Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

WestLB AG = Sparkassenzentralbank? Laut Satzung der WestLB AG ist sie schon heute die Zentralbank der nordrhein-westfälischen Sparkassen. Das neue Sparkassengesetz NRW will nun per Gesetz festlegen, dass der WestLB AG die Aufgaben der Sparkassenzentralbank übertragen werden. Aber: Es ist unklar, ob diese Übertragung im Falle eines Verkaufs der WestLB AG an einen privaten Investor rückgängig gemacht werden würde. Für die Sparkassen und ihre kommunalen Träger ist dies nicht akzeptabel.

Meine Damen und Herren, es sind in der Regel Ihre Landräte, es sind in der Regel Ihre Oberbürgermeister, es sind die Mehrheiten mit Ihrer Cou

leur in den Verwaltungsräten, die das zusammen mit den Sparkassen äußern.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Jo- hannes Remmel [GRÜNE])

Nun könnte man ja sagen: Ausgerechnet die schwarz-gelbe Koalition unter der ruhmreichen Führung des ruhmreichen Finanzministers hat aber eine höhere Expertise und eine höhere Kompetenz als all die Genannten. Dann sollten wir aber einmal die letzten zwölf bis 18 Monate Revue passieren lassen. Vor dem Hintergrund des real Existierenden und des real Passierten kann ich jedenfalls die Vermutung, dass die Expertise hier sitzt, nicht bestätigt finden. Das will ich Ihnen kurz begründen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Erstens. Wir haben letztes Jahr in der Sommerpause versäumt, eine Chance zu ergreifen, die sich mit der möglichen Fusion mit der LBBW geboten hat.

Zweitens. Sie haben im Herbst die Sparkassen zu einem Papier erpresst, in dem von einer Fusion mit der IKB geschrieben wurde. Ich muss wohl nicht näher erläutern, welcher Unsinn das war.

Drittens. Sie haben im Februar dieses Jahres den Sparkassen wiederum ein Papier abgepresst. Unter anderem hat der Finanzminister später zu diesem Papier ausgeführt: Alles kein Problem. Das mit der EU bekommen wir schon hin. – Woher nehmen Sie eigentlich die Weisheit, die Sparkassen, die kommunalen Spitzenverbände, Ihre eigenen Parteifreunde in Amt und Würden vor Ort allesamt zu kritisieren? Auch wenn Sie das zum wiederholten Male behaupten – aus der Vergangenheit können Sie dies nicht ableiten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aus der Vergangenheit müssen Sie ein fortgesetztes, ein dauerhaftes Scheitern zum Schaden des Landes, der WestLB und der Sparkassen ableiten.

Herr Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weisbrich?

Gerne!

Bitte schön, Herr Kollege Weisbrich.

Herr Kollege Becker, können Sie mir vielleicht einmal erklären, wie man

Sparkassen ein Papier abpressen kann, nach dem die Landesregierung, obwohl sie in der Minderheit ist, drei Fünftel des Risikos übernimmt?

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Ich kann Ihnen das gerne erklären, Herr Weisbrich. Wer die Fusion kennt – Sie sollten sich in der Tat mal mit Herrn Breuer unterhalten –, weiß, dass das bis 23:59 Uhr de facto gelaufen ist, um es noch kurz vorher abzuschließen. Wer die Diskussion kennt, weiß auch ganz genau, dass das, was darin vereinbart worden ist, eben nicht in Gänze auf das Einverständnis der Sparkassen gestoßen ist.

Womit Sie Recht haben, ist, dass das Land – nicht, weil es besonders großzügig war, sondern weil es faktisch nicht anders konnte – am Ende den Risikoschirm hauptsächlich tragen musste. Denn im Unterschied zum Land hätten die Sparkassen, wenn sie es hätten tun wollen, das in ihre Bilanzen als Risiko mit aufnehmen müssen. Und die gesamte Sparkassenlandschaft, die aufgrund der fehlerhaften Landespolitik Ihrer Koalition und Ihres Finanzministers schon jetzt erhebliche Risiken zu tragen hat, hätte noch viel mehr Lasten zu tragen gehabt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist der Grund, warum sie sich am Ende darauf geeinigt haben.

Ich komme zurück zu Ihrer waghalsigen Aussage, es sei kein WestLB-Gesetz, sondern ein Sparkassengesetz. Meine Damen und Herren, wer weiß, was die Eigentümer wegen der EU-Auflagen im Dialog mit der EU zur Privatisierung geschrieben haben, nämlich dass sie, wenn sie bis zum Ende des Jahres keine Lösung im Landesbankensystem hinbekämen, eine Privatlösung anstreben würden, und wer vor diesem Hintergrund heute sehenden Auges diese Formulierung zum SVerbund,

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

einem Zwangsverbund und keinem freiwilligen Verbund, durchpeitschen will, wer weiß, dass die EU selbstverständlich hier in der Anhörung sitzen wird – wenn nicht körperlich, so wird sie sich hinterher davon berichten lassen –, der muss auch wissen, wo die Risiken sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wenn Sie es ehrlich meinten, Herr Linssen, dann wüssten Sie, dass Ihre Rede vom 17. September 2007 für die EU schon einer der Anlässe war, hier

zu sagen, es liege eine unzulässige Beihilfe vor. Sie sollten diesen Fehler nicht erneut begehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Herr Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Strategie von CDU und FDP ist schon lange klar: Sie wollen endlich auch den Sparkassensektor privatisieren, sie wollen den Sparkassensektor zerschlagen. Darum geht es Ihnen. Der von der Landesregierung beschlossene Gesetzentwurf ist ein Einfallstor für die Privatisierung der Sparkassen. So sieht es aus.

Das neue Sparkassengesetz ist weder für die Sanierung der WestLB noch infolge der Änderung der Rahmenbedingungen für die öffentlichen Kreditinstitute erforderlich.

(Angela Freimuth [FDP]: Schneller!)

Wieso schneller? Ich lasse mir Zeit, genau die Zeit, die ich brauche, um darzustellen, was Sie hier vorhaben. Ihre perfide Strategie zielt gegen die Kommunen. Die FDP fungiert als Oberprivatisierer hier im Land. Das wissen Sie auch. Ich hoffe, Sie bekommen bei der nächsten Wahl eine schöne Packung dafür.

Durch die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Aufteilung von Trägerkapital in den kommunalen Bilanzen steigt die Gefahr, dass finanzschwache Gemeinden in Notlagen zum Verkauf ihrer Sparkassenanteile gezwungen werden, um ihre Haushalte auszugleichen. Das ist übrigens auch etwas, was Sie damit bezwecken. Dann könnten endlich private Investoren Zugriff auf die Sparkassen bekommen. Das ist genau das, was Sie wollen.

Auch wenn eine Übertragung des Trägerkapitals im Gesetzentwurf erst einmal ausgeschlossen ist: Das Land öffnet damit die Tür zu einer möglichen Privatisierung der Sparkassen.

Auf meinen energischen Widerstand stößt ebenfalls die im Gesetzentwurf fixierte Möglichkeit zur vertikalen Fusion zwischen Sparkassen und WestLB. Der Sparkassen- und Giroverband oder die Sparkassenzentralbank sollen die Möglichkeit erhalten, auf Zeit die Trägerschaft an einer Sparkasse zu übernehmen. Das ist die Keimzelle für eine umfassende Vertikalisierung von Sparkassen und WestLB mit verheerenden Folgen für die Sparkassen und die mittelständische Wirtschaft.

Die Vertikalisierung würde die Sparkassen zu Filialen eines Sparkassenkonzerns machen, wodurch die Selbstständigkeit der Institute bedroht und eine der Stärken der Sparkassen infrage gestellt würde, nämlich die Präsenz vor Ort sowie die daraus resultierenden Markt- und Kundenkenntnisse. Ein enormer Arbeitsplatzabbau wäre zudem die Folge. Wir erleben das Ganze schon real: In Münster macht man sich bereits große Sorgen, denn auch da gibt es bekanntermaßen einen Standort der WestLB.

Die WestLB würde Zugang zu dem ertragreichen gewerblichen Kreditgeschäft der Sparkassen erlangen und stünde mit ihrer momentan kreditwürdigen Geschäftspolitik besser da, während die Sparkassen geschwächt würden und regionale Bindung verlören.

Abzulehnen ist auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Lockerung des Regionalprinzips bei den Sparkassen. Größere Sparkassen könnten dann kleine Häuser unterbieten und deren Existenz gefährden.

Die Linke und ich sind für den Erhalt der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, ihrer kommunalen Einbindung und die Stärkung ihrer Gemeinwohlorientierung. Die Bestrebungen der Landesregierung, die Sparkassen für private Investoren zu öffnen, lehnen wir ab. Deswegen sollte aus meiner Sicht die Novelle des Sparkassengesetzes nicht nur ausgesetzt werden, bis die Zukunft der WestLB geklärt ist, wie die Grünen es fordern, sondern sie sollte erst gar nicht beschlossen werden.

Deswegen habe ich heute einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht. Ich weiß, dass er auf breite Zustimmung im Land stößt, aber leider vermutlich nicht auf die von CDU und FDP.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Vielen Dank Herr Abgeordneter Sagel. – Jetzt hat für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Linssen, das Wort.

(Zuruf von der SPD: Er ist feige! – Weitere Zurufe)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich extra an den Schluss der Rednerliste setzen lassen,

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, ja! Feige! Ich hätte von Ihnen mehr erwartet! – Weitere Zu- rufe von SPD und GRÜNEN)

weil ich glaube, dass dies eine Stunde des Parlamentes ist. Ich bin den Sprechern und Sprecherinnen der Regierungsfraktionen ausgesprochen dankbar, dass sie gegen diese polemischen Äußerungen der Opposition Sachinformationen anhand des Textes setzen.

(Beifall von CDU und FDP – Ralf Jäger [SPD]: Das wäre eine Möglichkeit gewesen, dazuzulernen! – Bodo Wißen [SPD]: Meinen Sie die Verwaltungsräte? – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Ich darf Ihnen, verehrte und liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, anraten, die Zeit bis zur Anhörung am 11. September zu nutzen. Lesen bildet!

(Zurufe von der SPD)

Dann werden Sie manches von dem korrigieren müssen, was Sie hier heute vorgetragen haben.