Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Die Forderung nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist eigentlich ein alter Hut, ein Thema, das sich im Bundestag, aber auch in der Bundesregierung bis jetzt zu einer unendlichen Geschichte entwickelt hat.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Leider!)

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern forderten bereits 1984 einen bereichsspezifi

schen Datenschutz für Arbeitnehmer. Politiker aller Fraktionen haben sich im Bundestag seither dieser Forderung immer wieder angeschlossen. Das Thema stand also in Berlin bereits auf der politischen Tagesordnung.

Die Frage ist: Warum ist bisher nichts geschehen? Diese Frage richtet sich übrigens auch an die Mitglieder der Fraktion, die diesen Antrag heute eingebracht hat. Schließlich wurde noch im rotgrünen Koalitionsvertrag von 2002 ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz angekündigt. Im Jahr 2000 wurden aus dem Bundesarbeitsministerium sogar einmal Eckpunkte für ein solches Gesetz angekündigt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sagen Sie das Herrn Schily!)

Was ist denn daraus geworden? Sie sind unter der rot-grünen Bundesregierung wieder in der Schublade verschwunden. Auch das ist die Wahrheit.

Immer wieder haben Abgeordnete, Datenschützer und Gewerkschafter ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gefordert. Doch unabhängig von den regierenden Parteien wurde ein solches Gesetz nie auf den Weg gebracht. Als Gegenargument wurde immer wieder darauf verwiesen, dass der bestehende rechtliche Schutz ausreicht.

Natürlich sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch jetzt schon nicht schutzlos, wenn es um die Sicherheit ihrer Daten geht: Auch für sie gilt das grundgesetzlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Für sie gelten die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Für sie gelten auch zum Beispiel die Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz, im Telemediengesetz, im Telekommunikationsgesetz und im Anhang zur Bildschirmarbeitsverordnung. Zudem haben wir zahlreiche arbeitsrechtliche Entscheidungen zu Einzelfragen; wir haben also auch ein „Richterrecht“.

Ich halte die Frage, ob die aktuellen Berichte über unerlaubte Überwachungsmethoden nicht zeigen, dass eine Zusammenstellung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen in einem eigenen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz sinnvoll wäre, allerdings für berechtigt.

Denn ich nehme es schon sehr ernst, wenn der Bundesbeauftragte für Datenschutz in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht zum Thema Arbeitnehmerdatenschutz schreibt – ich zitiere –:

„Wegen fehlender klarer Regelungen sind … Arbeitnehmer und Arbeitgeber weiterhin im Wesentlichen darauf angewiesen, sich an der

lückenhaften und im Einzelfall für die Betroffenen nur schwer zu erschließenden einschlägigen Rechtsprechung zu orientieren.“

(Beifall von den GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Genau das ist der Punkt!)

Das führt zu der im Antrag aufgeworfenen Forderung nach einer Bundesratsinitiative der Landesregierung.

Im Bundestag gibt es überfraktionell die Forderung nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz.

In ihrer Stellungnahme zum 20. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz haben die Berichterstatter aller Fraktionen im Innenausschuss vor etwa einem Jahr festgestellt – ich zitiere –:

„Der Deutsche Bundestag erwartet von der Bundesregierung, dass sie seine mehrfach erhobene Forderung aufgreift, den Arbeitnehmerdatenschutz gesetzlich zu regeln, und unverzüglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.“

Derzeit wird die Stellungnahme zum aktuellen 21. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten erarbeitet. Man muss kein Prophet sein, wenn man vorhersagt, dass die Forderung nach einem Arbeitnehmerdatenschutz seitens des Deutschen Bundestages erneut bekräftigt werden wird.

Der Ball liegt also im Feld des Bundestages und, meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion, des Bundesarbeitsministers Scholz. Die Fraktionen in Berlin sind für das Thema sensibilisiert. Vor diesem Hintergrund ist der Bedarf nach einer Bundesratsinitiative fraglich. Es ist schlicht und einfach Aufgabe des Bundesarbeitsministers, dem Parlament in Berlin einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich bin einmal gespannt, wie viel Einfluss die SPD in Nordrhein-Westfalen auf ihren Arbeitsminister in Berlin in dieser Frage hat.

Ich sage aber auch ausdrücklich, dass ich eine Bundesratsinitiative seitens der Landesregierung – sollte die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes deutlich werden und sollte sich in Berlin in dieser Frage nichts bewegen – auch nicht ausschließe. Zunächst aber müssen sorgfältig der bestehende Rechtsrahmen und seine Möglichkeiten überprüft werden.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Landesregierung nimmt die Besorgnis vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr ernst und lehnt Bespitzelung und Überwachung von Belegschaften ab.

Die in den Medien bekannt gewordenen Vorwürfe müssen vollständig geklärt werden. Wo Unternehmen illegal gehandelt haben sollten, müssen sie bestraft werden. Die bei uns in NordrheinWestfalen zuständige unabhängige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit überprüft diese Fälle.

Die Landesregierung wird sich die Ergebnisse der Aufarbeitung genau anschauen und auf dieser Basis politisch handeln. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen noch weitere Wortmeldungen vor, zunächst von Frau Kollegin Steffens für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die hiermit das Wort erhält. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Laumann, ich bin erfreut darüber, dass Sie uns im Kern und in der Botschaft unseres Antrags zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn ich Ihre Ausführungen am Ende richtig vernommen habe, ist der einzige Unterschied der, dass Sie erklären: Der Ball liegt im Spielfeld des Bundestags, vor allen Dingen des Bundesministers. Wir wollten heute eigentlich direkt über den Antrag abstimmen lassen, damit man die Dinge auch möglichst schnell auf den Weg bringen kann.

Wir könnten uns allerdings der Auffassung anschließen zu sagen: Die Debatte heute sollte auch im Bund als eine Aufforderung an den Bundesminister zum Handeln verstanden werden. Wir würden daher nicht auf direkter Abstimmung bestehen, sondern schlagen vor, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen, dort die Debatte zu führen und zu schauen, ob der Bundesminister den Ball aufgreift und das Gesetz vorlegt. Wenn er es nicht tut, können wir in wenigen Wochen prüfen, ob der Handlungsbedarf auf Landesebene gegeben ist, und dann den Ball gemeinsam von hier aus spielen.

Ich glaube schon, dass es eine andere Dimension hat, wenn ein Bundesland wie NordrheinWestfalen fraktionsübergreifend den Bund auffordert, initiativ zu werden.

Sie haben es eben richtig angesprochen: Es gab in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen dazu. Es gab auch immer wieder im parlamentarischen Raum ein entsprechendes Anliegen. Der letzte Minister, der den Entwurf in der Schublade hat verschwinden lassen, war Schily. Es ist in der Geschichte immer vorgekommen, dass die Parlamentarier etwas wollten und die Regierungen es nicht ausgeführt haben. Jetzt wäre die Chance, dass wir von NRW aus den Anstoß geben, um dieses Gesetz wirklich auf den Weg zu bringen.

Eines noch in Richtung FDP: Herr Orth, Sie behaupten, wir würden in unserem Antrag verschweigen, was wir eigentlich wollen und wie es ausgestaltet werden soll. – Egal, ob Sie sich anschauen, was der Bundesdatenschutzbeauftragte dazu an Eckpunkten benennt, ob Sie sich anschauen, welche Positionen die Datenschutzbeauftragte in Nordrhein-Westfalen, die Sie hier so sehr vermissen, bezieht, was Frau Düker – ich weiß nicht, ob Sie eben zugehört haben – als Eckpunkte genannt hat –: Nur derjenige, der nicht hinhört und der nicht hinschauen will, weiß nicht, was in ein solches Datenschutzgesetz hinein muss und was die Eckpunkte sein sollten.

Wir haben von Ihnen eindeutig vernommen, dass Sie ein freies Spionieren letztendlich ohne gesetzliche Rahmenbedingungen weiterhin zulassen wollen, dies aber, wie ich der Debatte entnommen habe, als einziger in diesem Parlament.

Deswegen werden wir jetzt nicht auf sofortiger Abstimmung bestehen und hoffen, dass wir endlich etwas verändern können. Die mehrfach beschriebene Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist unerträglich.

Wir werden auch noch einmal darüber diskutieren müssen, warum eine solch verachtende Haltung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, warum eine solch desolate Unternehmensführung mittlerweile möglich ist. Hat das damit zu tun, dass die Menschen prekär beschäftigt werden, dass die Mitarbeiter nicht mehr dauerhaft im Unternehmen sind, dass eine Form des Misstrauens, eine Misstrauenskultur von Arbeitgebern gegenüber den Arbeitnehmern entstanden ist? Auch darüber werden wir im Ausschuss noch einmal diskutieren müssen. Und mit Blick darauf müssen noch andere Maßnahmen unternommen und andere Zeichen gesetzt werden, als nur das in Rede stehende Gesetz einzubringen und zu verabschieden.

Ich bin sehr froh, dass man von hier aus heute dem Bund signalisieren kann: NordrheinWestfalen fordert den Bundesminister auf. – Wir

würden auf direkte Abstimmung verzichten und den Antrag im Ausschuss weiterberaten wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine weitere Wortmeldung für die Fraktion der FDP, und zwar von Herrn Kollegen Dr. Orth. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich mich noch einmal zu Wort melden muss. – Frau Steffens, was Sie da gerade gemacht haben, ist eine – ich kann es nur so ausdrücken – böswillige Unterstellung. Sie können sich doch nicht hierhin stellen und behaupten, wir wollten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht schützen. Ich kann Ihnen nachher gerne das Wortprotokoll schicken. Das ist eine Frechheit, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

So etwas lassen die Bürgerinnen und Bürger nicht durchgehen.

Ich habe am Anfang ganz klar gesagt, dass es die FDP zutiefst bedauert, was da passiert, dass das nicht geht.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Sie wollen nichts tun! Sie wollen nichts ändern!)

Ich erwarte, dass ein Vorgehen, wenn damit gegen Gesetze verstoßen wird und es strafrechtlich relevant ist, verfolgt wird. Das habe ich alles gesagt. Aber, Frau Steffens, Sie wollen nur ablenken. Sie wollen davon ablenken, dass Sie nämlich in Wahrheit einen absolut inhaltsleeren Antrag vorgelegt haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie haben hier eine Luftblase produziert. Wenn Sie pieks machen, ist nichts drin, und das ist Ihr Problem. Und dieses Problem wird bleiben, egal, ob wir über den Antrag heute inhaltlich abstimmen oder über ihn im Ausschuss beraten. Nichts bleibt nichts, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Herr Dr. Orth, es gibt noch eine Zwischenfrage von Frau Steffens. Entschuldigung, es tut mir leid, das habe ich zu spät gesehen.

Ich habe aber noch eine Wortmeldung. Für die Fraktion der CDU hat sich Kollege Biesenbach