Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass sich die Opposition hier in dieser Weise einbringt, da ein Projekt am 18. September in Deutschland endgültig abge
wählt worden ist. Am 22. Mai ist die letzte rot-grüne Landesregierung in Deutschland abgewählt worden und am 18. September die letzte rot-grüne Bundesregierung.
Frau Löhrmann, wenn Sie meinen, dass Sie mit Doppelbödigkeit hier irgendjemanden beeindrucken könnten, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es fällt auf Sie selbst zurück. - Sie haben in Ihrem ersten Wortbeitrag - es ist gut, wenn man noch einen weiteren Wortbeitrag leisten kann - gesagt, diese Koalition stünde dank der FDP möglicherweise nicht für hinreichend sozialen Ausgleich.
Sie haben es gleichzeitig fertig gebracht, das frühere Schließen von Walsum, das Sie in der alten Koalition nicht durchgesetzt haben,
in einem Punkt zu kritisieren, anstatt es in der ökologischen Tragweite wenigstens anzuerkennen, was einer gewissen Wahrhaftigkeit Ihrer bisherigen Politik entsprechen würde.
Sie haben es fertig gebracht, in ein und demselben Redebeitrag, ja, in ein und demselben Gedankenzusammenhang uns zum einen eine nicht hinreichende soziale Ausgleichsfähigkeit zu unterstellen und zum anderen zu kritisieren, dass wir den früheren Ausstieg erkauft hätten, indem wir den Bergleuten eine sozialverträgliche Anpassungsgeldregelung gegeben haben.
Frau Löhrmann, was wollen Sie denn jetzt? Stehen Sie für Umweltschutz, stehen Sie für soziale Verträglichkeit, oder stehen Sie im Prinzip nur für Opportunismus? Das muss hier einmal klar angesprochen werden.
Wir jedenfalls - das sage ich hier ganz deutlich; das ist die Grundlage unserer Arbeit - stehen für die soziale Marktwirtschaft in beiden Begrifflichkeiten. Denn nur mit einer funktionsfähigen Marktwirtschaft, mit der Fähigkeit zu Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen werden wir in Zukunft in Anbetracht der großen Herausforderungen unseres Landes für die notwendige soziale Sicherheit sorgen können. Und für die wollen
Dann zu den Schulen! Gerade in der Bildungspolitik stellt sich doch die eigentliche soziale Frage: Wer ist durch schlechten Schulunterricht, wer ist durch Unterrichtsausfall benachteiligt? Doch nicht die Kinder, die aus einkommensstärkeren Haushalten, aus bildungsnäheren Schichten kommen! Das wissen wir doch. Benachteiligt sind jene, die in ihrem Elternhaus nicht die ergänzenden Fördermöglichkeiten bekommen, sondern auf die Schule angewiesen sind.
Jetzt schauen wir uns einmal den Sachverhalt an. Sie haben am 24. Februar dieses Jahres hier im Parlament einen Nachtragshaushalt verabschiedet. Und jetzt wollen Sie uns weismachen, dass Ihnen die Schülerzahlen, die ab Sommer dieses Jahres zu erwarten waren, im Februar nicht bekannt gewesen sind?
Dann frage ich einmal: Welche Unterlagen hatten Sie denn? Die Einschulungstermine waren doch schon im Vorlauf bekannt. Die Elternhäuser - ich weiß es selbst - werden im Spätherbst angeschrieben und auf den kommenden Einschulungstermin aufmerksam gemacht. Das heißt: Wenn Sie meinen, dass es nur darum gegangen wäre, einer wachsenden Schülerzahl hinreichend Unterricht zu geben, wenn nur das gemeint gewesen wäre, dann wäre es Ihre verdammte Pflicht gewesen, im Februar mit dem Nachtragshaushalt die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Weil Sie die nicht geschaffen haben - jetzt kommen wir zum Umkehrschluss -, aber offensichtlich weiter Regierungsverantwortung übernehmen wollten - denn Sie haben sich dafür am 22. Mai ja noch einmal beworben -, hätten Sie mit anderen Worten billigend in Kauf genommen - das war Ihre Politik -, dass bei steigender Schülerzahl die hinreichende Lehrerausstattung nicht gegeben gewesen wäre.
Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist die unsoziale Politik der letzten Jahre, die sich, was die Schulen und die Hochschulen betrifft, in PisaVergleichsstudien und anderen Rankingverfahren
niederschlägt. Sie haben an der Zukunft der Kinder dieses Landes gespart. Das ist unsoziale Politik, die Sie hier betrieben haben.
Ich möchte abschließend einen Gedanken ansprechen, der sich darauf bezieht, dass sich der Ministerpräsident zu Recht dagegen verwahrt hat, dass Sie hier Zielmarken und Versprechungen, die angeblich vor der Wahl gemacht worden seien,
(Ralf Jäger [SPD]: Sie haben Unterrichtsga- rantie versprochen! Wo haben wir die denn? - Weitere Zurufe von der SPD)
Es gibt ein Versprechen, das ist verbrieft. Dieses Versprechen hat Ihr Bundeskanzler vor der Bundestagswahl 1998 in der Öffentlichkeit abgegeben. Dieser Bundeskanzler hat damals gesagt, wenn er es in seiner ersten Amtszeit nicht schaffen würde, die Arbeitslosigkeit unter das Niveau, das er 1998 übernommen habe, zu senken, würde er sich als Bundeskanzler keiner Wiederwahl stellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, er hat sich der Wiederwahl gestellt, er ist abgewählt worden - und klebt immer noch am Stuhl. So ist Ihr Verständnis von Versprechungen in diesem Zusammenhang.
Wir haben nach 100 Tagen eine ordentliche Bilanz vorgelegt. Wir arbeiten weiter auf unserer Grundlage der marktwirtschaftlichen Erneuerung mit sozialer Verantwortung für dieses Land. Ich danke sehr herzlich, dass die Regierungsfraktionen mit der Aktuellen Stunde Gelegenheit gegeben haben, dass wir diese Position im Landtag noch einmal darlegen konnten. - Herzlichen Dank.
(Beifall von CDU und FDP - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Sie haben in der Aktuellen Stunde zum Thema ja nichts gesagt! - Weitere Zuru- fe von SPD und GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Regierung nach 100 Tagen eine derart kritische öffentliche Debatte am Hals hat, dann wollen die Koalitionsfraktionen etwas tun, um sie zu verteidigen. Das kann man verstehen. Ob sie mit dieser Aktuellen Stunde das richtige Mittel gewählt haben, kann man allerdings bezweifeln.
Jedenfalls müssen sie sich dann der Kritik auch stellen, und die darf auch grundsätzlicher ausfallen.
Wenn Sie, Herr Kollege Papke, obwohl Sie gerade gähnen - vielleicht ist das ja auch ein Zeichen -, vom „Modell Düsseldorf“ sprechen, dann müssen Sie natürlich den Einwand gewähren, dass dieses Modell - Schwarz-Gelb in Düsseldorf - seine erste Bewährungsprobe nicht irgendwo, sondern da, wo Sie meinten, dass Sie sie bestehen würden, nämlich auf der Berliner Ebene, nicht bestanden hat.
Herr Ministerpräsident, der Artikel von Norbert Blüm, der gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war, ist ja in mancher Hinsicht interessant. Ich möchte auch ein Zitat daraus bringen.
„Es wird Herbst. Die Blätter des Neoliberalismus fallen weltweit. Dass er so schnell welken würde, hätte selbst ich nicht erwartet. Seine Vorreiter hinken hinter der Entwicklung her, ohne bemerkt zu haben, dass sie bereits Nachzügler sind.“