Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird die Positionen, die ich hier kurz skizziert habe, in ihrem Energie- und Klimakonzept selbstverständlich noch weiter präzisieren. Ich betrachte den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP als Unterstützung für diesen Weg.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die SPD hat sich Herr Kollege Stinka zu Wort gemeldet.

Kolleginnen und Kollegen, noch einmal zur Richtigstellung: Herr Weisbrich, Sie haben in Ihrem Beitrag zum Thema ausgeführt, dass auf die mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ganz starke wirtschaftliche Nachteile zukämen. – Ich war Gast der CDUMittelstandsvereinigung im Kreis Coesfeld. Da hat Staatssekretär Schauerte ausgeführt, dass gerade eine effiziente Wirtschaft sinnvoll ist und uns momentan Vorteile bietet. Dieses haben Sie in Ihren Ausführungen zur Kernenergie überhaupt nicht beachtet. -Staatssekretär Schauerte dürfte in den Reihen der CDU bekannt sein.

Für uns Sozialdemokraten ist es ganz wichtig, dass Energiepolitik auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stößt. Wenn ich mir die Kernkraftwerksausfälle des letzten und vorletzten Jahres anschaue, muss ich feststellen, dass auch die Stromwirtschaft nicht dazu beigetragen hat, dass – Stichwort: fehlende Dübel etc. – die Akzeptanz gegenüber dieser Technologie gestiegen wäre.

Für uns ist wichtig: Wenn man Klimaschutz, Wirtschaft und soziale Fragen gemeinsam in den Vordergrund einer Klimapolitik stellen will, muss die Bevölkerung bereit sein, diesen Weg mitzugehen. Da ist die Bundesregierung auf einem besseren Weg und schon weiter, als Sie es als CDUFraktion hier deutlich machen. Sie sollten sich vielleicht einmal mit ihren Kollegen in Berlin kurzschließen.

Da hier in der Diskussion über Biomassenutzung plötzlich steigende Nahrungsmittelpreise angesprochen werden, biete ich der CDU-Fraktion an, sich beim Umweltministerium kundig zu machen, das noch im Dezember in einer Pressemitteilung bezogen auf eine Studie der Fachhochschule Soest den Zusammenhang zwischen Biogasnutzung und Biomassenutzung und steigenden Pacht- und Lebensmittelpreisen deutlich in Abrede gestellt, Kolleginnen und Kollegen. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Weisbrich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Einlassungen der Oppositionsfraktionen zu ihrem gemeinsamen Entschließungsantrag waren ganz unterschiedlich.

Kollege Römer, bei Ihnen ist wieder einmal deutlich geworden, dass Sie nach wie vor Cheflobbyist

für eine ganz bestimmte Zielrichtung sind. Wenn Sie hier wörtlich sagen: „Solange abgeschriebene Atomkraftwerke laufen, gibt es keine Chancen für neue Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen“, dann mag das aus Sicht Ihrer Lobby richtig sein. Aus Sicht des Bürgers ist es natürlich fatal, wenn neue Kraftwerke gebaut werden müssen, um abgeschriebene, alte zu ersetzen, die noch betriebssicher sind. Das verteuert, das lässt den Preis explodieren. Damit das einmal klar ist.

Ich durchdenke diese Kombination noch einmal: Sie haben uns vorgeworfen, wir wollten neue Kernkraftwerke in Nordrhein-Westfalen errichten. Das stimmt nicht: Wir wollen keine neuen Kernkraftwerke in Nordrhein-Westfalen errichten. Wir wollen aber auch nicht, dass, wenn Kernkraftwerke an anderer Stelle stillgesetzt werden, wir dafür „Ihre“ neuen Kohlekraftwerke in NordrheinWestfalen bekommen. Wir wollen die haben, die bisher geplant sind, die in unseren Mix hineinpassen, aber wir wollen keine zusätzlichen.

Es wundert mich schon, wie Sie an der Stelle mit den Grünen, mit Herrn Priggen übereinandergekommen sind. Der eine sagt: Wenn zu viele neue Kohlekraftwerke gebaut werden, ist der Energiemix für die nächsten Jahrzehnte versaut. – Sie sagen: Wir wollen die klimafreundlichen Kernkraftwerke stilllegen und stattdessen zusätzliche Kohlekraftwerke bauen. Das macht wirklich keinen Sinn.

Im Übrigen, Herr Priggen, wird über die Stromlücke seit einigen Wochen in der Tat intensiv diskutiert. Das zeigt einmal mehr, wie flüchtig die öffentliche Meinung ist. Jeden zweiten Tag wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Das fängt beim Klimaschutz an und geht jetzt bis zur Stromlücke. Die Klimaschutzdebatte ist doch in der Sekunde deutlich abgeflacht, in der die UNO anfängt, auf die Hungerkomponente hinzuweisen. Seit die Worte des Welternährungsbeauftragten durch die Medien gehen, wonach es ein Verbrechen an der Menschheit sei, landwirtschaftliche Flächen für den Anbau von Energiepflanzen zu nutzen, dreht sich die Meinung ein kleines bisschen. Ich denke, man braucht Stetigkeit, man braucht Augenmaß.

Herr Kollege Priggen, wir sind uns eigentlich in ganz vielen Dingen einig: Wir wollen mehr erneuerbare Energie, wenigstens 20 % bis 2020. Wir wollen Effizienzsteigerung, auch wenigstens 20 % bis 2020. Wir wollen CO2-Reduzierung, wenn möglich sogar mehr als 20 % bis 2020. Das aber wird nicht bundesweit gehen, wenn wir auf die Kernkraftwerke verzichten. Das wird mit uns auch nicht zu jedem Preis gehen.

Uns unterscheidet eigentlich nur die Geschwindigkeit der Umstellung. Wir wollen auch als CDU einen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Aber wir wollen ihn mit Augenmaß. Die Sache muss auch in der internationalen Versorgung sicher bleiben, und sie muss bezahlbar bleiben. Das geht für meine Begriffe nicht mit dem Tempo, wie Sie Kernkraft- und Kohlekraftwerke eliminieren und durch erneuerbare Energien ersetzen wollen. Das geht nicht.

Wir können die Ziele von mehr Effizienz, mehr erneuerbaren Energien, weniger CO2 auf eine Art und Weise erreichen, die wir Ihnen in den nächsten Wochen vorstellen werden. Dazu brauchen wir den Kernkraftausstieg nicht. Ganz im Gegenteil: In Nordrhein-Westfalen können wir diese Ziele ohne Kernkraftausstieg erreichen. Aber bundesweit können wir das nicht. Und da Luft keine Grenzen hat, sind wir darauf angewiesen, dass eine Politik mit Augenmaß betrieben wird. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Brockes noch einmal zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Hoffnung, dass durch die derzeitige Debatte, aber auch durch unseren Antrag und die heute hier geführte Diskussion endlich wieder der energiepolitische Dreiklang hergestellt wird, der in der Vergangenheit etwas aus den Augen geraten ist. Bei der Energieversorgung müssen wir in der Tat immer darauf achten, dass Umweltverträglichkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit mit einbezogen werden. Ansonsten ist das letzten Endes für uns alle hier in unserem Lande schädlich. Dies darf auf keinen Fall geschehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, insofern finde ich es schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrem Entschließungsantrag an keiner Stelle auf die Diskussion der Stromlücke eingehen. Das zeigt, dass Sie den Grünen bei der Energiepolitik völlig auf den Leim gegangen sind.

Herr Römer, ich hätte gerne einmal gewusst, was denn die IG BCE dazu sagt. Unterhalten Sie sich mit denen eigentlich nur über heimische Steinkohle? Gibt es da nicht auch Vertreter zum Beispiel der Chemieindustrie, der Zementindustrie und anderer energieintensiver Bereiche? Was sagen die denn dazu, dass Sie über einen Sozialtarif den Strompreis ausgleichen wollen? So etwas erhält

nicht die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland. Das ist der völlig falsche Weg. Ich wüsste schon gerne mal, wie die entsprechenden Diskussionen zwischen Ihnen und den dortigen Kollegen laufen.

Außerdem behaupten Sie an dieser Stelle, es habe keine Steuererhöhung auf Energie gegeben. Wer hat denn Anfang 2007 die Mehrwertsteuer erhöht? 18 % Strompreiserhöhung allein durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, meine Damen und Herren!

(Beifall von der FDP)

Trotzdem tut Herr Römer so, als habe sich die ganzen letzten Jahre hier nichts geändert.

Zum Schluss sprechen Sie noch die Deutsche Energie-Agentur – dena – an. Herr Römer, Sie sagen, wir würden uns nur auf Medienartikel beziehen. Was ist denn mit der Studie? Sie gehen in keinem Satz darauf ein. Herr Kollege Priggen geht darauf ein – Gott sei Dank etwas mäßigender als seine Bundestagskollegen, die ja wirklich eine Diffamierungskampagne gegenüber der dena führen. Vermutlich liegt das auch daran, dass Sie in der Vergangenheit immer einen Teil Ihrer Mitarbeiter aus der dena rekrutiert haben, Herr Kollege Priggen.

Nach meiner Ansicht ist diese Studie hier also ein wichtiger Punkt. Sie hilft hoffentlich, die Energiediskussion wieder ins notwendige Gleichgewicht zu bringen. Ich glaube, wir werden diese Diskussion noch über einen langen Zeitraum führen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 4.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6513 und des Entschließungsantrages Drucksache 14/6581 an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so überwiesen.

Wir kommen zu:

5 Das Beispiel LIDL zeigt: Verbesserung beim Datenschutz von Beschäftigten erforderlich

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6522

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Düker das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Persönlichkeitsrechte und Datenschutz am Arbeitsplatz – ein hochsensibles Thema, wie die Beispiele der Firmen Lidl und Tönnies zeigen. Es geht aber nicht nur um diese Einzelbeispiele; denn die Datenschützer sagen uns: Dies ist nur die Spitze des Eisbergs.

Worum geht es? Es geht um Videoüberwachung am Arbeitsplatz, das Erstellen von Bewegungsprofilen durch Zugangskontrollen am Arbeitsplatz, die Ortung von Kraftfahrzeugen und Telefonen der Mitarbeiter und die Überwachung der Computernutzung. Hier in Nordrhein-Westfalen wurden bei Tönnies, dem größten Fleischverarbeitungsbetrieb Europas, von Datenschützern 100 Kameras zur illegalen Überwachung von Mitarbeitern gefunden, wobei der Betrieb zum Teil selbst gar nicht mehr wusste, wo er sie installiert hatte. In einzelnen Lidl-Filialen wurden Vollüberwachungen dergestalt festgestellt, dass das gesamte Verhalten – bis in die Intimsphäre – der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern protokolliert wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die technische Weiterentwicklung macht auch am Arbeitsplatz nicht halt. Die Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten, die es gibt, werden von einigen Unternehmen schamlos ausgenutzt, um in die Privatsphäre ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugreifen.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Das hat auch dazu geführt, dass es immer mehr Gerichtsentscheide über diese Missbrauchsfälle gibt. Die Rechtsprechung schafft dann zwar im Einzelfall eine Überprüfung und verhilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ihren Rechten. Sie erreicht aber eben nicht alle Betroffenen, wie die aktuellen Beispiele von Lidl und Tönnies zeigen, und sie ist höchst lückenhaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Worum geht es? Es geht um Eingriffe in die Menschenwürde, um Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht, in das Recht auf Privatheit usw. Das ist im Grunde die Substanz unseres Rechtsstaats. Diese Rechte werden von einigen Unternehmen mit Füßen getreten.

Was brauchen wir? Wir brauchen nicht die durchaus vorhandene Einzelrechtsprechung, die hier und da mal Einzelfälle löst, sondern endlich – diese Forderung stellen wir heute – eine verbindliche Regelung zum Arbeitnehmerdatenschutz, also ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Worauf muss sich dieses Gesetz beziehen? Worum muss es dabei gehen? Es muss Regelungen zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen treffen, zum Beispiel zum Sammeln von Beschäftigtendaten. Was darf der Arbeitgeber sammeln und was nicht? Weiterhin müssen darin die Übermittlung von Beschäftigtendaten, die Videoüberwachung – das ist ganz klar – sowie die Nutzung von Internetdiensten am Arbeitsplatz – was dürfen die Mitarbeiter und was nicht? – geregelt sein. Ferner geht es darum – aktuelles Beispiel: in Berlin wird gerade das Gendiagnostikgesetz erarbeitet –, was in Bezug auf die Erhebung von Gesundheitsdaten zulässig ist und was nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz ist lange überfällig. Die genannten Beispiele zeigen, dass wir dieses Gesetz dringend brauchen. Herr Minister Wolf, meines Erachtens würde es dem größten Bundesland in Deutschland gut anstehen, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, damit es ein solches Gesetz gibt.

Leider muss ich sagen, dass die FDP, die immer wieder gerne die Bürgerrechte im Munde führt, sich gerne wegduckt, wenn es ernst wird. Für den nächsten Parteitag am 19. April in Münster gibt es vom Kreisverband Düsseldorf doch glatt einen Antrag zum Datenschutz. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was finden wir da, gerade vor dem Beispiel von Lidl und Tönnies? Folgender Satz steht in diesem Antrag, den der Kreisverband Düsseldorf auf dem Parteitag stellt – ich zitiere –: