Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Zweiter Befund also: Es gibt derzeit im Land eine soziale Wohnraumförderung, die auf die speziellen Situationen in den unterschiedlichen Märkten eben nicht eingeht.

Eben dies wird zunehmend problematisch. Dies sehen übrigens auch der Städtetag und die Wohnungswirtschaft so.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, wozu dies führt.

Da fließen in großem Umfang Mittel in die Speckgürtel der Ballungsräume, weil hier einerseits das Bauland günstiger ist als in der Großstadt nebenan und andererseits die Mietenstufen höher sind, weswegen man nicht nur eine bessere Förderung bekommt, sondern auch mehr Miete verlangen kann.

Man könnte auch sagen: Hier macht die Landesregierung eine verkappte Politik für den ländlichen Raum. Damit fördert sie massiv Zersiedlung, und das gegen all ihre eigenen Beschlüsse. Hier produziert sie die Wohnungsmarktprobleme der nächsten Jahre. Denn auch das von ihr okkupierte

Pestel-Gutachten stellt fest, dass für Ein- und Zweifamilienhäuser in weniger gut erschlossenen Regionen der Markt bald zusammenbrechen wird.

Da werden Wfa-Mittel am Ende des Jahres noch nach dem Windhundverfahren verteilt, weil für bestimmte Städte die Förderkonditionen so ungünstig sind, dass es sich überhaupt nicht mehr lohnt zu investieren. Wo landet das Geld dann wieder? – Es landet dort, wo die Förderkonditionen am günstigsten sind, und nicht dort, wo das Geld benötigt wird.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, hinzu kommt: Auf den Kosten, die solche Vorhaben generieren, zum Beispiel für neue Infrastruktur, bleiben dann die Kommunen sitzen. Einen vorhandenen ÖPNV als Förderungsvoraussetzung haben Sie ja abgeschafft, Herr Wittke, wahrscheinlich damit es dann für den ländlichen Raum noch leichter wird, Mittel abzurufen. In den Städten hingegen überaltern Bestände, Quartiere und werden zum Teil sich selbst überlassen.

Meine Damen und Herren, das kann niemand wollen, auch nicht die Koalition aus Schwarz und Gelb. Deswegen brauchen die Städte dringend Hilfe bei der Sanierung ihrer Wohnungsmärkte. Dabei muss man zur Kenntnis nehmen, dass ein gehöriger Anteil an Wohnungen in den Städten ja schon heute auf dem Markt nicht mehr vermittelbar ist. Deswegen so zu tun, als benötigten diese Städte keinen Neubau an Sozialwohnungen mehr, ist unseres Erachtens unsachgemäß.

Deshalb fordern wir Sie auf: Helfen Sie den Kommunen dabei, ihre Wohnungsmärkte zukunftsfähig zu machen! Es geht darum, sich die Struktur vor Ort, die Nachfrage usw., genau anzusehen, damit dann die größte Effizienz in der Wohnungsbauförderung erzielt wird.

Deswegen fordern wir Sie in unserem Antrag auf: Entwickeln Sie ein neues Indikatorensystem für die soziale Wohnraumförderung!

Ich hoffe sehr, dass dieser in die Zukunft gerichtete Vorschlag breiten Konsens findet und nicht einfach abgelehnt wird, weil er vom falschen Antragsteller kommt, nämlich von der SPD.

(Beifall von der SPD)

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Röken. – Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Rühl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wohnungsmarkt in NordrheinWestfalen kennt derzeit zwei Tendenzen. Während in Wachstumsregionen, etwa entlang der Rheinschiene, Wohnraum ein knappes Gut ist, zeigen sich in anderen Regionen des Landes entspannte Wohnungsmärkte mit einem Überangebot an Wohnungen infolge von Abwanderungstendenzen. Oder Arbeitslosigkeit und dadurch bedingt fehlende Kaufkraft lassen das Mietpreisniveau zum Teil ganz am unteren Ende der Skala verharren.

Oft ist aufgrund der Bausubstanz und der Wohnqualität ein sofortiges Handeln erforderlich. Kurz gesagt: Hier will eigentlich niemand wohnen, und wer irgendwie kann, versucht, in besseren Quartieren unterzukommen.

Auch in den ländlichen Räumen zeigen sich mancherorts schon derartige Abwanderungstendenzen. Aber hier ist es eher der demografische Wandel, sprich: die Überalterung der Gesellschaft, der dazu führt, dass in Teilen sogenannte Leerräume entstehen.

Warum sage ich Ihnen das? – Weil es aufzeigt, dass auch in einer entspannten Lage durchaus Handlungsbedarf entstehen kann. Das hat die schwarz-gelbe Landesregierung gleich bei ihrem Regierungsantritt vor drei Jahren erkannt und gerade im Bereich Wohnungspolitik mit einigen Maßnahmen eine Entschlackung der sozialen Wohnraumförderung vorgenommen. Gleichzeitig haben wir die Fördertatbestände überarbeitet und erweitert und natürlich den Bedürfnissen angepasst.

Nennen will ich hier die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe und die Befreiung der Wohnraumförderung von der 400-qm-Regelung. Außerdem wurde die Wohnraumförderung stärker auf den Bau von altengerechten Wohnungen ausgerichtet und die Modernisierung von bestehenden Alten- und Pflegeheimen zum Regelförderangebot gemacht. Auch die bindungsfreie Modernisierungsförderung ist als großer Erfolg zu werten. Sie wird von älteren Menschen und auch von jungen Familien sehr gut angenommen. Städtischer Wohnraum wird dadurch zunehmend attraktiver.

Dort, wo eine Modernisierung nicht mehr möglich ist, wo die Wohnungen nicht mehr zu vermieten sind, greifen die Maßnahmen des Stadtumbaus West mit Abriss oder Rückbau und Sanierung auf

einem der Marktlage angepassten Niveau. Hierfür gibt es Mittel vom Bund, teilweise aber auch Gelder aus der Wohnraumförderung, die für die Aufbereitung von Brachflächen und für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen des Stadtumbaus in hoch verdichteten Wohnsiedlungen bereitgestellt werden können.

Sie sehen, meine Damen und Herren von der antragstellenden Fraktion, dass die Landesregierung die sich wandelnden Ansprüche an eine effiziente Wohnraumförderung erkannt und die Förderbestimmungen schon längst angepasst hat.

Die Landesregierung hat deshalb darüber hinaus eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Entwicklung der Wohnraumnachfrage bis zum Jahre 2025 untersucht hat, heruntergebrochen bis auf Kreisgröße. Bei der Vorstellung dieser PestelStudie im November vergangenen Jahres hat das Ministerium ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie gründlich ausgewertet werden soll, um dann Handlungsempfehlungen aussprechen zu können. Ich betone: gründlich. Schnellschüsse sind nämlich bei diesem Thema eher kontraproduktiv, so wie Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der sich höchst oberflächlich mit diesem sensiblen Thema auseinandersetzt.

Sie legen keine konkreten Vorschläge für solide, belastbare Kriterien auf den Tisch. Auch die erneute Forderung nach einer Stiftung Wohnungsbau NRW ist kein geeignetes Mittel für die Unterstützung der Kommunen bei der Entwicklung von Wohnraumkonzepten.

Angesichts der bereits bestehenden Förderwege im Land halten wir eine solche Stiftung für überflüssig. Sie verursacht mehr Kosten und mehr Bürokratie. Die Mehraufwendungen müssen im Übrigen aus den Wfa-Überschüssen finanziert werden, mit Geld, das einer gut koordinierten Wohnraumförderung dann nicht mehr zur Verfügung stünde.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zur Enquetekommission sagen, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen: Es war die neue schwarz-gelbe Landesregierung, die wesentliche Erkenntnisse aus der Kommission „Zukunft der Städte“ aufgriff und umsetzte, und nicht die alte rot-grüne, auch wenn die Enquetekommission bereits im Jahre 2004 ihre Arbeit beendet hat.

Meine Damen und Herren, wie ich eingangs festgestellt habe, muss das Thema Wohnraumförderung gründlich und nicht schnell behandelt werden. Um das zu gewährleisten, stimmen wir natürlich der Überweisung des SPD-Antrages in den

Ausschuss für Bauen und Verkehr zu. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rühl. – Für die FDP-Fraktion erhält Herr Kollege Rasche das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befassen uns heute durch den vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion mit der Wohnraumförderung im Bereich des sozialen Wohnungsbaues. Es ist unbestreitbar, dass die regionalen Wohnungsmärkte auseinanderdriften. Wachstumsräume wie an der Rheinschiene stehen zum Beispiel dem Ruhrgebiet mit hohen Leerständen gegenüber. Das Pestel-Gutachten, das gerade schon Frau Rühl erwähnte, das uns seit Ende letzten Jahres vorliegt, beschreibt detailliert die verschiedenen Wohnungsmarktszenarien in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2025.

Auf die unterschiedliche Entwicklung der jeweiligen regionalen Wohnungsmärkte muss reagiert werden. Damit haben wir im Übrigen bereits mit dem diesjährigen Wohnraumförderprogramm begonnen. Weitere Möglichkeiten werden aktuell untersucht. Über die Ergebnisse dieser Untersuchung werden wir nach deren Vorlage beraten.

Die Enquetekommission „Zukunft der Städte“ hat viele Ziele und Vorschläge zur sozialen Wohnraumförderung erarbeitet. Eine Hauptaufgabe ist, bezahlbaren und attraktiven Wohnraum auch für die einkommensschwachen Haushalte zu sichern. Weitere Vorschläge sind die Beteiligung der kommunalen Ebene und die Unterstützung der Eigentumsbildung junger Familien. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass sich eine Vielzahl von Kommunen mit der Entwicklung von wohnungspolitischen Handlungskonzepten befasst.

Unsere Wohnungspolitik verfolgt also das Ziel des Enquete-Berichts, denn sie verstärkt integrative Förderstrategien, indem die kommunale Verantwortung in der sozialen Wohnraumförderung gestärkt wird.

Auch das andere von mir erwähnte Ziel des Enquete-Berichts wird von uns umgesetzt. Seit dem Jahre 2007 fördern wir verstärkt die Eigentumsbildung junger Familien mit wenig Eigenkapital durch das Starterdarlehen, das noch einmal kräftig aufgestockt worden ist.

Sie fordern in Ihrem Antrag ein Förderprogramm, das die Entwicklung kommunaler und regionaler Wohnraumkonzepte unterstützen soll. Zur Finanzierung schlagen Sie Mittel aus der Stiftung Wohnungsbau NRW vor. Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, dass dies eine reine Luftnummer ist, weil diese Stiftung nicht existiert. Deshalb muss man sich etwas anderes einfallen lassen.

Ob die Orientierung der Wohnraumförderung an den Mietstufen künftig auch geeignet ist oder durch andere, besser funktionierende Indikatoren ersetzt werden sollte, wird die Untersuchung zeigen, deren Ergebnisse – ich sagte das bereits zu Beginn meiner Rede – wir bei deren Vorlage debattieren werden. Unabhängig von Ihrem Antrag sind wir also bereits bei der Arbeit.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, wo wir ausgiebig darüber sprechen werden, welche weiteren Indikatoren für die soziale Wohnraumförderung infrage kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält der Abgeordnete Becker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was die Rednerin und der Redner der Koalitionsfraktionen vorgetragen haben, muss ich zunächst einmal feststellen, dass seit September 2006 die Zuständigkeit für die Wohnraumförderung und für die gesamte Wohnungspolitik bei den Ländern liegt, weil die Föderalismuskommission das so vorgeschlagen hat, was dann auch durchgesetzt worden ist.

Obwohl diese Zuständigkeit seit nahezu zwei Jahren beim Land liegt, ist der zuständige Fachminister bisher faktisch sprachlos gewesen.

Auch die Hinweise auf das Pestel-Gutachten können ja nicht daran vorbei weisen, dass bis auf fünf Änderungen des Wohnungsbauförderungsgesetzes, mit denen einzig und allein die Entnahmen aus dem Wohnungsbauförderungsvermögen geregelt worden sind, dieses Ministerium nichts getan hat.

Das jetzige System der Wohnungsbauförderung ist auf die tatsächlichen Aufgaben der Zukunft nicht ausgerichtet. Die entsprechenden Stichworte wie demografischer Wandel, die soziale Spaltung

der Städte und Regionen und ein hoch differenzierter Wohnungsmarkt selbst innerhalb von kommunalen Stadtgrenzen brauchen regionale und kommunale Antworten.

Wir stellen fest, dass wir bereits im März 2008 mit unserem Gesetzentwurf dazu ein Programm mit Eckpunkten auf den Weg gebracht haben. Wir haben an dieser Stelle einen nicht unwesentlichen Punkt ins Gespräch gebracht, nämlich die Forderung nach Regionalisierung in der Wohnungsbaupolitik. Die Kommunen müssen nämlich in die Lage versetzt werden, durch eine intensive städteübergreifende Kooperation spezifische regionale Lösungen für den Wohnungsmarkt und die Wohnungsnachfrage zu finden. Ein Landesgesetz sollte hierzu die notwendigen Rahmenbedingungen setzen und solche Kooperationen nicht nur fördern, sondern auch einfordern.

Der vorliegende SPD-Antrag enthält im Wesentlichen die Forderung nach Abschaffung der Mietenstufen und der Entwicklung eines neuen Indikatorensystems. Die beschriebenen Probleme sind in der Tat bei der Forderung nach Mietenstufen systemimmanent. Die Kolleginnen und Kollegen lassen weitgehend offen, wie ein neues System aussehen könnte.

Ich will mich an dieser Stelle kurz fassen: Wenn ein besseres System auf der Basis anderer Indikatoren denkbar ist, dann sollten wir dies intensiv mit der Wohnungswirtschaft und den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren, prüfen und gegebenenfalls umsetzen. Wir sind an dieser Stelle offen für eine Umsteuerung, wenn sich das als sinnvoll erweist. Ich denke, das müssen wir dann auch gemeinsam über vier Fraktionen hinweg offen in den Fachausschüssen diskutieren.