Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Sie wissen, dass die abgrabenden Firmen die Möglichkeit haben, Rechtsmittel einzulegen.

Im Übrigen wird bei der Aufstellung des Landesentwicklungsplans 2025 im gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren, an dem neben 396 Kommunen und über 200 Verbänden auch die Bürgerinnen und Bürger mitwirken, eine größtmögliche Bürgernähe der Planung und ein gerechter Interessenausgleich erreicht werden. Ich habe auf diese Umstände nur deshalb hingewiesen, um darzulegen, dass die Behauptung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Kiesindustrie

könne sich über die Interessen der Bevölkerung hinwegsetzen, mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fasse. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Wiegand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig und richtig, dass wir heute über die Belange der vom Sand- und Kiesabbau betroffenen Menschen am Niederrhein diskutieren und den Spagat zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen in dieser Region näher beleuchten. Dabei entspricht der heutige Antrag mit dem Tenor „Knies um den Kies“ von den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen in weiten Teilen dem Niederrhein-Appell zum Stopp des Kiesabbaus vom NABU. Ich kann es hier nur noch einmal wiederholen: Es bleibt richtig und wichtig, den Menschen vor Ort beizustehen.

Trotz der berechtigten Anliegen bei der Betrachtung des Sand- und Kiesabbaus in der betroffenen Region darf man nicht in eine simple Schwarz-weiß-Malerei verfallen. Schließlich muss in dieser Situation beachtet werden, dass Lagerstätten nun einmal geologische Gegebenheiten sind, die räumlich nicht gleich gerecht verteilt sind,

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP] und Ralf Witzel [FDP])

dass der Abbau von Lagerstätten in Belange des Umweltschutzes und der Trinkwasserversorgung eingreift, dass aber auch 63 % des bei der Niederrhein-Abkiesung erwirtschafteten Umsatzes in der Region verbleiben und dass auch der weite Transport von Rohstoffen oder ihren Endprodukten in Form von Beton bis Ziegel in der Folge wegen des Transportaufwands negative Auswirkungen hätte: auf Arbeitsplätze, Steuern, Sozialabgaben, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und nicht zuletzt die Umwelt.

Recyclingprodukte und industrielle Reststoffe als Ersatz für diese natürlichen Rohstoffe sind gegenwärtig nur begrenzt verfügbar und einsetzbar. Noch mangelt es an marktgängiger Technologie sowie an ausreichender Akzeptanz für diese neuen Produkte und deren Marktpreise. Wir sind einer Meinung mit dem Kreis Wesel, der sich für die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen zur Erhöhung der Recyclingquote stark macht.

Die Akzeptanz für die mit Gewinnungsmaßnahmen einhergehenden Raumbelastungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Daran ist die besondere Belastung von Teilräumen wie die des Niederrheins nicht unschuldig. Die Förderbetriebe beißen dort zunehmend auf Granit. Wir als Land und insbesondere die Region Niederrhein brauchen eine gute landesplanerische Vorsorge in einem angemessenen Zeitrahmen.

Die restriktive Bedarfsprüfung und die Nachhaltigkeit haben rote und rot-grüne Mehrheiten in den vergangenen drei Jahrzehnten hier im Hohen Haus deutlich vorangetrieben. Nun ist auch das Wirtschaftsministerium endlich einen kleinen Schritt nach vorne gegangen und hat einen Erlass zur Rohstoffsicherung im Lockergestein in Regionalplänen auf den Weg gebracht. Aber wie immer seit Mai 2005 gilt auch hier: zu kurz gesprungen, um wirklich etwas zu bewegen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Trotzdem hätte ich gerne Mäuschen gespielt, wie die FDP-Landtagsfraktion auf diesen Erlass reagiert hat, die schließlich ein Ijsselmeer am Niederrhein favorisiert. Nun wird es zum Glück wohl doch nichts mit der freien Segeltour von Kalkar nach Kalkutta. Ich bin gespannt, Herr Ellerbrock, wie Sie sich gleich zu diesem Thema äußern werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, ist es Ihnen wirklich ernst damit, dass zur landesplanerischen Bedarfsermittlung ausschließlich die Sand- und Kiesmengen angerechnet werden sollen, die für Bauvorhaben in NRW verwendet werden? Es ist doch unerlässliches Solidaritätsprinzip, dass man Vorkommen, über die nicht jedes Land verfügt, auch anderen zugänglich macht. Wenn andere Länder die gleiche Idee haben und umsetzen, dann haben wir bald keine Rohstoffe mehr fürs Baugewerbe, für unsere Industrie und für unsere Energieversorgung.

Aber wir stimmen mit Ihnen überein, dass es nicht angehen kann, dass Nordrhein-Westfalen zulasten des Niederrheins zum Rohstofflieferanten für die Niederlande degradiert wird – degradiert deshalb, weil die Niederländer strengere ökologische Zielvorgaben haben als wir und wir daher fast ein Drittel der gesamten Förderung von niederrheinischen Sanden und Kiesen in die Niederlande importieren.

Allerdings dürfen wir aus diesem Grund nicht den freien Binnenmarkt infrage stellen, sondern müssen zu einer Vereinheitlichung der ökologischen

und planungsrechtlichen Standards auf hohem Niveau kommen. Damit können wir dem gebeutelten Niederrhein mehr helfen als mit ShowForderungen wie den heutigen.

Ich habe bereits eingangs erwähnt, dass es eine Aufgabe der Landesplanung ist, den Lagerstättenabbau zu regeln. Schließlich ist die Landesregierung die richtige Stelle, um konkrete Vorgaben zu machen. Dazu bietet die Landesplanung die notwendigen Instrumentarien für die Regionalplanung, um auch den Kies- und Sandabbau zu regeln. Wozu wollen Sie dann noch zusätzliche Regeln mit einem neuen „Freiraumschutzgesetz“ schaffen? Darüber hinaus halten wir die vorgeschlagenen Tabuflächen für landesplanerisches Nirwana.

Aber insgesamt haben Sie recht, obwohl Sie mal wieder mit Kanonen auf Spatzen schießen: Die Landesregierung muss endlich aus den Puschen kommen, ihrer Pflicht nachkommen und ein Konzept für eine zukunftsgerichtete und vorsorgende Landesplanung vorlegen.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD] und Bodo Wißen [SPD])

Frau Kollegen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Remmel?

Nein. Wir haben noch eine zweite Runde. Da kann er sie einbringen.

Gut. Bitte schön.

Im Sinne der Betroffenen am Niederrhein hoffe ich, dass wir im Ausschuss einen fraktionsübergreifenden und einheitlichen Weg finden werden, um den Menschen am Niederrhein wirklich zu helfen. Deswegen begrüßen wir die Initiative des Landrates Ansgar Müller aus Wesel ganz herzlich. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiegand. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die apokalyptische Vorstellung des Kollegen Remmel vom Flächenbrand in Nordrhein-Westfalen bezieht sich in der Tat auf den Niederrhein. Denn da ist was los. Aber, Kollege Remmel, ein Blick in die gestrige Zeitung macht deutlich:

(Der Redner hält ein Papier hoch.)

Die schönsten Badeseen der Region – es werden zwölf aufgeführt – sind allesamt Baggerseen. Schauen Sie sich einmal die Duisburger SechsSeen-Platte an! Es sind Baggerseen aus den 20er-Jahren. Es ist nicht nur ein Kleinod für den Naturschutz im sechsten See. Vielmehr lastet auch ein enormer Erholungsdruck auf diesen Baggerseen.

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist doch zy- nisch!)

Insofern müssen wir – da gebe ich Ihnen recht – Angebote machen, um diese sinnvoll zu nutzen und in eine sinnvolle Wertschöpfung zu bringen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Ich gebe Ihnen recht: Jawohl, „Ijsselmeer an Rhein und Ruhr“.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Kollege, Sie dürfen doch gleich noch reden. Lassen Sie mich doch eben ausreden! – „Ijsselmeer an Rhein und Ruhr“ – jawohl, das schaffen wir. Das ist natürlich eine Vision, also etwas, was Ihnen völlig fehlt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Dann gehen wir beide zusammen auf Tournee!)

Liebe Kollegen, Fantasie ist etwas, was sich manche gar nicht vorstellen können. Schade, dass es bei Ihnen so ist.

(Beifall von der FDP – Svenja Schulze [SPD]: Vor allem bei der FDP! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Und das bringt die FDP!)

Meine Damen und Herren, warum haben wir überhaupt das Problem hier am Niederrhein im Gebietsentwicklungsplan Düsseldorf? Der Regierungsbezirk Düsseldorf war derjenige Regierungsbezirk, der die landesplanerischen Vorgaben – Planungszeitraum 25 Jahre plus eine in etwa zeitgleiche Reservegebietskarte – eben nicht umgesetzt hat. Man meinte, auf Druck von Rot und Grün mit einem Monitoring klarzukommen. Nein, die Gerichte haben bestätigt, dass es so nicht geht. Leider hat Ihre Regierung nicht den Mut gehabt, die Bezirksregierung anzuweisen, hier nach Recht und Gesetz zu handeln. Man versuchte vielmehr, sich irgendwie durchzumogeln. Deswegen gibt es jetzt die 51. Änderung.

In einem Punkt, Kollege Remmel, gebe ich Ihnen durchaus recht. Da der alte Regionalrat aufgrund von rechtlichen Problemen Schwierigkeiten in der Darstellung der Bereiche für Abgrabungen bekam,

sollten wir sehr vorsichtig sein und eine rechtliche Bewertung vornehmen, damit wir nicht in ähnliche rechtliche Schwierigkeiten hineinlaufen.

Frau Thoben, ich möchte den Hinweis des Kollegen Remmel aufgreifen, die vorhandenen rechtlichen Gutachten ausführlich zu werten, damit es zu keiner zweiten rechtlichen Problematik hier am Niederrhein kommt. Alles, was Sie und Frau Wiegand zu Recycling gesagt haben, kann ich nur unterstützen. Ja zu Recycling! Ja zu Betonzuschlagsstoffen! Natürlich müssen wir dann auch konsequenterweise die Altlastenproblematik und die der Zuordnungswerte Z0, Z1 und Z2 aufgreifen. Es darf nicht zu erhöhten Anforderungen für Recyclingmaterial führen, sodass wir das Recycling wieder selbst infrage stellen.

(Bodo Wißen [SPD]: Da haben Sie aus- nahmsweise recht, Herr Kollege!)

Ja zum Holzbau! Ja zum Stahlbau! Und trotzdem werden wir auf Kies und Sand nicht verzichten können.

Hierzu gibt es die sogenannte Rohstoffschlange, die aufzeigt, wie viel Kies und Sand wir statistisch im Laufe unseres Lebens verbrauchen:

(Der Redner hält ein Papier hoch.)

Kies und Sand machen mit mehr als 300 t den größten Anteil an den mineralischen Rohstoffen aus. Der Anteil der Braunkohle liegt bei 160 t, der von Hartsteinen bei 130 t. Ja zum Recycling! Wir dürfen uns aber nicht der Aufgabe verschließen, hier eine langfristig orientierte Flächenvorsorge zu betreiben.

Frau Wiegand, es ist völlig richtig: Natürlich haben standortgebundene Bodenschätze – sie sind schließlich nicht verlagerbar und nicht vermehrbar – ein besonderes Gewicht in der Abwägung. Das müssen wir auch deutlich machen. Das Raumordnungsgesetz gibt dazu auch Hinweise. Insofern sehe ich keine Notwendigkeit, das zu ändern.

Jetzt kommt die akademische Selbstbefriedigung: Wir müssten einen bedarfsorientierten Ansatz, einen restriktiven Ansatz oder einen angebotsorientierten Ansatz bei der Flächenausweisung zugrunde legen. Seit 20 Jahren diskutieren wir diese drei Berechnungsmethoden für den Bedarf bei Flächenausweisungen. Das ist nichts anderes als eine Verzögerungstaktik, nichts anderes als akademische Selbstfriedigung. Ich kenne keinen Abbaubetrieb der Stein- und Erdenindustrie, der eine Jahresproduktion auf Halde legt. Dort wird nur das abgebaggert, was tatsächlich nachgefragt wird. Nichts anderes geschieht.

Dann wird die Meinung vertreten, ein Exportverbot nach Holland einzuführen, weil sich die Holländer bei uns bedienen würden. Kollege Remmel, ein Blick in die Sachzusammenhänge macht sofort deutlich: Die Niederländer bauen Kies und Sand nach einem anderen Rechtssystem ab. Wenn die Niederländer eine Straße bauen, regeln sie die Abgrabung direkt mit. Wenn sie Hochwasserschutz betreiben, regeln sie das Tieferlegen des Geländes direkt mit. Wenn sie eine Bahntrasse oder einen Kanal bauen, regeln sie es direkt mit.