Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Ihre Privat-vor-Staat-Ideologie ist eine Politik der Verantwortungslosigkeit, Herr Minister Pinkwart. Wenn es darauf ankommt, können Sie sich natürlich immer wunderbar auf die Hochschulfreiheit zurückziehen. Aber die Studierenden und die Menschen im Land werden Sie an den Ergebnissen messen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist auch Ihr ganz persönliches Versagen, dass weniger junge Menschen aus bildungsfernen Schichten ein Studium aufnehmen, dass wir jetzt einen deutlichen Rückgang ausländischer Studierender verzeichnen und dass sich die Bedingungen an den Hochschulen trotz Studiengebühren nicht spürbar verbessern.

Im Rahmen der Exzellenzinitiative fließt öffentliches Geld ausschließlich in die Forschung. Vollständig unberücksichtigt bleibt bei der Exzellenzinitiative – so, wie sie bisher angelegt ist – die zweite Säule der Wissenschaft: die wissenschaftliche Lehre. Wir haben schon mehrfach gesagt: Wir wollen, dass frühzeitig sichergestellt wird, dass die Exzellenzförderung in der Lehre ab 2011 als weitere Förderlinie integriert wird. Denn Ihr Politikansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, dass sich die Studierenden die Qualität in der Lehre an den Hochschulen durch Studiengebühren erkaufen sollen, während in die Forschung zusätzliche öffentliche Mittel fließen, ist schlichtweg ein Skandal.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb sollten Sie bei der heutigen Regierungserklärung lieber etwas gedämpfter auftreten, Herr Lindner. Erstens sind die von Ihnen angekündigten Milliarden für die notwendige bauliche Sanierung der Hochschulen noch reines Wunschdenken. Zweites gibt es bei den Lehrenden und Studierenden derzeit so viel Unruhe und Missstimmung über Ihre vermeintliche Hochschulfreiheitspolitik, dass Euphorie nicht angesagt ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Brinkmeier das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der bisherigen Debatte fiel an einigen Stellen ein erhöhter Lautstärkepegel auf. Lautstärke ist in parlamentarischen Debatten – wie wir alle wissen – durchaus nichts Ungewöhnliches. Sie ist entweder darauf zurückzuführen, dass man emotional sehr berührt oder aber schlicht im Unrecht ist. Letzteres scheint im Rahmen dieser Debatte insbesondere für die SPD zu gelten.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte auf einige Behauptungen vonseiten der Opposition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingehen.

Frau Dr. Seidl, Sie haben eben von einem Aufstand der Fachhochschulen gesprochen. – Ich habe keinen Aufstand erlebt. Wir haben von den Fachhochschulen Stellungnahmen bekommen, und wir haben mit den Fachhochschulen gesprochen. Einen Aufstand hat es aber nicht gegeben.

Ich bitte um Verständnis für die Position der Fachhochschulen. Es ist doch nachvollziehbar, dass die schon existierenden Fachhochschulen zusätzliche Studienplätze am liebsten bei sich selbst sehen würden. Das ist eine aus Sicht der schon existierenden Fachhochschulen nachvollziehbare Position. Unsere Position ist es jedoch, dass es zusätzlicher Studienplätze durch Neugründungen bedarf. Diese von Herrn Minister Pinkwart hier vorgestellte Position unterstützen wir ausdrücklich.

Die von Ihnen angemahnten Allianzen und Kooperationen im Hochschulbereich existieren bereits. Sie werden gerade durch die infolge unserer Hochschulgesetzgebung geschaffenen neuen Rahmenbedingungen ermöglicht. Es ist doch offensichtlich, dass zum Beispiel die Allianz der Universitäten im Ruhrgebiet gerade erst durch das Hochschulfreiheitsgesetz zustande gekommen ist, nicht trotz des Hochschulfreiheitsgesetzes.

(Beifall von der CDU)

Das widerlegt ganz klar Ihre Behauptung, Frau Dr. Seidl, dass es zu wenige Kooperationen gibt.

Dann haben Sie, Frau Dr. Seidl, gefordert, es müsse mehr Kriterien für die Studienbeiträge geben, die von der Politik festgelegt werden. – Das ist doch wieder nur ein Beispiel für das Streben nach mehr Bürokratie, die von der Politik, von der

Exekutive und meinetwegen von der Legislative gefordert wird. Das ist Ihre Einstellung. Die Grünen scheinen da den Hochschulen deutlich zu misstrauen.

Ich halte es für richtig, dass man den Hochschulen, die die Studienbeiträge erheben, die Verantwortung zuspricht, darüber zu befinden und für Transparenz zu sorgen. Wir als Politik werden das sicherlich genau beobachten und Gesetzesverstöße entsprechend sanktionieren. Das ist unsere Rolle, und so ist auch unser Rollenverständnis.

Zu Ihnen, lieber Herr Kollege Schultheis! – Mir fiel – nicht nur bei der kleinen Kohledebatte, bei der Sie gezeigt haben, dass Sie von der Wahrheit weit entfernt sind, sondern auch bezüglich Ihrer Milchmädchenrechnung betreffend die Studienplätze – auf, dass Sie wirklich nicht rechnen können. SPD non calculat! Das ist immer Ihr Problem gewesen, und das wird auch dauerhaft Ihr Problem bleiben.

(Karl Schultheis [SPD]: Sind das nun Anfän- ger- oder Studienplätze?)

Ja, das sind echte Studienplätze. Entsprechend so viele Studierende werden dann auch an den Hochschulen sein. Sie wollen das Ganze nur kleinreden; das ist Ihr einziges Ziel, lieber Herr Kollege Schultheis. So viele Studierende werden dann an den Hochschulen und dort auch glücklich sein. Wenn Sie dann noch die Großeltern einrechnen, dann frage ich mich, warum Sie als der Weisheit letzten Schluss nicht auch noch die Urgroßeltern einbezogen haben!

(Karl Schultheis [SPD]: Das können Sie er- rechnen!)

Es ist also unglaublich, mit welchen Milchmädchenrechnungen Sie ins Parlament gehen. Sie sollten ein bisschen ernster und dezidierter sprechen. Wir können das gerne noch bei vielen Gelegenheiten hier im Plenum und auch im Ausschuss erörtern.

(Karl Schultheis [SPD]: Sind das nun Anfän- ger- oder Studienplätze?)

Zum Thema Wettbewerb! – Grüne und SPD haben gleichermaßen sinngemäß gesagt: Solch ein Wettbewerb ist ja ganz schlimm.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Nein, nein!)

Bei einem Wettbewerb gewinnen nur wenige und viele verlieren. – Was ist das denn für eine Aussage? Beschweren Sie sich demnächst auch noch bei anderen Wettbewerben, dass es Verlierer gibt? Wenn man in einen Wettbewerb eintritt,

dann weiß man von vornherein, dass man nicht unbedingt gewinnen wird; sonst wäre es kein Wettbewerb.

(Beifall von der CDU)

Sie haben wohl etwas gegen einen Wettbewerb. Vielleicht haben Sie ja noch nie bei einem Preisausschreiben gewonnen.

(Karl Schultheis [SPD]: Nein, überhaupt nicht!)

Es ist also unglaublich, was Sie hier vortragen! Bei einem Wettbewerb müssen Sie davon ausgehen, dass man eben nicht gewinnt.

Die Gespräche, die ich landauf, landab geführt habe, zeigen mir, dass alle bereit sind, in den Wettbewerb einzusteigen. Ein Wettbewerb hat nämlich einen zusätzlichen positiven Nebenaspekt.

Ich will Ihnen ein Beispiel geben, das vor zehn Jahren aktuell war; das war der Bio-RegioWettbewerb. Auch dieser Wettbewerb – bei dem auch nur drei gewinnen konnten; am Ende waren es aufgrund eines Sondervotums sogar vier – ist vom damaligen Bundesminister Herrn Rüttgers ausgelobt worden. Bei diesem Bio-RegioWettbewerb haben sich aber weitaus mehr Regionen als die vier Gewinner beworben. Am Ende haben aber alle etwas gemacht. Wettbewerb bewegt doch etwas im Land, und das ist doch viel besser, als wenn Sie durch Ihre alte Politik von oben dekretieren, dass es nur dieses oder jenes sein kann.

Wir wollen diesen Wettbewerb ausdrücklich. Die Kommunen, die Wirtschaft und die Beteiligten wollen diesen Wettbewerb auch. Ich darf Ihnen prophezeien: Selbst diejenigen, die am Ende nicht den Zuschlag für das eine oder andere erhalten, werden sich trotzdem bemühen und schauen, was erreichbar ist. Es besteht ein sehr positives Verhältnis zu allen Beteiligten, und das fördert nicht zuletzt die Kooperationen.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Weil Sie gerade dazwischenrufen, nenne ich Ihnen noch ein Beispiel: Einige Kommunen haben gesagt: Wir stellen in jedem Fall etwas auf die Beine. Wenn wir den Wettbewerb gewinnen, können wir was richtig Großes machen. Aber wir wollen auf jeden Fall etwas machen. – Das regt die Mitarbeit und das Nachdenken an. Das ist nur zu unterstützen; denn Nachdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat noch niemandem geschadet. Deshalb wird man auch in den Wettbewerb gehen.

Dann noch einmal zu dem netten Thema „Studienbeiträge“ oder „Studiengebühren“, wie es in anderen Bundesländern heißt und wie Sie es auch nennen; denn Gebühren sind – so Ihre Mentalität – ja etwas, was in den Orkus gekippt wird. Man kann schon fast dankbar sein – ich formuliere es einmal zynisch –, dass die Beschlusslage in Hessen so ist, wie sie nun ist. Wir werden demnächst sicherlich eine riesige Völkerwanderung von NordrheinWestfalen nach Hessen erleben, weil die Studierenden dort jetzt umsonst studieren können und die Studienbedingungen so toll sind! – Warten wir mal diese Völkerwanderung ab. Ich bin sehr gespannt auf die Zahlen.

Ich glaube, dass sich der große Unterschied zwischen der Qualität eines Studiums an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und der Qualität von Studiengängen etwa in Hessen oder RheinlandPfalz, wo Studienbeiträge nicht erhoben werden, sehr bald herausstellen wird. Das können wir gerne erörtern.

Wir sind damals in den Landtagswahlkampf 2005 sehr offensiv hineingegangen mit der Ankündigung: Wir wollen Studienbeiträge. – Sie haben dies abgelehnt mit den Worten: Wir wollen sie nicht. – Wir hatten keine Angst, Beiträge zu fordern, und haben dann so entschieden. Von daher haben wir an der Stelle kein Problem.

Im Übrigen, Herr Schultheis: Vor einigen Monaten fand eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss statt. Mir ist Ihre rhetorische Zappelei noch sehr gut vor Augen, als die Hochschulen sehr klar zum Ausdruck gebracht haben, wie gut Studienbeiträge sind. Und dann mussten Sie einräumen: Ja, natürlich, wenn wir sie abschaffen, werden wir das gegenfinanzieren. – Darüber kann ich nur lachen. Haben Sie uns denn einmal erklärt, woher Sie das Geld nehmen wollen, außer über höhere Verschuldung? – Das ist wieder Verrat an der jüngeren Generation. Da befinden Sie sich immer wieder im selben Schema: SPD non calculat!

(Beifall von CDU und FDP)

Zu den Grünen und dem Thema Studienbeiträge! Willkommen im Club, Frau Dr. Seidl! Wenn Sie in Hamburg mit uns zusammengehen, machen Sie das mit. Wenn Sie in Hessen dabei sind, dann gehen Sie mit der SPD und den Linken. Übrigens: Das, was vor allem Sie, liebe SPDler, betreiben, ist ein gefährliches Spiel; Herr Kuhmichel hat das eben schon angesprochen. Es ist ja nicht so, dass Sie jetzt nur mal so mit den Linken zusammen gestimmt haben; das entspricht offensichtlich, wie gesagt, Ihrer inneren Einstellung. Vielmehr sind Sie den Linken in Hessen ganz konkret nachge

laufen. Und das, was Sie da treiben, ist wirklich ein sehr gefährliches Spiel.

Ich zitiere einmal aus der „Süddeutschen Zeitung“ von heute eine wichtige Feinheit, anhand derer man sieht, auf was sich die SPD mit den Linken einlässt:

„Selbst auf den Gesetzes-Passus der Zwangsexmatrikulation, wenn Studierende keine Scheine machen, musste die Hessen-SPD wegen der Linken verzichten. So vertritt sie im Vergleich zu anderen Landesverbänden ein extrem radikales Gratis-Studienmodell.“

Sie sind also den Linken gefolgt, nicht etwa, dass die Linken der SPD gefolgt wären. Das ist wohl Ihre politische Tendenz.

(Carina Gödecke [SPD]: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir im nordrhein- westfälischen und nicht im Hessischen Land- tag debattieren?)

Wir werden das an diesem und anderen Beispielen in der politischen Argumentation sehr dezidiert weiter darstellen.

Zusammengefasst: Wir sind dankbar, dass die Landesregierung diese Initiative auf den Weg gebracht hat. Wir werden sie aktiv unterstützen. Das ist gut für Nordrhein-Westfalen und gut für die Studierenden und auch für die Hochschulen. NRW wird sicher das führende Land in Sachen Studium und Lehre in Deutschland sein. – Vielen Dank.