Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

(Beifall von FDP und CDU)

Machen Sie sich keine Illusion: Wir werden die Regelungen zur Vergabe von Kopfnoten auch in Abschlusszeugnissen ganz bestimmt nicht aufhe

ben. Wir werden vielleicht ein Feintuning bei der Kopfnotenvergabe insgesamt machen.

(Zuruf von der SPD: Verbaltuning!)

Aber Kopfnoten gehören nun einmal durchgehend auf die Zeugnisse.

Frau Beer, wenn ich Ihren Antrag lese, muss ich sagen, dass uns heute wirklich nur eines eint: die gleiche Farbe der Oberteile.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von der SPD: Und noch nicht einmal das stimmt! – Heiterkeit)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit einigen Zuschriften aus Schulen beginnen, die widerspiegeln, wie in der Wirklichkeit die Einstellung zu den Kopfnoten ist und wie die Erfahrungen damit sind.

Ich zitiere zunächst aus einem Brief der Schulpflegschaft des Gymnasiums Köln-Nippes:

„Viele haben mit der Einführung der Kopfnoten in NRW große Erwartungen verbunden. Für die Elternschaft des Gymnasiums haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt. Die Förderung der Entwicklung des Arbeits- und Sozialverhaltens war und ist uns ein wichtiges Anliegen. Aber unklare Zielvorstellungen und gravierende Ungleichbehandlung schaden unseren Kindern mehr, als dass ein möglicherweise zu erwartender Nutzen es zu rechtfertigen vermag.“

Außerdem wird ausgeführt:

„Ein Verharren auf dem derzeitigen Zustand ist unserer Meinung nach eine gravierende Schwächung der Ausbildungschancen unserer Kinder. Kommen Sie einer rechtlichen Auseinandersetzung zuvor, indem Sie die Kopfnoten abschaffen. Frau Dr. Brigitte Hintzen-Bohlen und andere.“

Aus dem Gymnasium Stift Keppel, Hilchenbach, hat auch die Ministerin ein Brief von Frau Dr. Uta Butt, der Vorsitzenden der Schulpflegschaft des Gymnasiums, erreicht:

„Nach dem neuen Erlass werden Lehrerinnen und Lehrer nun gezwungen, ein Verhalten zu beurteilen, das sie im Rahmen der in der Regel wenigen Stunden kaum beurteilen und noch weniger beeinflussen können. Beurteilt wird

eher die Erziehungsleistung des Elternhauses und eben nicht der Schule. Kinder, die ohnehin benachteiligt sind, weil in ihren Familien Schule und die bewerteten Kriterien einen relativ niedrigen Stellenwert haben, werden durch diese Noten zusätzlich benachteiligt.“

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich zitiere außerdem Frau Dr. Hohnemann aus einem Brief der Schulpflegschaft des Gymnasiums Porta Westfalica:

„Sicher haben auch Sie Kontakte zu Schulen und Lehrern, sodass Sie sich ein eigenes Bild von der Praxis der Vergabe der Kopfnoten machen können. Sie ist, schlicht gesagt, eine Katastrophe. Sicher haben Sie auch Kontakte zu Personalchefs, zu Ausbildungs- und Jobvermittlungsagenturen, sodass Sie in Erfahrung bringen können, was wir Eltern allenthalben hören: Die Kopfnoten werden für die Auswahl zum Beispiel bei einem Vorstellungsgespräch wesentlich höher bewertet als die Fachnoten, und das, obwohl die Vergabe alles andere als gerecht ist.“

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Vergabe der Kopfnoten auszusetzen ist auch die Forderung dieser Schulpflegschaft. Dem können wir uns in der Tat nur anschließen.

Kommen Sie endlich zur Vernunft! Ziehen Sie die Reißleine! Der Vollzug der Regelungen zu den Kopfnoten muss sofort ausgesetzt werden. Es ist nicht zu verantworten, dass dieser schulpolitische Unfug einen Tag länger betrieben wird als nötig. Sie können dann auch endlich die Drohung gegenüber den kirchlichen Schulen einstellen, die sich in nicht unerheblicher Zahl geweigert haben, Kopfnoten auszustellen, und das aus gutem Grund.

Lehrerinnen und Lehrer brauchen auch keine Beschäftigungstherapie. Schülerinnen und Schüler brauchen keine zusätzlichen Benachteiligungen im Schulsystem, wie Sie sie ihnen mit den Kopfnoten verschaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schwarz-Gelb ist dafür verantwortlich, dass Schulen in NRW aus Notwehr Kopfnotenkartelle mit Pauschalnoten gebildet haben. Es werden Einheitsnoten vergeben, und zwar von Region zu Region ganz unterschiedlich. Das benachteiligt zum Beispiel Schülerinnen und Schüler aus Dort

mund gegenüber Schülerinnen und Schülern aus Köln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber wie soll es anders auch klappen, wenn in einer Klasse mit dreißig Schülern sechs Mal dreißig Kopfnoten im Klassenteam diskutiert werden sollen! Wollen Sie eigentlich tagelang den Unterricht ausfallen lassen, damit das in anderer Form geschehen kann? Die Schulen sind doch gezwungen, sich zu wehren und zu solchen Pauschalnoten zu kommen, weil das Ganze anders nicht zu bewältigen ist. Das ist ein bürokratisches Monster, was Sie geschaffen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lehrer-Energien sollen der individuellen Förderung dienen, aber nicht für solche Instrumente wie diese Kopfnoten eingesetzt werden.

Ich will noch einen kleinen historischen Exkurs machen, weil Frau Pieper-von Heiden das hier so nett vorgetragen hat. Am 19. August 2005 war von ihr in der „Rheinischen Post“ zu lesen:

„Wenn bei einigen Schülern eine solche Benotung nicht im Hinterkopf ist, dann kann der Lehrer wenig bei ihrem Verhalten ausrichten... Kopfnoten dienen der Disziplinierung. …Wir werden sie schnellstens einführen.“

In der Aktuellen Stunde am 20. Dezember 2007 haben Sie dann hier ausgeführt:

„Entgegen der fälschlich von rot-grünen Interessenvertretern verbreiteten Darstellung sind Kopfnoten weder ein bürokratisches noch ein unfaires System. … Wir haben klar definiert, welche Inhalte und Werte vermittlungsrelevant sind. … Das System ist umsetzbar.“

Am 3. April erklären Sie dann aber:

„Bekanntermaßen plädiert die FDP-Fraktion dafür, die Anzahl der Kopfnoten zu reduzieren. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist die inhaltliche Aussagekraft der derzeit sechs Kopfnoten noch verbesserungswürdig. … Aber sie müssen sowohl als Begriff als auch im Inhalt klar und verständlich sein.“

Was gilt denn nun?

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist gestrandet, es ist ein Fehlversuch, und die Schülerinnen und Schüler müssen das ausbaden.

Bereiten Sie dem Kopfnotenelend heute ein Ende! Wir werden am 28. Mai auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfes eine Anhörung durchführen.

Das ist der Zeitpunkt, an dem Sie evaluieren können, Frau Ministerin. Nehmen Sie alle Briefe, die auch Sie erreichen: Dann haben Sie ein Bild vom Kopfnotenchaos im Land Nordrhein-Westfalen und das Elend im Umgang damit. – Herr Pinkwart lacht auch. – Es geht aber um die Chancen und die Konkurrenz bei der Bewerbung um die Studienplätze mit NC. Sie werden es erleben: Sie treiben die Eltern vor Gericht, und das aufgrund der Kopfnoten und ihres vermaledeiten und vermasselten Zentralabiturs. Das sind zwei Gelegenheiten für Eltern, die Gerichte zu beschäftigen. Das ist insgesamt eine Schande für NordrheinWestfalen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Es spricht als Nächster der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Die Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen wird landauf, landab als Katastrophe angesehen.

(Lachen von der CDU)

Das ist kein Wunder. Aber der größte schulpolitische Unfug sind in der Tat die Kopfnoten. Was ich von dieser FDP-Frau gerade hier gehört habe, ist wirklich unglaublich. Eine Schule mit Wirtschaftsbetrieben zu vergleichen – ich habe von der FDP ja schon viel erlebt –, das ist wirklich der Hammer. Mich interessiert, wie überhaupt Ihre Kriterien aussehen, nach denen Sie Sozialverhalten beurteilen wollen. Ich muss mich wirklich sehr wundern.

Die unterschiedlichen Vorstellungen von einzelnen Kopfnoten bei Lehrern, Eltern und Schülern – so wird das beurteilt – machen das System ungerecht und intransparent. CDU und FDP haben ein Unrechtsystem geschaffen. Schüler und Eltern fühlen sich betrogen. Ich erlebe das auch selber; ich habe zahlreiche Schreiben dazu erhalten.

(Lachen von der CDU)

Wissen Sie das besser? Offensichtlich waren Sie dabei, oder? – Ich habe mir Schulen angesehen. Die Schulen beurteilen das sehr unterschiedlich. Es gibt Noten wie „Sehr gut“ oder „Gut“, es gibt aber auch individuelle Beurteilungen. Das unterscheidet sich in den Schulen der einzelnen Städte, das unterscheidet sich aber auch von Stadt zu Stadt, zum Beispiel zwischen Münster und Düsseldorf. Es ist kein Wunder, dass die Schulen und ihre Lehrerschaften nach Auswegen

suchen, aus der Kopfnotenfalle herauszukommen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Schulen einen bestimmten Grundwert für die Kopfnoten ansetzen und nur bei großen Auffälligkeiten davon abweichen, was zu Einheitsnoten ohne Aussagekraft führt.

Mittelfristig muss es das Ziel sein, wie in den besten PISA-Ländern weg von solchen Kopfnoten zu kommen. Schulen sind Orte des Lernens und Lebens und nicht der Selektion. Das haben Sie offensichtlich immer noch nicht begriffen.