Protokoll der Sitzung vom 20.06.2008

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 96. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen und heiße Sie herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Ich denke, es ist in Ihrem Namen, wenn ich heute vor Eintritt in die Tagesordnung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu ihrem gestrigen Ergebnis sehr herzlich gratuliere.

(Allgemeiner Beifall)

Dass der Sportminister begeistert ist, versteht sich von selbst. – Für den weiteren Verlauf wünsche ich unserer Mannschaft Glück und Erfolg.

Für die heutige Sitzung haben sich 21 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

(Zurufe von der CDU)

Ich kann mich an Zeiten erinnern, als es exakt umgekehrt war.

(Allgemeine Heiterkeit)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, muss ich auf eine Änderung der Tagesordnung hinweisen: Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ihren Antrag „AIDS-Politik gestalten – Konzept zur Prävention weiterentwickeln“ in der Drucksache 14/6961, der heute behandelt werden sollte, zurückgezogen. Dieser Punkt ist damit von der Tagesordnung abgesetzt.

Die Fraktionen von CDU und FDP haben eine Ergänzung der heutigen Tagesordnung beantragt, und zwar die am Mittwoch von der SPD-Fraktion beantragte dritte Lesung des „Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen“, Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 14/6512. Nach einer Vereinbarung der Fraktionen soll diese dritte Lesung als neuer Tagesordnungspunkt 4 mit Beratungsblock II vorgesehen werden. Hierüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Dann ist die Änderung der Tagesordnung einstimmig so beschlossen.

Im Zusammenhang mit der nunmehr beschlossenen Ergänzung der Tagesordnung sind die Fraktionen über Folgendes übereingekommen: Der bis

herige Tagesordnungspunkt 5 „Nachhaltigkeitsberichtswesen in NRW“, Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP in der Drucksache 14/3590, wird neuer Tagesordnungspunkt 7. Der bisherige Tagesordnungspunkt 6 „Kommunen müssen sich an Recht und Gesetz halten – Heizkosten dürfen nicht über Pauschalen bei den SGB II Beziehenden zu weiteren Einschnitten beim Existenzminimum führen“, Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 14/6964, wird Tagesordnungspunkt 5. Der bisherige Tagesordnungspunkt 7 „Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der Berufsbezeichnung ‚Ingenieur/Ingenieurin’ (Ingeni- eurgesetz – IngG)“, Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 14/6246, wird Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen zur Tagesordnung.

Ich rufe auf:

1 In die Zukunft investieren – Bildungschancen und Lebensgrundlagen sicher finanzieren

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6970

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Löhrmann das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die CDU morgens vor der Plenarsitzung Sonderveranstaltungen mit grandiosen Vorführungen eines neuen, „besonders erfolgreichen“ Logos für NordrheinWestfalen durchführt, dann ist klar, warum die rechte Seite des Hauses heute Morgen etwas üppiger vertreten ist als die andere Seite des Hauses. Das nur vorweg. Es hat alles einen Hintergrund.

Ich schließe mich natürlich den Glückwünschen des Präsidenten an die deutsche FußballNationalmannschaft aus voller Überzeugung an und freue mich über meinen gestern abgegebenen Tipp, der einigermaßen eingetreten ist.

(Zuruf: Wie war der denn?)

Der war 2:1. Immerhin richtige Tordifferenz. Das war schon ganz okay.

Zum eigentlichen Thema, zum Landeshaushalt – das ist ernst genug –: Aus unserer Sicht hat die Regierung Rüttgers-Linssen/Pinkwart-Wolf in den

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Plenarprotokoll 14/96

vergangenen Jahren nicht die richtigen Weichen gestellt. Deswegen möchten wir ausdrücklich vor Einbringung des Landeshaushaltes einen entsprechenden Akzent setzen.

8 Milliarden € Mehreinnahmen, Herr Dr. Linssen, aber nur 4,8 Milliarden € weniger Neuverschuldung, das ist die bisherige Bilanz. Es wird nicht besser, wenn Sie, Herr Minister Linssen, die Nettoneuverschuldung im Jahre 2009 um 100 Millionen € senken wollen und von Einsparungen in Höhe von 200 Millionen € sprechen. Das ist angesichts von mehr als 100 Milliarden € Schulden bestenfalls ein Konsolidierungstropfen auf den Schuldenstein.

Herr Minister Linssen, ich warne schon einmal davor – präventiv ist ja immer besser als Nachsorge –, wieder Stellen- und Zahlenschiebereien vorzunehmen. Ihre Behauptung zu Stellenaufbau insbesondere in grünen Häusern in der Vergangenheit haben Sie selbst durch eine eigene Vorlage widerlegt. Deswegen sollten Sie das nicht wieder darstellen. Ich kann Ihnen das Datum nennen: 19. September 2005, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, aus Ihrem Haus. In dem Schreiben ist bewiesen worden, dass wir mitnichten einen immensen Stellenaufbau betrieben, sondern Stellen abgebaut haben. Das sollten Sie nicht vergessen. Ich kann es Ihnen auch gerne gleich zur Verfügung stellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Betrachtet man zusätzlich die finanzielle Austrocknung der Kommunen zugunsten des Landes und die entgegen Ihren Versprechungen vorgenommene schlechte Behandlung der Beamtinnen und Beamten, so wird klar: Haushaltspolitisch hat diese Landesregierung den eisernen Helmut versprochen, aber nur ein durchweichtes LinssenGericht geliefert.

Haushaltskonsolidierung hat es unter SchwarzGelb nicht, aber auch gar nicht gegeben. Dem Konsolidierungstropfen auf Landesebene stehen aufseiten der Kommunen immense Schulden gegenüber, Herr Finanzminister und Herr Innenminister.

Für uns Grüne ist Haushaltskonsolidierung kein Selbstzweck, sondern sie ist richtig und notwendig, weil sie für spätere Generationen Spielräume schafft.

(Zuruf von Minister Dr. Ingo Wolf)

Zugleich müssen wir aber auch auf zwei anderen Ebenen an unsere Kinder und Enkel denken. Im Klartext: sparen, wo möglich, investieren, wo nötig.

Zu einer zukunftsgerichteten Politik gehören zentral zwei Felder: hervorragende Bildung für alle, und zwar vom Kindergarten bis zur Weiterbildung, und eine intakte Umwelt mit einem vorsorgenden Klimaschutz. Hier muss aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen gezielt investiert werden. Die Messlatten für die ausstehenden Haushalte der Landesregierung liegen bei diesen Punkten aus unserer Sicht sehr hoch.

Unser Antrag beschreibt die Messlatten, die wir anlegen, genau. Die Überschriften lauten: „Bildung für alle“ – Kanzlerinnenmotto –, „Klima- und Umweltpolitik“ sowie „Echte Konsolidierung“. Sie können die Einzelheiten in unserem Antrag nachlesen.

Ich möchte nur ein paar zentrale Punkte aufgreifen, die wir für absolut unabdingbar auf dem Weg in eine gute Zukunft für NRW halten.

Zum Bereich Bildung: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Wenn wir über ein kostenfreies Kindergartenjahr sprechen – Herr Laschet ist leider nicht da;

(Zuruf: Er kommt gerade!)

er kommt aufs Stichwort, wunderbar – Herr Laschet, wir finden – so hatte ich Sie auch einmal verstanden –, dass es richtig ist, das erste Kindergartenjahr kostenfrei zu stellen, damit man die Kinder, da in diesem Alter noch nicht alle in den Kindergarten gehen, so früh wie möglich in dieser so wichtigen Bildungseinrichtung hat

(Beifall von den GRÜNEN)

und sie dann hoffentlich auch weiter in den Genuss dieser Bildungsinstitution kommen. Wir brauchen Bildung von Anfang an. Die ganztägige Betreuung darf unseres Erachtens nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

Dass sich Kinder jeden Alters regelmäßig und gesund ernähren können, ist eine Grundvoraussetzung für gute Bildung und Betreuung und im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Deshalb werben wir so offensiv und intensiv für ein Schulessen für die Kinder und für ein Essen im Kindergarten;

(Beifall von den GRÜNEN)

denn es kann eigentlich nicht sein, dass dies in einem reichen Land nicht gegeben ist, und die in Armut lebenden Kinder sollten dieses Essen aus unserer Sicht kostenfrei bekommen.

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Ganztag: Sie fangen an, aber aus unserer Sicht muss der Ganztag systematisch aufgebaut werden, und wir müssen die Schule zu einem Lern- und Lebensort umgestalten, in dem nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch die Vertreter anderer Professionen arbeiten; denn man braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen, wie ein berühmtes Sprichwort sagt.