Auch ein anderer Aspekt führt dazu, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Wie wir bereits bei der Beratung unseres Antrags „Wirksame Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen ergreifen“ am 1. Juni 2006 in diesem Hohen Haus dargelegt haben, halten wir die Aufnahme der Zwangsverheiratung als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Nötigung im 37. Strafrechtsänderungsgesetz als einen wichtigen und richtigen ersten Schritt zur strafrechtlichen Ahndung.
chen vielmehr ein eindeutiges Signal gegen Zwangsverheiratungen, und wir wollen Menschenrechtsverletzungen nicht tolerieren. Dies sollte sich auch in einem eigenen Straftatbestand niederschlagen. Auch vor diesem Hintergrund können wir die Erstellung eines derartigen Postkartenmotivs nicht mittragen. Wir werden Ihren Antrag daher in den Ausschussberatungen ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Westerhorstmann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Watermann-Krass das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Westerhorstmann, schauen Sie sich diesen Antrag bitte noch einmal an!
Der Antrag enthält zwei Forderungen. Erstens. Diese Kampagne wird voll und ganz unterstützt. Es soll nur eine Ergänzung in den Textteil dieser Karte aufgenommen werden. Diese Karte soll, wie sie auch eingesetzt wird, dann so verteilt werden wie vorgesehen. Ich verstehe nicht, was Sie hier für einen Popanz daraus gemacht haben.
Wir von der SPD unterstützen diesen Antrag der Grünen. Er ergänzt, wie ich gerade ausgeführt habe, die eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der Zwangsheirat.
Das wichtigste Instrument zur Bekämpfung von Zwangsheirat ist die Stärkung der Bedrohten und Betroffenen. Die laufende Kampagne „ihre Freiheit – seine Ehre“ ist auf den Weg gebracht und breit verteilt worden. Wir finden sie gut. Wir finden sie auch richtig.
Bei diesem Antrag geht es doch darum, dass diese optisch gut gestaltete Postkarte bei Neuauflage mit diesem Hinweis „Zwangsverheiratung wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft“ versehen wird. Die so umgestaltete Karte könnte dann in den Integrationskursen verteilt und in Schulen, Jugendzentren und Beratungsstellen ausgelegt werden.
Diese klare Aussage kann den betroffenen Mädchen und auch Jungen Mut machen, sich gegen diese Form von Gewalt deutlicher gegenüber ihrer Familie zu positionieren, aber auch in der Familie auf der Grundlage sachlicher Argumente zu diskutieren. Denn in Kulturen, in denen die Zwangsverheiratung als ehrenvoll bezeichnet wird, offenbart sich ein Werteverständnis, das nicht mit der Freiheitsgarantie unseres Grundgesetzes vereinbar ist.
Dabei ist die Stärkung der Betroffenen und Bedrohten mit einer Postkartenaktion aber nur eine Möglichkeit zu helfen. Viele andere Maßnahmen müssen folgen, damit bedrohte und betroffene junge Menschen – Mädchen und Jungen, die sich diesen Traditionen widersetzen – Unterstützung bekommen. Neben Kampagnen zur Aufklärung und Beratung braucht es vor allem angemessene Schutzräume und Betreuung, damit diese jungen Menschen in ein selbstbestimmtes Leben zurückfinden.
Dazu braucht es unserer Meinung nach vor allem eine unbürokratische und schnelle Unterbringungsmöglichkeit dieser Personengruppe. Wir brauchen dazu mehr Unterbringungsplätze, als zurzeit hier im Land Nordrhein-Westfalen vorhanden. Dafür bedarf es auch einer besseren und verlässlicheren finanzielle Ausstattung. Das werden wir in Zukunft auch weiterhin einfordern und thematisieren.
Aber bei diesem Antrag – wie Sie es auch formuliert haben, Frau Steffens – geht es um diese eine kleine Maßnahme. Deswegen unterstützen wir den Antrag.
Jetzt komme ich auf die Gemeinsamkeiten zu sprechen, die wir zu dieser Sache gehabt haben. Denn es ist ja ein gemeinsames Ziel aller Fraktionen gewesen, sich gegen die Zwangsheirat auszusprechen. Der Versuch einer gemeinsamen Positionierung im Rahmen einer Debatte über einen von uns zu Beginn der Legislaturperiode vorgelegten Antrag – mit allen Fraktionen gab es dieses Bemühen – ist aber an ganz merkwürdigen Forderungen von CDU und FDP gescheitert. Übrigens ist dieses Scheitern damals auch vom zuständigen Minister kritisiert worden, zumindest auf ein erkennbares Unverständnis gestoßen.
Der vorliegende Antrag auf Ergänzung einer Kampagne der Landesregierung bietet den Koalitionsfraktionen jetzt die Möglichkeit, dieses Einvernehmen in der Sache wiederherzustellen. Deswegen hoffen wir auf eine gemeinsame Unterstützung dieses Antrages im Rahmen unserer
Vielen Dank, Frau Kollegin Watermann-Krass. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle sind uns einig, dass die Zwangsheirat eine Verletzung der Menschenrechte ist. Wir sind uns auch einig, dass sie gemeinsam bekämpft werden muss. In einer freien demokratischen Gesellschaft kann und darf es den Zwang, eine Beziehung einzugehen, nicht geben. Das muss auch allen Menschen, die in dieses Land kommen und hier leben möchten, deutlich und klar vermittelt werden.
Natürlich ist die kulturelle Freiheit eines jeden Menschen in einer freien Gesellschaft ein wichtiges Recht, das anerkannt wird und gepflegt werden kann. Menschenrechte sind jedoch ein unveräußerliches Gut. So können und dürfen in dieser Gesellschaft derartige Traditionen keinen Platz finden. Die Liberalen unterstützen daher nachdrücklich auch die Strafverfolgung dieser menschenverachtenden Praxis.
Meine Damen und Herren, wichtig ist neben der strafrechtlichen Verfolgung aber gerade auch die Prävention im Kampf gegen die Zwangsverheiratung und die Aufklärung über die strafrechtlichen Folgen, die Täter zu erwarten haben.
Wegen der herausragenden Wichtigkeit dieses Themas haben FDP und CDU bereits frühzeitig in dieser Legislaturperiode den Antrag „Wirksame Maßnahmen gegen Zwangsverheiratung ergreifen“ ins Plenum eingebracht. Der Antrag hat die Landesregierung aufgefordert, ein umfassendes Handlungskonzept gegen diese Form der Menschenrechtsverletzung vorzulegen. Ich bin dem Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration dankbar, dass es Ende vergangenen Jahres ein solches umfassendes Konzept vorgelegt hat. Dieses Konzept umfasst wichtige und notwendige Maßnahmen, um diese Menschenrechtsverletzung, die in der Gesellschaft lange Zeit tabuisiert und durch Wegschauen oder durch ein falsch verstandenes multikulturelles Verständnis geduldet wurde, wirksam zu bekämpfen.
Schulen sinnvoll. Dort kann durch frühzeitige Vermittlung des Unrechts, das Frauen, aber auch Männern durch die Zwangsverheiratung angetan wird, eine langfristige Wirkung erzielt werden. Daher sind das Aufgreifen der Thematik im Unterricht, aber auch die vielsprachigen OnlineAngebote von zentraler Bedeutung – oder auch die erklärenden Theaterstücke, aber eben auch die Einbindung weiterer Organisationen wie zum Beispiel der Jugendhilfe und von Frauenhilfsorganisationen sowie die Sensibilisierung von Ärzteschaft und Polizei. Sie werden dabei helfen, die Zwangsverheiratung, die lange Zeit im Schatten der Gesellschaft stattfand, wirksam zu bekämpfen.
Zweitens ist es, denke ich, von herausragender Bedeutung, dass auch die Migrantenorganisationen in Zusammenarbeit mit den Behörden in der Bekämpfung und in der Aufklärung weiterhin erfolgreich tätig sein können. Gerade diese Organisationen können oft leichter ein vertrauensvolles Verhältnis zu Betroffenen aufbauen.
Auch verfügen ihre Vertreter als Repräsentanten einer erfolgreichen Integration sowohl über die kulturellen Kenntnisse der Herkunftsgesellschaften als auch über die Glaubwürdigkeit, um die Grundlagen sowie den Sinn und den Geist des Grundgesetzes zu vermitteln. Als Stichwort nenne ich die vielfache Beteiligung an dem Aktionsbündnis „ihre Freiheit – seine Ehre“.
Auch wünsche ich mir im Rahmen des neu zu etablierenden Islamunterrichts eine starke Zusammenarbeit mit den religiösen islamischen Verbänden im Kampf gegen die Zwangsheirat. Gerade in einer solchen Zusammenarbeit wird die von den Grünen geforderte Aufklärungsarbeit – übrigens auch in Form von Postkarten, wie Sie gesehen haben – bereits vielfach durch die Landesregierung gefördert und umgesetzt.
Einen wichtigen Punkt möchte ich auch hier noch nennen: Die Vermittlung der verfassungsrechtlichen Ordnung für neu Zugewanderte und das Thema Zwangsheirat werden auf Initiative Nordrhein-Westfalens auch in den Integrationskursen angeboten. So ist durch die Landesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen worden, um eine nachhaltige Bekämpfung und Vorbeugung der Zwangsheiraten zu gewährleisten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und stimme für meine Fraktion der Überweisung an den Ausschuss zu. Dort werden wir weiter diskutieren. – Danke.
Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. – Als nächster Redner hat Herr Minister Laschet für die Landesregierung das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem umfangreichen Thema „Bekämpfung von Zwangsheirat“ hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag vorgelegt, bei dem es hier um eine Detailfrage geht. Es gibt keinen Dissens.
Wir sind uns einig, dass Bedrohte und Betroffene gestärkt werden müssen. Wir sind uns einig, dass wir Beratung und Hilfe für die Opfer brauchen. Wir sind uns einig, dass wir die Öffentlichkeit sensibilisieren und die präventiven Maßnahmen – unter Einbeziehung der Eltern – und vieles mehr präzisieren wollen.
Deshalb haben wir die Bekämpfung der Zwangsheirat vor einem Jahr zu einem Schwerpunktthema gemacht. Es ist übrigens etwas Neues, dass wir darin einig sind; denn das Thema hat jahrelang überhaupt keine Rolle gespielt. Dass wir heute hier eine gemeinsame Öffentlichkeit herstellen, ist, glaube ich, ein großes Verdienst.
Nun sprechen Sie einen Punkt an, nämlich dass wir einen offiziellen Hinweis auf eine Postkarte drucken lassen sollten. Ich glaube, dass einige andere Maßnahmen hilfreicher waren: Dass dies zum Beispiel in den Orientierungskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge jedem vermittelt wird, der in einem solchen Kurs ist, und das sind alle, die hier zuwandern, insbesondere zum Zwecke der Heiratsmigration oder aus anderen Zuwanderungsgründen, ist etwas ganz Wichtiges.
Ich glaube, dass die Postkartenaktion der falsche Weg ist. Ich will Ihnen gerne begründen, warum das so ist. Diese Aktion – ich habe ein paar Karten mitgebracht –
hat keine Werbeagentur erarbeitet, sondern sie ist zusammen mit Migrantenselbstorganisationen entwickelt worden.
Die, die auf diesen Postkarten abgebildet sind, sind authentische Personen. Wir wollen mit diesen Karten die Menschen ganz bewusst erreichen: dass der Vater über seine Tochter spricht, der Bruder über seine Schwester, dass sie sich also mitgenommen fühlen.
Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass auf einer solchen Postkarte, auf der abgebildet ist, wie der Sohn über die Schwester spricht oder Ähnliches, steht, dass man die eigenen Eltern mit fünf Jahren Gefängnis bedroht. Das kann ich mir auf einer solchen Postkarte, in dieser Form der Kommunikation nicht vorstellen.
Nein, ich kann es mir nicht vorstellen, Frau Beer, denn der Sinn ist ein ganz anderer: Wir wollen mit den Menschen überhaupt erst einmal für die Freiheit und die Ehre der Schwestern kämpfen und sensibel mit diesem Thema umgehen. Das tun Sie doch nicht, indem Sie auf einer Postkarte, die etwa den Vater über die Mutter oder die Mutter über die Schwester sensibilisieren soll, gleich mit dem Staatsanwalt drohen. Deshalb hat diese Postkartenaktion eine völlig andere Herangehensweise.
Wir sind allerdings der Meinung, dass das Strafrecht Bewusstsein schafft. Sie müssten, wenn Sie das machten, was Sie vorhaben, den komplizierten Weg wählen, zu erklären, unter § 240 – besonders schwerer Fall der Nötigung – falle auch die Zwangsheirat. Sie müssten einen riesengroßen Appendix machen, um das auf einer Postkarte zu erläutern.