Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

aber sie muss finanziell beherrschbar bleiben, Frau Kollegin Löhrmann.

In Ihrem Entschließungsantrag behaupten Sie, die Große Koalition in Berlin habe nachgewiesen, dass Klimaschutz und der planmäßige Ausstieg aus der Atomenergie gut vereinbar seien. Hören Sie auf zu träumen! Die Große Koalition hat gar nichts nachgewiesen.

(Lachen von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die CDU steht nach wie vor zu längeren Laufzeiten für die sichersten Kraftwerke der Welt. Das ist einfach strittig gestellt, da gehen wir nicht dran, weil die Vorgängerkoalition das so beschlossen hatte.

(Norbert Römer [SPD]: Dem haben Sie im Koalitionsvertrag zugestimmt!)

Wenn sich die Koalitionspartner nicht einigen können, ist es nun einmal so, dass bestimmte Dinge nicht angepackt werden. Trotzdem gilt: Wir

sind für längere Laufzeiten der sichersten Kernkraftwerke der Welt.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen eine Energieversorgung, die nicht nur klimaverträglich und sicher ist, sondern auch bezahlbar bleibt. Das ist der zentrale Unterschied zwischen CDU und FDP auf der einen und RotGrün auf der anderen Seite.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie schielen einseitig auf den Atomausstieg und auf den Klimaschutz, wir haben auch die Versorgungssicherheit und den Geldbeutel der Bürger im Blick. Wenn wir auf sichere und funktionsfähige Kernkraftwerke verzichten, Kollege Römer, vernichten wir einen Kapitalstock von wenigstens 60 Milliarden € und müssen darüber hinaus noch viel mehr Geld ausgeben, um klimaneutrale Ersatzkapazitäten zu schaffen, wenn es sie denn für die Grundlast überhaupt gibt.

Veränderungen am Energiemix dürfen nur mit Augenmaß erfolgen und nicht von heute auf morgen. Wir wollen einen stetig steigenden Anteil an erneuerbaren Energien, aber in Deutschland brauchen wir auch die Kernkraft als Brückentechnologie und Kohlekraftwerke für die Grundlast, für die Versorgungssicherheit und für die Bezahlbarkeit des Stroms.

(Beifall von CDU und FDP)

Durch das Kraftwerkserneuerungsprogramm können wir mit hoch effizienten Kohlekraftwerken bis zum Jahr 2020 mindestens so viel Kohlendioxid einsparen wie mit erneuerbaren Energieträgern; es ist vor allen Dingen wesentlich preiswerter.

Wenn wir dieses Programm umsetzen wollen, brauchen die Unternehmen allerdings sowohl beim Emissionshandel in Brüssel als auch bei den örtlichen Genehmigungsverfahren endlich Planungssicherheit. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Hören Sie auf zu träumen! Sorgen Sie mit uns für Versorgungssicherheit und bezahlbaren Strom, statt im Nachhinein nach der Sozialpolitik zu rufen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das tut der Mi- nisterpräsident aber auch!)

Unterstützen Sie unseren Antrag für Planungssicherheit und für den Weiterbetrieb der bestehenden sicheren Kernkraftwerke. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die ebenfalls antragstellende FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir in den vergangenen Wochen in der breiten öffentlichen Debatte über die absehbare Stromlücke lesen und hören konnten, darf in seiner ganzen Tragweite nicht unterschätzt werden. Die Diskussionen um drohende Stromausfälle werden sicherlich einen entscheidenden Beitrag leisten, zu einer sachbezogenen Auseinandersetzung über den zukünftigen Energiemix in unserem Land zurückzufinden.

In weiten Teilen der Gesellschaft setzt sich langsam, aber sicher die Erkenntnis durch, dass sich die Parteien beim Klimaschutz keine Denkverbote leisten dürfen. Wer sich jedoch aus rein ideologischen Gründen mit der klimafreundlichen Kernenergie das CO2-freie Bein wegschlägt und ebenfalls neue hoch effiziente Braun- und Steinkohlekraftwerke um jeden Preis verhindern möchte, stellt unsere Gesellschaft auf ein Fundament, das so bröckelig ist wie der Kreidefelsen auf Rügen.

(Beifall von der FDP)

70 % unseres Stroms und über 80 % der stabilisierenden Grundlast werden in Deutschland aus Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie gewonnen. Sie bilden somit das Rückgrat unserer Stromerzeugung. Wer sich also der Illusion hingibt, schon in absehbarer Zeit darauf verzichten zu können, setzt die sichere Energieversorgung unseres hoch entwickelten Industrielandes fahrlässig aufs Spiel.

Dass dem Klimaschutz damit ganz nebenbei ein Bärendienst erwiesen wird, gehört wohl zur Ironie der Geschichte und entlarvt die scheinheiligen Argumente der Kohle- und Kernkraftgegner.

(Beifall von der FDP)

Denn wie Daniel Wetzel heute in der „Welt“ schreibt, war ökologischer Aktionismus selten so gefährlich und so schlecht begründet, meine Damen und Herren. Anders als von den Protestparteien behauptet, gefährdet der Neubau von Kohlekraftwerken aufgrund des Emissionshandelsgesetzes eben nicht die Klimaschutzziele. Selbst ein eingefleischter Umweltschützer wie Klaus Töpfer plädiert deshalb mittlerweile für den Neubau von Kohlekraftwerken, da sich andernfalls Engpässe in der Stromversorgung nicht vermeiden lassen.

Die dena-Studie zeigt präzise auf, dass sich die Stromlücke in Deutschland selbst durch ein enga

giertes Ausschöpfen der Stromeffizienzpotenziale und durch das Erreichen sehr ambitionierter, aber keinesfalls gesicherter Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien und der Kraft-WärmeKopplung nicht schließen lässt. Erst gestern war der „Financial Times Deutschland“ zu entnehmen, dass die Offshore-Projekte für die Windenergie zunehmend ins Stocken geraten und die ambitionierten Ausbauziele dadurch wieder infrage gestellt werden.

Die Ergebnisse der dena-Studie sind für die Kohle- und Kernkraftgegner deshalb so fatal, weil sie ihr ideologisches Kartenhaus öffentlichkeitswirksam zum Einsturz gebracht haben, meine Damen und Herren. Da die ausgewogene Stimme dieser unverdächtigen staatlichen Agentur bei allen wichtigen Stellen Gehör finden dürfte, entwickelt sich die Studie insbesondere für die Grünen zum Klimagau.

(Widerspruch von Sylvia Löhrmann [GRÜ- NE])

Es wird immer deutlicher, dass es Ihnen nicht darum geht, den CO2-Ausstoß zu mindern, sondern bestimmte von Ihnen verteufelte Technologien zu verhindern.

(Beifall von der FDP)

Dabei wird Ihnen auch nicht helfen, dass Sie jetzt mit aller Gewalt versuchen, die dena zu diffamieren, und ihr eine Stromlückenlüge vorwerfen. Wir müssen jetzt zügig und entschlossen Maßnahmen ergreifen, damit die prognostizierte Stromlücke gar nicht erst entsteht.

(Beifall von der FDP)

Das betrifft zunächst einmal die politischen Rahmenbedingungen. Wir können schließlich nicht allen Ernstes erwarten, dass die Stromversorger in einer Situation milliardenschwere Investitionen anschieben, in der die Wirtschaftlichkeit dieser Projekte aufgrund der ungeklärten Zertifikatezuteilung nach 2012 völlig ungewiss ist. Hierbei muss die EU-Kommission endlich für Planungssicherheit sorgen. In Nordrhein-Westfalen müssen wir gemeinsam mit den Versorgern und nicht gegen sie das Kraftwerkserneuerungsprogramm umsetzen.

Meine Damen und Herren, es ist geradezu eine Schande für unser Land, wenn sich Frau Höhn damit brüstet, den Kohlekraftgegnern im Deutschen Bundestag Fachseminare anzubieten, um den Aktivisten von Rechtsanwälten juristische Kniffe im Kampf gegen neue Kohlekraftwerke zu vermitteln.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich kann die SPD nur auffordern, sich dieser Fundamentalopposition nicht anzuschließen.

Darüber hinaus müssen wir zu einer Vereinbarung gelangen, die es den Betreibern der Kernkraftwerke gestattet, ihre Reaktoren länger laufen zu lassen.

Ich komme zum Schluss. Wenn wir es schaffen, dieses Maßnahmenpaket zeitnah umzusetzen, können wir einen verantwortungsvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten, unsere Stromversorgung sichern und die Strompreise auf einem bezahlbaren Niveau halten. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Römer das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute zwei Anträge, wie sie unterschiedlicher nicht sein können; das ist gerade deutlich geworden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das stimmt!)

Der Antrag von CDU und FDP lässt sich, Herr Kollege Weisbrich, mit Blick auf die vorangegangene Diskussion über die Wohnungsbaupolitik wie folgt zusammenfassen – Sie haben das eben noch einmal dokumentiert; ganz offensichtlich beziehen Sie von den beiden Koalitionsfraktionen Ihre Erkenntnisse über energiepolitische Zusammenhänge ausschließlich aus der Zeitung –:

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen von Christian Weisbrich [CDU])

Vorsicht an der Bahnsteigkante!

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie haben gerade gehört, was Minister Wittke im Zusammenhang mit Zeitungsberichten von sich gegeben hat. Weiterer Sachverstand scheint bei Ihnen nicht gefragt zu sein – zumindest ist das in Ihrem Antrag nicht erkennbar.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die dena!)