Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6510

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Gießelmann das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern, am 15. April 2008, gab es erstmals in Deutschland einen nationalen Aktionstag für mehr Lohngerechtigkeit, den 1. Deutschen Equal Pay Day. Der Business and Professional Women e. V. in Germany und ein starkes Aktionsbündnis aus Wirtschaft und Frauenverbänden haben diese Idee aus den USA übernommen.

An diesem 15. April haben Frauen in Deutschland in etwa das verdient, was Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres in der Tasche hatten.

Wenn wir das Einkommen von Frauen und Männern des gleichen Ausbildungs- und Studienjahres vergleichen, stellen wir fest, dass Frauen 22 % weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen und in Führungspositionen sogar 33 % weniger. Damit liegen wir im EU-Durchschnitt an viertletzter Stelle, nämlich vor der Slowakei, Zypern und Estland.

Auf diese Missstände sollte mit dieser Aktion bundesweit hingewiesen werden. Das Erkennungsmerkmal für diese Aktion waren die roten Taschen, die viele Frauen der SPD-Landtagsfraktion auch heute hier tragen. Sie symbolisieren eben die roten Zahlen, den Minusbetrag, der Frauen durch die wirtschaftliche Benachteiligung entsteht.

Wenn das auch auf den ersten Blick ein Problem der Frauen zu sein scheint, entpuppt es sich bei genauerem Hinsehen als gesamtwirtschaftliches Desaster. Denn weniger Lohn bedeutet weniger Geld für Investitionen, für die Familie, weniger Rente und weniger Steuerzahlungen für die Staatskasse. Es bedeutet auch, dass Männer es sich nicht leisten können, zu Hause zu bleiben und Elternzeit zu nehmen. Wahlfreiheit ist für viele Familien eine Illusion. Diese Gehaltskluft verhindert freie Entscheidungen der Familien und behindert auch wirtschaftliche Entwicklung.

Wir brauchen zur Reduzierung der Lohnschere gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und faire und existenzsichernde Löhne für gute Arbeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist Zeit zu handeln, meine Damen und Herren.

Die jungen Frauen werden die Gesellschaft wachrütteln, so sagt es jedenfalls Jutta Allmendinger in ihrer jüngsten BRIGITTE-Studie „Frauen auf dem Sprung“. Sie wollen eine ganze Menge, nämlich einen Beruf, eigenes Geld, einen Mann, Kinder, Freunde und Verantwortung in der Gesellschaft. Das wollen sie jetzt und sofort. Das wollen nicht allein die gut Ausgebildeten, sondern heute alle Frauen. Das ist relativ neu.

Hier sind wir gefordert, meine Damen und Herren. Wir sollten die jungen Frauen und Männer unterstützen und ihnen den Zugang zu zukunftsfähigen und zukunftsträchtigen Berufen erleichtern und die Zuordnung in Berufen nach Geschlechtszugehörigkeit abbauen. Denn das fördert Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen in ganz besonderem Maße.

Es sind gerade die sogenannten Frauenberufe, die häufig eine gewisse Nähe zur unbezahlten Haus- und Familienarbeit haben und die niedrig angesehen, niedrig bewertet und schlecht bezahlt werden. Darum ist ein Aufbrechen dieser geschlechtsspezifischen Berufseinmündungen so wichtig, nicht nur um alle Talente wirklich optimal zu fördern, was schon gut wäre, sondern auch um Entgeltgleichheit zu erreichen.

Wir haben Anfang des vergangenen Jahres einen Antrag „Junge Frauen in Berufe mit Zukunft“ hier eingebracht und diesen gemeinsam beraten. Auch die eingeladenen Expertinnen und Experten haben in der Anhörung wichtige Anregungen gegeben. Entsprechend haben wir unseren Antrag überarbeitet und verschiedene Handlungsfelder aufgezeigt. Hier fordern wir von der Landesregierung ein entsprechendes Handlungsprogramm.

Die vielfältigen und erfolgversprechenden Ansätze zur stärkeren Öffnung zukunftsfähiger Berufe für Frauen müssen fortgeführt werden. Jungen müssen die Möglichkeit erhalten, auch frauentypische Berufe kennenzulernen. Es sollten auch gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um ihr Interesse auch an pädagogischen und pflegerischen Berufen zu wecken. Nur ein Abbau der typisch männlichen und typisch weiblichen Berufe kann wirklich alle Talente und alle Neigungen von jungen Menschen fördern und auch gravierende Entgeltunterschiede abbauen helfen.

(Beifall von der SPD)

Wir stimmen für die Überweisung unseres Antrags, den wir heute überarbeitet einbringen, zur Mitberatung an die angegebenen Ausschüsse und federführend an den Frauenausschuss. Wir hoffen auf gute Beratungen und entsprechende Beschlussfassungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gießelmann. – Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Westerhorstmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Gießelmann, als Sie gerade mit dem Equal Pay Day anfingen, habe ich gedacht, Sie hätten das Thema verfehlt. Wenn ich den Titel des Antrags „Junge Frauen und Männer brauchen Berufe und Lebensperspektiven mit Zukunft“ lese, kann ich eigentlich davon ausgehen, dass das ein Aufschlag war, den Sie angesichts des vor uns liegenden Girls’ Day wieder einmal machen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Sie präsentieren uns also nun den Antrag „Frauen in Berufe mit Zukunft“, den Sie erst vor wenigen Tagen konsequenterweise zurückgezogen haben, in einem völlig neuen Gewand. Immerhin haben Sie für die Überarbeitung mehr als ein Jahr gebraucht.

(Zuruf von Helga Gießelmann [SPD])

Ob dies der Qualität Ihres Antrags genutzt hat? – Ich habe da so meine Zweifel. Seit der Ankündigung im November letzten Jahres, einen neuen Antrag einzubringen, sind immerhin fünf Monate vergangen: also eine Symbolpolitik zum Girls’ Day, wie es bereits beim ursprünglichen Antrag der Fall war – oder aber auch ein ernsthafteres Interesse an der Thematik?

(Zuruf von Helga Gießelmann [SPD])

Aber der Reihe nach: Was waren die Eckpunkte Ihres alten Antrags, die wir an dieser Stelle noch einmal präsentiert bekommen und über die wir heute erneut debattieren? Was ist bei der Überarbeitung des Antrags neu hinzugekommen? Was haben Sie also dazugelernt, und – vor allem – fordern Sie heute wirklich etwas Neues?

Insbesondere haben Sie Ihren Antrag nunmehr auch auf die Zielgruppe der Jungen und der Männer ausgedehnt. Nicht nur junge Frauen, sondern auch junge Männer brauchen – so heißt es in der Überschrift Ihres neu formulierten Antrags – „Berufe und Lebensperspektiven mit Zukunft“. Diese Erkenntnis ist richtig. So weit können wir Ihrem Antrag sogar zustimmen.

Die Tatsache, dass Sie inzwischen für eine geschlechtergerechte Förderung von Frauen und Männern plädieren, nehmen wir mit Freude, aber auch mit einem gewissen Staunen zur Kenntnis; denn das war nicht immer so.

Wenn ich Ihre aktuellen Handlungsempfehlungen lese, muss ich sagen, dass wir auf diesen Feldern längst tätig sind. Sie tun aber so, als ob Sie etwas völlig Neues forderten.

Ich möchte auf die Debatte über den Koalitionsantrag „Jungen fördern – ohne Mädchen zu benachteiligen. Durch individuelle Förderung die Geschlechtergerechtigkeit in der Schule weiter verbessern“ am 8. November 2007 im Ausschuss für Frauenpolitik erinnern. Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus dem Protokoll 14/535:

„Ursula Meurer (SPD) bezeichnet den Titel des Antrages‚Jungen fördern – ohne Mädchen zu benachteiligen’ als unmöglich. Jedes Kind sollte individuell nach seinen Fähigkeiten gefördert werden. Da spiele zunächst einmal die Geschlechterfrage keine Rolle.“

(Helga Gießelmann [SPD]: Ja!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dieses Zitat zeigt nicht nur, dass Sie dem Thema nicht immer so aufgeschlossen gegenüberstanden, wie Sie es heute tun.

Es zeigt auch, dass Sie sich offensichtlich noch nicht einmal die Mühe machen, einen vorliegenden Antrag vollständig zu lesen. Allein durch das vollständige Lesen der Überschrift „Durch individuelle Förderung die Geschlechtergerechtigkeit in der Schule weiter verbessern“ hätten Sie zu der Erkenntnis kommen können, dass die individuelle Förderung selbstverständlich im Mittelpunkt unseres Bildungsbestrebens steht.

Wir haben die zunehmend problematische Situation von Jungen bereits mit der parlamentarischen Initiative im Juni 2007 aufgegriffen und die Landesregierung aufgefordert, ein Maßnahmenbündel zur individuellen und gezielten Förderung in der Grundschule sowie in den weiterführenden Schulen zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass Jungen und Mädchen unter Berücksichtigung ihres individuellen Potenzials stärker differenziert gefördert werden, was die Grundlage für eine Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit in der Schule bilden kann.

Können wir vor diesem Hintergrund bei der abschließenden Beratung unseres Antrags doch noch mit Ihrer Zustimmung im Ausschuss für Schule und Weiterbildung rechnen, Frau Kollegin Meurer?

Ansonsten ist Ihr neu vorgelegter Antrag im Wesentlichen unverändert geblieben, sodass ich es Ihnen nicht ersparen kann, an folgende Fakten zu erinnern. Die Fraktionen der CDU und der FDP

haben die Notwendigkeit der Erhöhung des Anteils von Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen bereits in ihrer parlamentarischen Initiative „Mädchen fit für die Zukunft machen -Konsequenzen aus der Studie zum Girls’ Day 2005 ziehen“ zum Gegenstand der Beratung gemacht.

Es ist – darin stimme ich der SPD zu – wichtig, den Anteil von Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen zu erhöhen, gerade auch vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels in vielen Bereichen. Dieses Anliegen haben wir auch in dem schon erwähnten Antrag formuliert, der bereits 2006 in den Landtag eingebracht wurde. Es ist doch unser aller Anliegen, dass junge Frauen stärker an technischen und naturwissenschaftlichen Berufen interessiert sind.

Mit folgenden Maßnahmen schaffen wir Anreize hierzu: eine Verbesserung der naturkundlichtechnischen Früherziehung in den Kindertagesstätten; die rechtzeitige Information über Ausbildungsmöglichkeiten und Berufschancen durch die Arbeitsagenturen, die IHKs und die Handwerkskammern; ein größeres Angebot an Berufspraktika für Schülerinnen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen.

Sie haben seinerzeit im Ausschuss dagegen gestimmt. Nicht einmal zwei Monate später – Frau Kollegin Milz hat bereits in der Plenardebatte darauf hingewiesen – haben Sie einen Antrag zu der Thematik vorgelegt,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

der zwar, was die Seitenlänge betrifft, umfangreicher sein mag, aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse bringt.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Neu ist auch, dass Sie in Ihrem Antrag fordern, die Landesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die Bezahlung in den typischen Männer- und Frauenberufen so einander angeglichen wird, dass es keine traditionell schlechtere Bezahlung mehr gibt.

Wie ist das zu verstehen? Greifen Sie damit in die Tariffreiheit ein? Wollen Sie das?

Frau Kollegin, ich bitte Sie, Ihre Rede zu beenden.

Es ist sicher wünschenswert, dass die Gehälter von Frauen und Männern einander angeglichen werden. Aber überlassen wir das den Tarifparteien; dann sind wir auf dem richtigen Weg. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Westhorstmann. – Jetzt hat Frau Piepervon Heiden für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind uns dessen bewusst, dass es deutliche Geschlechterunterschiede gibt – das meine ich nicht nur aus der biologischen Betrachtungsweise heraus –, die sich eben nicht nur in der unterschiedlichen Berufswahl zeigen, sondern auch in der Bezahlung und im gesellschaftlichen Ansehen deutlich werden.