Diese Dame erzählte, sie wäre fassungslos gewesen. Sie sei in Deutschland geboren, ihre Tochter sei in Deutschland geboren, ihre Tochter sei in den Kindergarten gegangen, habe die Grundschule besucht. Das heiße, sie seien Deutsche durch und durch. Dann stellt sich für mich die Frage: Was müssen Migrantinnen und Migranten, egal welcher Glaubensrichtung, noch tun, um als Deutsche akzeptiert zu werden? Was müssen sie noch mehr tun?
Stellt man die Ergebnisse der unterschiedlichen Umfragen gegenüber, so muss die Schlussfolgerung sein, dass es nicht die Muslime sind, die sich nicht integrieren wollen, sondern dass es die Aufnahmegesellschaft ist, die Abweisungstendenzen zeigt. Dafür haben wir fraktionsübergreifend die Integrationsoffensive 1 gestartet, gemeinsam dem Aktionsplan „Integration“ zugestimmt und versuchen jetzt auch fraktionsübergreifend die Integrationsoffensive 2 auf den Weg zu bringen.
Der Schwerpunkt der Maßnahmen ging bisher in Richtung Migrantinnen und Migranten. Ich nenne Ihnen einige Beispiele aus dem Aktionsplan: Sprachförderung, Förderprogramm KOMM-IN Nordrhein-Westfalen, Migrationsfachdienste und das Thema Einbürgerung. Es ist Zeit, dass wir uns Maßnahmen, Programme und Aktionen überlegen, um den interkulturellen Dialog stärker in der Bevölkerung zu verankern. Er muss mit möglichst allen Bevölkerungsgruppen geführt werden. Ziel muss es sein, unsere Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, die sich auf Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher Herkunftsländer und unterschiedlichen Glaubens
einlässt und bereit ist, diese integrieren zu lassen. Ich hoffe, dass wir bei diesem Thema gemeinsam vorangehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute tritt in Berlin das Plenum der Islamkonferenz zusammen. Wir konnten heute in den Medien erfahren, dass wir möglicherweise bedeutsame Erkenntnisse des Dialogs mit den Verbänden präsentiert bekommen.
Hier ist zu würdigen, dass es endlich einen Dialog auf Ebene des Bundes mit dem Islam gibt, der auch öffentlichkeitswirksam ist. Bei allem Respekt und bei allem politischen Wettbewerb ist zu würdigen, dass es ein CDU-Bundesinnenminister war, nicht eine rot-grüne Bundesregierung, der es ermöglicht hat, dass so öffentlichkeitswirksam ein Dialog mit dem Islam geführt werden kann.
Die Islamkonferenz hat im Übrigen eine große Bedeutung, weil sie über den Dialog zwischen Muslimen und Staat hinaus auch einen Dialog innerhalb der muslimischen Community erst ermöglicht hat. Sie werden miteinander über Werte und Gemeinsamkeiten sprechen müssen, bevor sie mit dem Staat ins Gespräch kommen können. Insofern ist es ein doppelter Erfolg, eine solche Islamkonferenz eingeführt zu haben.
Der Islam ist Teil der deutschen Gesellschaft. Das hat ein CDU-Bundesinnenminister gesagt, und er hat Recht damit. Damit aber über die Teilhabe an der Gesellschaft auch Integration, echte Teilhabe, echte Mitwirkung erwächst, gibt es Voraussetzungen, an denen gearbeitet werden muss. Fraglos gehört ein islamischer Bekenntnisunterricht dazu.
Ich lasse jetzt einmal die verfassungsrechtliche Frage unbeachtet, inwieweit es legitim ist, dass der Bund hier Gespräche führt, die im Bereich der Kulturhoheit der Länder anzusiedeln sind. Aber richtig und gut ist, dass aufseiten der Muslime jetzt eine Bereitschaft besteht, über einen Bekenntnisunterricht zu sprechen. Wir in NordrheinWestfalen fordern das schon länger. In Köln und Duisburg gibt es entsprechende Modellvorhaben, die bald entscheidungsreif sein werden.
tes sind. Für die FDP-Fraktion sage ich: Er muss unter staatlicher Aufsicht stehen. Wir müssen auf die Lehrpläne Einfluss nehmen können. Es kann nicht sein, dass Verbände, über deren Verfassungstreue wir nicht im Einzelnen unterrichtet sind, an Schaltstellen kommen. Das könnte ein Trojanisches Pferd sein.
Deshalb sehe ich mit Sorge, dass etwa der Lehrstuhl in Münster von vielen Verbänden als zu islamkritisch eingeschätzt wird. Die wollen das Heft des Handelns selbst in die Hand bekommen. Das können wir nicht gestatten. Es muss eine deutsche Schulaufsicht bzw. eine deutsche Lehrplangestaltung sein, und – das füge ich hinzu – auch diejenigen, die den deutschen Islamunterricht als Lehrerinnen und Lehrer verantworten, müssen in der Regel eine Ausbildung als Lehrer in Deutschland durchlaufen haben. Das sind Mindestvoraussetzungen, an denen wir festhalten müssen.
Ich möchte einige Worte zur Bewertung der Studie sagen, die die Unions-Fraktion zum Anlass für die Aktuelle Stunde genommen hat. Sie hat ein positives Echo gefunden, fraglos. Es wurde mit Erleichterung aufgenommen, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime Gewalt ablehnt und die westlichen Werte teilt. Die Verwertbarkeit der Studie für Nordrhein-Westfalen ist im Einzelnen noch zu prüfen. Immerhin bezog sich die Studie auf 35 Länder. Ferner gibt es auch Unsicherheitsfaktoren, die berücksichtigt werden müssen, um es einmal vorsichtig zu sagen. Der saudische Prinz ist einer der Finanziers dieser Studie. Ob das die Objektivität stärkt oder schwächt, müssen andere bewerten. Ich möchte mir nur erlauben, darauf hinzuweisen.
Es gibt allerdings auch besorgniserregende Aspekte in dieser Studie. Wenn etwa 85 % der Befragten im Iran und 61 % der Befragten in SaudiArabien die Gleichberechtigung von Mann und Frau als richtig empfinden, dann kann ich das nur zum Teil als Erfolg bewerten. Denn es ist erschreckend, dass immerhin 15 bis 39 % der Bevölkerung dort die Gleichberechtigung von Frau und Mann eben nicht als richtig und selbstverständlich empfinden.
Das zeigt uns, dass wir im Dialog mit islamischen Vertretern auch hierzulande nicht nachlassen dürfen, diese Leitproblematiken zu thematisieren, auch wenn das nicht immer zu einem harmonischen Dialog beiträgt. Es ist falsch, Themen wie Ehrenmord und Zwangsverheiratung auszublenden. Es ist falsch, nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass es in Teilen Deutschlands Parallelgesellschaften gibt. Es ist vielmehr unsere Pflicht, in einem ehrlichen Dialog darauf hinzuweisen, dass es
trotz unterschiedlicher religiöser Auffassungen, die zu akzeptieren sind, keinen religiösen Rabatt geben kann, was unsere objektive Wertordnung des Grundgesetzes angeht.
Ich möchte im Einzelnen für den Dialog mit dem Islam und das gemeinsame Zusammenleben auf drei Punkte hinweisen.
Erstens. Die besagte Studie kommt zum Ergebnis, dass die Muslime die Wahrnehmung haben, vom Westen nicht respektiert oder – anders gewendet; Frau Tillmann hat darauf hingewiesen – von der Mehrheitsgesellschaft hier nicht richtig akzeptiert und willkommen geheißen zu werden. Deshalb begrüßen wir als Freie Demokraten, dass wir eine interparlamentarische Arbeitsgruppe Islam-Dialog eingerichtet haben, die auch das Ziel haben kann, über die Schaffung einer repräsentativen Vertretung der Muslime in NordrheinWestfalen einen Beitrag zum wechselseitigen Verständnis und zum entgegengebrachten Respekt zu leisten.
Zweitens. Bildungsinstitutionen in NordrheinWestfalen sind offen für andere Kulturen und Religionen. Wir haben aber schon bewährte Strukturen und Prinzipien in der Pädagogik, wie etwa die grundsätzliche Koedukation von Jungen und Mädchen und das Durchführen von Klassenfahrten als verbindliche Schulveranstaltungen für alle. An diesen Prinzipien wollen wir festhalten. Sonderregelungen für muslimische Schülerinnen und Schüler führen nach unserer Ansicht nicht zur Integration, sondern zur Separation.
Drittens. Zahlreiche Akteure in Schule, Jugendarbeit und im Sport engagieren sich vorbildlich für den interreligiösen Dialog. Auch die Zuwanderer müssen einen Beitrag leisten. Lobenswert ist in diesem Zusammenhang etwa das vom TürkischDeutscher-Akademischer Bund getragene Gymnasium „Dialog“ in Köln, das nicht nur türkischen, sondern auch deutschen Kindern die Aufnahme ermöglicht. Vor diesem Hintergrund sehen wir mit Sorge, dass verschiedene Träger, wie der Verband der Islamischen Kulturzentren, Jugendeinrichtungen gegründet haben, die sich eben nicht für deutsche Kinder und Jugendliche öffnen, sondern die zum Ziel haben, Kinder mit muslimischem Glauben unter sich zu unterrichten und zu separieren. Hier muss man übrigens auch rechtlich prüfen, ob solche Einrichtungen eine Betriebserlaubnis in Nordrhein-Westfalen erhalten können. Ich nehme zur Kenntnis, dass in Hessen bestimmte fachliche Vorbehalte gemacht werden.
Ich komme zum Schluss. Wir gehen ganz fest davon aus – das ist auch unsere Erfahrung –, dass die ganz weit überwiegende Mehrheit der Muslime in Nordrhein-Westfalen unsere Werte und Rechtsordnung teilen und dass damit eine Basis für ein vertrauensvolles, ein friedliches und respektvolles Miteinander besteht. Das ist zu intensivieren und daran wollen wir arbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Einen schönen guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich begrüße für meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich, dass wir heute miteinander über den Dialog mit Muslimen und die Einstellung von Menschen muslimischen Glaubens im Plenum des Landtages sprechen.
Gleichzeitig gieße ich doch ein bisschen Wasser in den Wein. Es gibt nämlich zwei Dinge, die mir nicht so recht gefallen wollen und die ich vorab anmerken möchte. Ausgerechnet beim Thema interkultureller Dialog mit Muslimen passiert es – das finde ich durchaus bemerkenswert – zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode, dass die Regierungskoalition aus CDU und FDP keinen gemeinsamen Antrag für die Aktuelle Stunde einbringen. Das legt den Verdacht nahe, dass hier parteipolitische bzw. koalitionspolitische Implikationen eine Rolle spielen, die wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade bei diesem Thema – das ist mir wichtig – vermeiden wollten, weil wir in der gemeinsamen Arbeitsgruppe Islam-Dialog ausdrücklich vereinbart haben, bei diesem Thema einmal die parteipolitischen und die Fraktionsdifferenzen außer Acht zu lassen und in einem gemeinsam getragenen Prozess dieses Thema zu gestalten. Deswegen verwundert es schon sehr, wenn es bei diesem Thema offenbar Absetzbewegungen der FDP gibt. Das nehmen wir aufmerksam zur Kenntnis.
Als Grüne stehen wir – das kann ich ganz deutlich sagen – weiter hinter diesem fraktionsübergreifenden Dialog, hinter der fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit. Das ist auch ein ganz wichtiges Signal in die Öffentlichkeit und zu den muslimischen Verbänden hin.
Das zweite Problem, das ich mit der Aktuellen Stunde habe, ist: Mir scheinen der Zeitpunkt und das Thema etwas konstruiert. Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup hat Einstellungen von 50.000 Muslimen in islamisch geprägten Ländern von Marokko bis Indonesien zum westlichen Wertesystem – etwa Frauenrechte, Parlamentarismus – abgefragt. Das sind sicherlich sehr interessante Ergebnisse.
Ich möchte aber an Ergebnisse erinnern, die für uns in Deutschland sehr viel interessanter und relevanter sind. Das ist die Studie des Kriminologischen Instituts Hamburg, in der Einstellungen von in Deutschland lebenden Muslimen vorgestellt werden. Deren landespolitische Relevanz ist für uns bestimmt sehr viel größer. Ich hätte mir dazu eine parlamentarische Debatte aller Fraktionen gut vorstellen können.
Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, möchte ich die Debatte gerne heute führen, an diesem Tag, an dem die Islamkonferenz tagt. Die Deutsche Islamkonferenz ist ein bedeutsamer Baustein des Dialogs zwischen Staat und Muslimen. Sie hat ihren Stellenwert ganz sicher im Bereich der Vertrauensbildung, des Austausches, auch des Konflikts, wenn er denn konstruktiv ausgetragen wird. Wir können heute Morgen in der Presse lesen, wie schwierig es schon innerhalb der Verbände ist, diesen Dialog zu führen, welche Auseinandersetzungsebenen es dort gibt. Ein Unternehmer hat heute Morgen seinen Austritt aus der Islamkonferenz erklärt. Das heißt, vor uns liegt eine lange Strecke; das ist ein langer und schwieriger Prozess.
Eine Schwäche der Deutschen Islamkonferenz ist, dass die Kulturhoheit bei den Ländern liegt. Alle Punkte des Zusammenwirkens zwischen Staat und Religionsgemeinschaft, die dort diskutiert werden, müssen letztendlich auf Länderebene ausgetragen und geregelt werden: islamischer Religionsunterricht, Imamausbildung oder Bestattungsgesetz bis hin zum Feiertagsgesetz. All das sind Landesangelegenheiten.
Zwar sind natürlich auch die Länder auf der Islamkonferenz vertreten, aber das ist kein Ersatz dafür, den Dialog intensiv auf Ebene der Bundesländer direkt zu führen. Genau das tun wir. Wir haben gemeinsam – ich habe es bereits erwähnt – die Arbeitsgruppe „Dialog mit dem Islam“ ins Leben gerufen. Ich rege an, Herr Solf, Frau Altenkamp, Herr Lindner, demnächst im Landtag oder zumindest im Ausschuss die Fortschritte, die
wir in dieser nichtöffentlichen Arbeitsgruppe erzielen, auch in einer geeigneten Form zu vermitteln und hier zu berichten, welche Themen wir dort bewegen. Ich hoffe, dass wir dieses Angebot einvernehmlich weiterentwickeln können.
Ich betone an dieser Stelle nochmals: Mir und meiner Fraktion ist es wichtig, dass wir diesen sehr einvernehmlichen – das möchte ich betonen – Arbeitsprozess der vier im Landtag vertretenen Fraktionen zu der Frage, welche Kriterien wir an eine Vertretung der Muslime in NordrheinWestfalen anlegen wollen, fortsetzen.
Alle Expertinnen und Experten wissen, dass das Zusammenwirken zwischen Staat und einer Vertretung der Muslime, zum Beispiel bei der Einführung eines flächendeckenden islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache, ganz entscheidend von der Beschaffenheit einer solchen Vertretung der Muslime abhängt. Sie muss in unser Staatskirchenrecht passen. Das könnte allerdings auch etwas großzügiger ausgelegt werden, als es in der Vergangenheit – auch in anderen Bundesländern – der Fall war.
Als Grüne sage ich auch, dass die organisatorisch notwendigen Schritte für die Entwicklung einer unabhängigen Vertretung der Muslime in Nordrhein-Westfalen mit den vier muslimischen Dachverbänden, die im Koordinierungsrat der Muslime vertreten sind, vereinbart werden müssen. Wenn sich dem unabhängige Moscheegemeinden oder weitere muslimische Organisationen anschließen, umso besser. Die erwünschte Organisationsform – etwa unser grüner Organisationsvorschlag eines Moscheeregisters aus dem Jahre 2004 oder der Vorschlag der jetzigen Landesregierung über örtliche Schuraräte – werden wir nur im Einvernehmen mit den islamischen Dachverbänden erlangen.
Ich erwarte hierzu mit Spannung die Ausführungen von Minister Laschet, wie weit die Gespräche zu diesem Punkt tatsächlich gediehen sind.
Hier in Nordrhein-Westfalen – das ist sehr erfreulich – startet im Sommer der alevitische Religionsunterricht. Das ist eine Entwicklung, die wir als Grüne sehr begrüßen. Die alevitische Gemeinde Deutschland hat sich schon vor vielen Jahren auf diesen Weg gemacht. Damit ist eine erfolgreiche Zwischenstation erreicht.
Ich komme zum Schluss. Bei jungen Muslimen in Deutschland ist eine problematische Haltung zur Demokratie – das zeigt uns die Hamburger Studie – in geringem Maße vorhanden. Es sind 14 %, bei denen das festgestellt wurde. Der Hang junger nichtmuslimischer Deutscher zu antidemokratischen rechtsradikalen Auffassungen ist genauso groß. Das müssen wir uns vergegenwärtigen.
Ich möchte meine Rede mit einem Zitat von Eberhard Seidel anlässlich der Veröffentlichung der Hamburger Studie beenden:
„Die mehr als drei Millionen Muslime in Deutschland sind keine fünfte Kolonne eines weltweit agierenden Dschihadismus. Sie haben mehr Ähnlichkeiten mit der Mehrheitsgesellschaft, als dieser möglicherweise lieb sein mag.“