Partei – auch der hier vorgelegte
Entschließungsantrag – qualitativ unterste Schublade sind. Alles das – da können wir die Papiere quer durchgehen – ist überhaupt nicht dazu geeignet, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Wir können es auch fachlich durchdeklinieren. So sind die Positionen im Energiebereich entweder abgeschrieben oder nicht von dieser Welt. Damit können Sie keine vernünftige Politik machen. Darüber sind wir uns doch wahrscheinlich sogar über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig.
Vor diesem Hintergrund müssen wir fragen: Warum wählen die Leute auch im Westen dann diese Partei? – Sie wählen sie nicht wegen der Konzepte. Sie wählen sie auch nicht, weil sie Sehnsucht nach Stasi und Mauerbau haben. Wir können aus den Wählerwanderungen sehen, dass auch nennenswerte Anteile von Wählerinnen und Wählern von der CDU zur Partei der Linken gewechselt sind. Denen unterstelle ich nun keine Sehnsucht nach Mauerbau oder Ähnlichem.
Die Frage ist doch: Warum wählen die Leute diese Partei? – Sie tun das nicht wegen der Inhalte, sondern weil dies ein Stück weit Protestpotenzial ist. Sie wählen diese Partei, weil es in der Gesellschaft zunehmend ein Gefühl von Unsicherheit und sozialer Bedrohung sowie eine real erlebte soziale Schieflage gibt, die zunimmt. Das sind die Ursachen.
Im Übrigen gehen diese Ängste bis weit in die Mittelschicht der Bevölkerung hinein. Diejenigen, die früher als Facharbeiter bei namhaften großen Unternehmen tätig waren, dort feste Jobs hatten und sicher waren, haben heute Angst – weit in die Gesellschaft hinein. Die unendliche Kette der Ankündigungen, Arbeitsplätze abzubauen – ich nehme nur die letzten; ob es BenQ war, Nokia oder BMW –, steht für diese Ängste in der Gesellschaft.