Was mich wirklich ärgert, das sind die Oberflächlichkeit und die Dreistigkeit, mit denen Sie heute hier versuchen, diesen tiefen Eingriff – ich sage: Manipulation – zu begründen. Mich ärgert die Dreistigkeit, die dahintersteckt.
Wenn man Ihre Vorgehensweise sieht und Ihre Argumentation hört, glaubt man, nicht in einem Staat Mitteleuropas zu sein, in einer gefestigten Demokratie,
sondern, Herr Palmen, in einer Bananenrepublik. Dafür stehen Sie ganz persönlich, Herr Palmen, mit Ihrer Vorgehensweise.
Ich sage Ihnen voraus – auch Ihnen persönlich, Herr Palmen –: Das wird Nachwirkungen haben. Das wird nicht nur für das Binnenverhältnis zwischen den Fraktionen und Parteien in diesem Hause, sondern auch draußen Nachwirkungen haben. Denn eines ist klar: Sie glauben, dass Sie die Leute für dumm verkaufen können, dass die zwischen Kommunalwahl, Bundestagswahl oder Europawahl nicht unterscheiden können und dass Sie Leute, die eigentlich abgewählt sind, viereinhalb Monate lang im Amt halten werden, um dieser Fast-3-%-Partei letztlich über die Hürden einer Kommunalwahl zu helfen.
Es gibt eine klare Lösung, die seit Jahrzehnten so gehandhabt worden ist: Der Bundespräsident wird festlegen, dass am 20. oder am 27. September des nächsten Jahres Bundestagswahlen stattfinden werden. Am 20. Oktober 2009 endet die Wahlperiode aller gewählten Bezirksvertreter, Räte, Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister. Es gibt nur eine vernünftige Vorgehensweise, und die bedeutet, am 20. oder am 27. September des nächsten Jahres Bundestagswahl und Kommunalwahl gemeinsam stattfinden zu lassen. Alles andere sind Tricksereien.
Ich sage Ihnen eines voraus, unabhängig davon, was eine juristische Prüfung Ihrer Vorgehensweise ergeben wird: Das, was rechtlich machbar ist, ist moralisch trotzdem gelegentlich verwerflich. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Jäger. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zum Schluss der Beratung.
Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
„So ist gerade in den letzten Stunden ein neuer Schadstoff festgestellt worden.“ Mit diesen Worten leitete Umweltminister Uhlenberg in der Umweltausschuss-Sitzung am 9. April 2008 während des Punktes zur „PFT-Datenaffäre“ den Bericht über einen angeblich neuen Stoff „TOSU“ (2,4,8,10-Tetraoxaspiro[5.5]- undecan) in der Ruhr ein.
In diesem Zusammenhang sei die Trinkwasserkommission eingeschaltet worden, die einen Richtwert von 0,3 Mikrogramm pro Liter festgelegt habe. Auch wenn dieser Wert vereinzelt überschritten werde, bestehe „keine akute Gefahr“.
Nachdem noch am Donnerstag (10.04.) eine Ausnahmegenehmigung vom Umweltministerium in Aussicht gestellt wurde, verfügte die Bezirksregierung am Freitag (11.04), dass die geringeren Einleitewerte ab sofort einzuhalten seien.
Aus „Sorge um die Gesundheit von rund 4 Millionen Menschen, die ihr Trinkwasser aus der Ruhr beziehen“, hat Regierungspräsident Helmut Diegel (CDU) gestern Abend beim Chemieunternehmen Perstorp in Arnsberg die Notbremse gezogen. Der Hersteller von Farben und Lacken leitet die Industriechemikalie mit der Abkürzung Tosu über das Kanalnetz in die Ruhr ein. In Kläranlagen kann Tosu bisher nicht herausgefiltert werden. („WAZ“ 12.04.2008)
Die neuen Grenzwerte waren dem Landesministerium aber nicht erst seit dem 09.04.2008 bekannt, sondern schon mit Schreiben vom 14. März 2008 dem Umweltministerium vom Umweltbundesamt mitgeteilt worden.
Seit wie vielen Stunden oder Tagen oder Wochen oder Jahren war am 09.04.2008 dem Umweltminister der angeblich neue Schadstoff tatsächlich bekannt?
Sehr geehrter Herr Remmel! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen von Herrn Minister Uhlenberg danken, dass das Parlament Verständnis dafür aufbringt, dass er Ihnen heute nicht persönlich Rede und Antwort stehen kann. Er hätte Ihre Fragen gerne selbst beantwortet, befindet sich zurzeit jedoch auf einer wichtigen dienstlichen Auslandsreise.
Über Tosu an der Ruhr wurde bereits seit 1993 auf Fachebene immer wieder diskutiert. Bei der Bestandsaufnahme gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie sind unter anderem die bekannten Inhaltsstoffe aller Gewässer zusammengetragen worden, so auch für die Ruhr. Die Daten – auch zu Tosu – sind im Umweltministerium seit 2004 bzw. Anfang 2005 bekannt, also bereits zur Amtszeit von Frau Ministerin Bärbel Höhn.
Aktivitäten sind daraus seinerzeit nicht abgeleitet worden. Es bestand keine Besorgnis, dass es gesundheitsschädigende Auswirkungen geben könnte. Diese fachliche Einschätzung bleibt in den nächsten Jahren unverändert.
Tosu geriet erst Anfang 2008 wieder in den Blick der Fachebene. Am 17. Januar 2008 führte das Umweltministerium ein Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr zur Umsetzung der sogenannten Arnsberger Vereinbarung. Im Ergebnis wurde dort vereinbart, dass das MUNLV eine Anfrage an das Umweltbundesamt zur Bewertung sogenannter Mikroverunreinigungen an der Ruhr stellen wird. Das ist am 29. Januar 2008 geschehen.
Das Umweltbundesamt hat daraufhin dem MUNLV mit Schreiben vom 14. März 2008 – eingegangen fünf Tage später, am 19. März 2008 – für Tosu den gesundheitlichen Orientierungswert von 0,3 Mikrogramm pro Liter für Trinkwasser genannt. Dies geschah rein vorsorglich, da es noch keine toxikologischen Bewertungen gibt.
Dieses Schreiben ist in den Osterferien eingegangen und wurde anschließend am 3. April an die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 7. April 2008 hat die Westfälische Wasser- und Umweltanalytik GmbH, die für verschiedene Wasserversorger an der Ruhr tätig ist, die zuständige Untere Gesundheitsbehörde unterrichtet, dass der besagte Orientierungswert im Trinkwasser überschritten sei. Das Umweltministerium wurde durchschriftlich unterrichtet.
Herr Minister Uhlenberg selber ist erst am 9. April 2008 – noch nicht einmal zwei Tage nach der Mitteilung der Analysebefunde und nur wenige Minuten vor Beginn der Umweltausschusssitzung – erstmalig davon in Kenntnis gesetzt worden, dass hier eine potenzielle Trinkwasserbelastung festgestellt worden ist. Zugleich hatte die Fachebene vorgeschlagen, vorsorglich im Ausschuss darüber zu informieren. Herr Minister Uhlenberg hat diesem Vorschlag spontan zugestimmt und mit dem in der Frage zitierten Satz übergeleitet zu dem entsprechenden Bericht der Fachebene.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Obwohl der Stoff an der Ruhr bereits seit 1993 diskutiert wird, haben es die Vorgängerregierungen über viele Jahre offenbar nicht für notwendig erachtet, zu handeln. Diejenigen, die nun Defizite feststellen wollen, haben diesen Zustand selbst mitzuverantworten. Wir haben das Thema jetzt aufgegriffen und nicht nur den Ausschuss informiert, sondern zudem eine Presseerklärung herausgegeben und am nächsten Tag die beteiligten Behörden und die für die Einleitung des Stoffes an der Ruhr verantwortliche Firma eingeladen.
Das Umweltministerium hat inzwischen mit der Bezirksregierung und den betroffenen Firmen einen Lösungsweg insbesondere zum kurzfristigen Einsatz modernster Technologien mit dem Ziel, den gesundheitlichen Orientierungswert zu unterschreiten, gefunden und vereinbart.
Umweltminister Uhlenberg hat in wenigen Tagen eine deutliche Reduzierung des Eintrages der Industriechemikalie Tosu erfolgreich auf den Weg gebracht. Seine Amtsvorgängerin hat hingegen keine Maßnahmen ergriffen.
Herr Minister Laumann, herzlichen Dank für die Antwort. Wir wollen mal schauen, wie das mit der guten Kooperation zwischen Ihnen und uns heute weitergeht. – Mich
interessiert, wann die Hausspitze – Minister oder Staatssekretär – über den Brief des Bundesumweltamtes vom 19. März informiert wurde.
Soweit ich es bis jetzt recherchieren konnte, hat das Schreiben des Bundesumweltamtes dem Minister nicht vorgelegen.