Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Zuruf von Achim Tüttenberg [SPD])

Das ist der Unterschied, Herr Kollege Tüttenberg: Frau Merkel ist Kanzlerin, weil sie den Überblick hat, und Herr Tiefensee wäre besser Oberbürgermeister von Leipzig geblieben.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Achim Tüttenberg [SPD]: Ich würde das ändern!)

Es wäre schön, wenn Kollege Tiefensee seinen Weitblick ein wenig schärfen und endlich akzeptieren würde, dass bei uns in Nordrhein-Westfalen die Verkehre für Zentraleuropa zusammenlaufen, dass wir in Nordrhein-Westfalen das Verkehrsland Nummer eins sind und deshalb hier die wichtigen Investitionen getätigt werden müssen, wenn man Seehafenhinterlandverkehre, wenn man kombinierten Verkehr deutlich stärken will.

Am europäischen Logistikmarkt hat Deutschland einen Anteil von fast 30 % mit einem Umsatz von mehr als 170 Milliarden €. Der Logistikbereich gehört damit zu den am stärksten wachsenden Arbeitsmärkten in der Republik. Vor diesem Hintergrund müssen wir realistisch erkennen, dass auch in Zukunft die Straße weiterhin die Hauptlast des Güterverkehrs tragen wird, ob uns das gefällt oder nicht.

Da hilft es auch nicht, wenn man versucht, mit Naivität Verkehrspolitik zu betreiben. Es gab einmal Verkehrs- und Umweltminister, die verkündet haben: Wir müssen eine Verkehrsvermeidungsstrategie fahren.

Ja, das ist richtig, das müssen wir machen. Aber ich habe es hier vor einigen Wochen schon mal gesagt: Selbst wenn wir versprechen würden, keine Milch mehr aus Weihenstephan zu trinken, sondern nur noch vom Niederrhein, würden wir die Verkehrsprobleme nicht in den Griff bekommen.

Und auch mit der Verlagerung ist das so eine Sache. Wenn wir nur die Hälfte des Zuwachses des Güterverkehrs der nächsten zehn Jahre auf die Schiene bekommen wollen, dann müssen wir die Schienenkapazität verdoppeln. Man muss nur einmal ins Rheintal oder auf andere hoch belastete Güterverkehrsstrecken schauen, dann wird man feststellen, dass das schlechterdings nicht möglich ist.

Noch einmal: Naivität ist kein guter Ratgeber für Verkehrspolitik. Naivität hat da nichts zu suchen, und darum brauchen wir einen neuen, pragmatischen Ansatz von Verkehrspolitik.

(Horst Becker [GRÜNE]: Welchen?)

Das werde ich Ihnen jetzt sagen, Herr Becker. Hören Sie gut zu. Vielleicht können Sie noch etwas lernen. – Kernanliegen der Landesregierung

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das sind die gleichen Versatzstücke, die wir schon 20 Jahre haben!)

ist es, die Mobilität für Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Nordrhein-Westfalen zu stärken

(Zuruf von der SPD: Geht es noch allgemei- ner?)

und gleichzeitig die Lebensqualität zu steigern.

Dies bedeutet vor allem, die Effizienz und Produktivität der Verkehrssysteme durch Infrastrukturausbau und vermehrten Einsatz technischer und organisatorischer Innovation zu erhöhen.

Gleichzeitig werden wir die Umweltverträglichkeit verbessern, denn beides geht nur miteinander. Ohne eine bessere Infrastruktur funktionieren selbst integrierte Ansätze nicht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Eine Schwanhold- Rede!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Ausbau des Bundesfernstraßennetzes gebührt dabei eine besondere Beachtung. Denn mehr als die Hälfte der Straßenverkehrsleistungen werden in diesem Netz abgewickelt.

Die Umsetzung des Bundesfernstraßenbedarfsplanes 2004, der den Bedarf bis zum Jahr 2015 mit einem Bauvolumen von 7,9 Milliarden € angibt, ist dafür eine unabdingbare Voraussetzung. Das werden wir auch beim Bund einfordern. Es kann nicht sein, dass bei Ansteigen des LKWMaut-Aufkommens der Bund seinen Anteil bei der Fernstraßenfinanzierung reduziert, so wie das Herr Steinbrück derzeit Monat für Monat tut.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, natürlich kommt es dabei auch auf das konsequente eigene Handeln des Landes an.

(Zuruf von der SPD)

Wir machen den Weg frei für Investitionen in die Infrastruktur unseres Landes. Wir haben den Planungsstau aufgelöst. In der Tat, die vorbereitenden Arbeiten waren schon alle abgeschlossen – auch schon bei der Vorgängerregierung. Aber Sie haben am Ende nicht den Mut aufgebracht, zu entscheiden, weil es dann immer noch ein Kammmolch-Gutachten, noch ein Bechsteinfledermaus-Gutachten und noch ein HaselhuhnGutachten gab. Genau das haben wir geändert. Wir haben uns erlaubt, diese Planungen zu Ende zu bringen. Darum gab es einen rasanten Anstieg von Planfeststellungsbeschlüssen in den vergangenen Jahren, sodass der Investitionsstau endlich aufgelöst werden konnte.

Durch einen Vorrat baureifer Planungen ist es nun möglich, die Finanzierung zu optimieren und zusätzliche Gelder für Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Mittelausgleich zu erhalten.

Dies schafft nicht nur eine Verbesserung in der Gerechtigkeit der Mittelverteilung, sondern dient sowohl dem Land als auch der Wirtschaft. Gleichzeitig reduziert der zügige Ausbau der Infrastruktur hier bei uns in Nordrhein-Westfalen den Verkehrsstau. Damit werden die Effizienz des Straßennetzes und die Verträglichkeit erhöht.

Tatsache ist, dass unser Land zu den Ländern mit dem größten Längenanteil hoch belasteter Auto

bahnen gehört. Ein neues Planungs- und Projektmanagement hat es ermöglicht, in den Jahren 2006 und 2007 zusätzliche Bundesmittel für die Engpassbeseitigung in Nordrhein-Westfalen einzusetzen. So wurden in den beiden Jahren jeweils mehr als 900 Millionen € in das Fernstraßennetz unseres Landes investiert.

Technische und organisatorische Innovationen werden vermehrt eingesetzt. Beispiele sind umweltfreundlichere Fahrzeugtechnik, die weitere Reduzierung von Leerfahrten und die Entkopplung von Verkehrsleistungen, die intramodale Verkehrsvernetzung, der Einsatz moderner Telematik- und Leitsysteme. Zu nennen sind weiter betriebliche und organisatorische Ansätze zur optimierten Bauzeitenplanung und zur Stauvermeidung.

Für die Landesregierung bedeutet nachhaltige Entwicklung, auch darauf einzuwirken, dass überflüssige Fahrten vermieden und die Lärm- und Schadstoffbelastungen durch Güterverkehr so weit wie möglich reduziert werden.

Die Gestaltung der Kfz-Steuer nach Schadstoffemissionen und das Investitionsprogramm zur Anschaffung besonders emissionsarmer LKWs schaffen Anreize zum Kauf schadstoffarmer Fahrzeuge.

Auf europäischer Ebene dient die Fortentwicklung der Abgasnorm, zum Beispiel die Einführung von Euro 6 für schwere Nutzfahrzeuge, diesem Ziel.

Festzuhalten ist: Die Landesregierung stellt sich den Herausforderungen für eine zukunftsfähige Infrastruktur. Dazu sind die Steigerung der Verträglichkeit und angemessene naturschutzfachliche Begleitmaßnahmen bei allen Projekten kein Gegensatz, sondern zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das Land hat mit der Modernisierung des Landschaftsgesetzes und der Überarbeitung der Eingriffsregelung neue Maßstäbe für zügiges und konsequentes Handeln gesetzt.

Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht könnte man auch sagen: Wir haben eine ideologische Verkehrspolitik der Vergangenheit durch einen neuen Pragmatismus ersetzt. Das lässt sich heute schon beim Verkehr in NordrheinWestfalen ablesen.

(Dieter Hilser [SPD]: Das merkt nur keiner!)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat für die

SPD-Fraktion der Kollege Jung das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Minister Wittke, eben wegen der Gesamtübersicht, wie Sie vorhin so treffend über Frau Merkel sagten, ist auch unser Bundesverkehrsminister Bundesverkehrsminister und nicht Landesverkehrsminister. Die Ebenen sind da schon klar.

Wir erwarten mit Spannung die Diskussion der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage in den Fachausschüssen. Einiges wurde ausführlich beantwortet, vieles bleibt im Ungefähren. Zu einigen Themen ist die Landesregierung die Antwort schuldig geblieben. Die dargestellten harten Fakten wären durch verständigen Umgang mit einer einschlägigen Suchmaschine zu finden gewesen. Aufschlussreicher ist da schon die Beurteilung der Fakten.

Ein Beispiel: Der nächste Tagesordnungspunkt befasst sich mit der Handhabung der LKW-Maut. Lobbyisten und Teile der CDU drängen auf eine Verschiebung der Maut-Anpassung mit Hinweis auf die gestiegenen Dieselpreise.

Der Untergang des Abendlandes scheint bevorzustehen.

Liest man in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Landesregierung, sieht das schon ganz anders aus. Ich zitiere:

„Die Verdreifachung des Rohölpreises zwischen 1999 und 2007 hat bisher nicht zur Verminderung der Verkehrsbelastung durch LKW geführt. Dies erklärt sich durch den geringen Anteil des Energieverbrauchs an den Transportkosten“

so Minister Wittke –

„und durch die Betroffenheit aller Verkehrsträger bei Energiepreissteigerungen. Die Landesregierung geht deshalb auch in Zukunft nicht von dieselpreisbedingten Veränderungen der Verkehrsbelastung durch LKW aus. Die Daten aus entsprechenden Verkehrsuntersuchungen bestätigen die Richtigkeit dieses Ansatzes.“

Noch einmal: Wir erwarten mit Spannung die Diskussionen in den Fachausschüssen und hoffen noch auf den einen oder anderen Erkenntnisgewinn. Frei nach Brecht: Nun stehen wir hier und sehn betroffen den Vorhang zu und viele Fragen offen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion Kollege Deppe das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Daten und Fakten der Anfrage einmal im Detail betrachtet, sind sie eigentlich eine schallende Ohrfeige für die Verkehrspolitik von Rot-Grün. In Ihren Sonntagsreden haben Sie – Herr Becker hat es wiederholt – immer wieder gefordert, die Schiene müsse Vorrang haben und es müsse mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden.

Aber was ist denn das Ergebnis Ihrer Politik? In den letzten zehn Jahren ist es Ihnen im ModalSplit noch nicht einmal gelungen, die Tonnage der Bahn zu halten – und das in einem wachsenden Markt. Der Anteil der Schiene ist um 1,5 Prozentpunkte auf 11,6 % gesunken. Ihre Reden und Ihre Ergebnisse, liebe Kollegen und Kolleginnen von SPD und Grünen, fallen kilometerweit auseinander. Solch ein Zeugnis ausgestellt zu bekommen ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Ihre Politik.